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Archivbild, 2006: Der russische Eisbrecher "Jamal" im Eismeer zwischen Murmansk und dem Nordpol

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Mythos Nordostpassage – Andreas Renner

Von einem Seeweg durchs sibirische Eismeer haben Seefahrer schon vor Jahrhunderten geträumt. Aber erst heute verhelfen der Klimawandel und die arktische Eisschmelze der Nordostpassage zu geopolitischer Attraktivität. Interessenskonflikte sind vorprogrammiert.

Der kürzeste Seeweg zwischen Westeuropa und Ostasien verläuft durch das Nordpolarmeer. Seit Christoph Kolumbus die südliche Route nach Indien und China verfehlte hatte, haben westeuropäische Seefahrer von einem schnellen Weg in den fernen Osten geträumt – und sind über Jahrhunderte zumeist tragisch am und im arktischen Eis gescheitert.

Ein halbes Jahrtausend nach Kolumbus ist die Lage anders: Der Klimawandel drängt das Meereis so weit zurück, dass immer mehr Schiffe die Nordostpassage nutzen können. Sie ist bis zu 60 Prozent kürzer als die Standardroute durch den Suezkanal. So können Arbeitszeit, Treibstoff und Emissionen eingespart werden.

Wer profitiert von dieser 'Öffnung'?

Andreas Renner

Andreas Renner, Historiker und Professor für Russland-Asien-Studien an der LMU München

In ihrem Hauptabschnitt wird die Schifffahrtsstraße von Russland verwaltet. Wladimir Putin verfolgt ehrgeizige Pläne insbesondere im Hinblick auf den Transport von Gütern und Bodenschätzen wie Gas und Öl aus den arktischen Regionen.

Für den russischen Präsidenten ist die Nordostpassage ein Handelsweg mit großer Zukunft, der zugleich untrennbar mit der imperialen Vergangenheit des Landes verknüpft ist. Stalins Selbstverständnis als nordische Großmacht, propagandistisch durch die Gründung von Häfen und Industrieanlagen in der Tundra demonstriert, dient Putin als Vorbild.

Auch China verfolgt eine Arktisstrategie und arbeitet an Plänen für eine neue, in diesem Fall polare Seidenstraße. In künftigen geopolitischen West-Ost-Entwürfen werden die Arktis und der nördliche Seeweg eine wichtige Rolle spielen.

Redaktion: Chris Hulin

Buchtipp

Andreas Renner: Nordostpassage. Geschichte eines Seewegs. Mare Verlag 2024. 272 Seiten. 28 €. ISBN: 978-3-86648-684-3.