Schon bei ihrem Einzug in Berlin im Dezember 1793 versetzt Luise die jubelnden Massen in Entzücken. Die 17-Jährige ist mit ihren dunkelblonden Locken und blauen Augen nicht nur ungewöhnlich hübsch, sondern auch offen, freundlich und bürgernah. Eine Traumbesetzung für die Rolle der künftigen Königin von Preußen. "Alle Herzen flogen ihr entgegen", notiert ein Chronist über ihre Ankunft am Hof der Hohenzollern.
Eine "Königin der Herzen" - wie sie August Wilhelm Schlegel nennt - ist genau das, was die Monarchie um 1800 braucht. Durch die Französische Revolution stehen die Zeichen auf Veränderung, doch Preußen hält an den alten Verhältnissen fest."Luise mit ihrer Frische steht im Grunde genommen für ein Versprechen, dass die Krone in Harmonie mit den Untertanen zu neuen Ufern aufbrechen würde, eines Tages", beschreibt Daniel Schönpflug, Historiker am Wissenschaftskolleg zu Berlin, die damalige Stimmung im Land.
Aus politisch arrangierter Ehe wird Liebe
Geboren wird Luise von Mecklenburg-Strelitz 1776 in Hannover und wächst nach dem Tod ihrer Mutter am kleinen Hof der Großmutter in Darmstadt auf. Als sie 17 Jahre alt ist, schlägt der König von Preußen eine Doppelhochzeit vor: Luise und ihre Schwester Friederike sollen seine Söhne Friedrich Wilhelm und Ludwig heiraten. Vor allem weil das Fürstentum Mecklenburg-Strelitz verwandtschaftliche Beziehungen zum englischen Königshaus hat, von denen Preußen zu profitieren hofft.
Der Ältere darf zuerst aussuchen und die Wahl des Kronprinzen Friedrich Wilhelm III. fällt auf Luise. "Ich fühle mich als der glücklichste Sterbliche auf der Erde", schreibt er kurze Zeit später seiner Braut. Leidenschaftliche Worte für einen Mann, der als trocken, kurz angebunden, depressiv und unentschieden gilt. Luise mit ihrer warmherzigen und lebendigen Art verkörpert genau das Gegenteil. Folglich schiebt der menschenscheue Friedrich Wilhelm bei Auftritten seine Frau gern vor – und Luise repräsentiert die Hohenzollern-Monarchie mit Bravour. Sie plaudert charmant mit Staatsgästen, genießt die Feiern des Adels und gibt ein Vermögen für Kleider aus. Manchen wird der preußische Hof zu bunt, Kritiker werfen ihr Gefallsucht und Oberflächlichkeit vor.
Königs- und Kaisermutter
Doch Friedrich Wilhelm III. und König Luise führen eine Musterehe - auch nachdem sie 1797 den Thron besteigen. Sie duzen sich, halten Händchen in der Öffentlichkeit und leben am liebsten auf ihrem Landschlösschen in Paretz. Luise bekommt zehn Kinder, von denen sieben überleben. Darunter der spätere König Friedrich Wilhelm IV., Kaiser Wilhelm I. sowie die russische Kaiserin Alexandra.
Nachdem Preußen 1806 eine derbe Niederlage gegen Napoleon einstecken muss, ändert sich das Leben von Luise dramatisch. Die Königsfamilie flieht von Berlin in den äußersten Osten des Landes. Trotz der schwierigen Umstände - sie lebt mit ihrer Familie in einfachsten Verhältnissen - hält Königin Luise den Glauben an die preußische Zukunft hoch. Sie reist zu den Tilsiter Friedensverhandlungen und trifft ihren Todfeind Napoleon, um mildere Bedingungen für Preußen zu erflehen. Der kleine Franzose zeigt sich durchaus beeindruckt von ihrem Charme, in der Sache bleibt Napoleon jedoch knallhart: Preußen verliert die Hälfte seines Territoriums.
Verklärung zur Preußen-Madonna
Drei Jahre später stirbt Königin Luise, am 19. Juli 1810, mit nur 34 Jahren plötzlich auf Schloss Hohenzieritz, der Sommerresidenz ihres Vaters. Die Ärzte nennen eine Lungenentzündung als Todesursache. Napoleon habe ihr mit seiner Politik das Herz gebrochen, sagt das Volk. Der frühe Tod trägt dazu bei, dass sich um das Leben der Königin unzählige Legenden ranken. Luise wird zur Preußen-Madonna und zum Symbol des Widerstandes gegen Frankreich verklärt. Mythos und Wahrheit lassen sich kaum trennen. "Mehr als von der Verleumdung ihrer Feinde hat sie von der Phrasenhaftigkeit ihrer Verherrlicher zu leiden gehabt", fasst Theodor Fontane im Jahr 1892 den Kult um die Königin zusammen. Sie selbst hätte vor allem eins gefreut: die Niederlage Napoleons.
Stand: 19.07.2015
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