Bruno Ganz ist kein Mann des Theaters. Zumindest sieht er das inzwischen so. "Das Theater ist in einem Zustand, ich mag mich dem nicht nähern. Ich wüsste auch nicht mit wem und in welcher Konstellation", sagt der Ausnahmeschauspieler einmal in einem Interview. Und: "Das deutsche Theater braucht mich nicht."
Lieber dreht Ganz inzwischen Kinofilme. "Ich muss beim Kino keinen Raum bedienen, ich muss nicht alles weit nach hinten in die 30. Reihe transportieren, sondern kann total bei mir bleiben. Das hat dann eine Art von Intimität und Genauigkeit, die mich fasziniert." So ist es 2004, als Ganz in "Der Untergang" Adolf Hitler spielt, obwohl ihm seine Freunde abgeraten haben. Er zeigt ihn mit Wut und Aggression, als bellendes Monster und Massenmörder, aber auch als einsamen Menschen aus Fleisch und Blut. Zu sympathisch, wie es gelegentlich in Kritiken heißt. Oder eben ehrlich, authentisch.
Im politischen Theater groß geworden
Geboren wird Ganz am 22. März 1941 in einem Arbeiterstadtteil von Zürich. Die Mutter ist Italienerin, der Vater Deutschschweizer aus einer Bauernfamilie. Und Eigenbrödler: ein Wesenszug, den Ganz laut eigener Aussage im Alter übernimmt. In den 50er Jahren entdeckt Ganz das Theater. Zu dieser Zeit ist Zürich mit seinen Kriegsflüchtlingen ein Eldorado der Schauspielkunst. Weil ein befreundeter Logenbeleuchter ihn einlässt, kann Ganz Stars wie Therese Giehse und Gustav Knuth erleben. Er bricht die Schule ab und nimmt Schauspielunterricht. 1962 geht er nach Deutschland, wo er zunächst in Göttingen engagiert wird. Drei Jahre später holt ihn der Regisseur Kurt Hübner nach Bremen, wo die Regie-Avantgarde um Peter Zadek, Rainer Werner Fassbinder oder Peter Stein experimentiert.
Als ideologische Streitereien das Ensemble spalten, geht Ganz 1969 mit Stein an die "Schaubühne am Halleschen Ufer" in West-Berlin. Mit Edith Clever und Jutta Lampe gehört er schon bald zu den Bühnenstars und begeistert als Goethes Tasso und Ibsens Peer Gynt. Mitte der 70er Jahre beginnt ihn das politische Theater zu langweilen. Er wendet sich deshalb verstärkt dem Film zu. Ganz spielt mit in Éric Rohmers preisgekrönter Kleist-Verfilmung "Die Marquise von O" (1976) oder unter Wim Wenders in "Der amerikanische Freund" (1977). In der Folge macht er mit bei über 90 Kinofilmen, darunter "Der Himmel über Berlin" (1987), "Brot und Tulpen" (2000) und "Nachtzug nach Lissabon" (2013).
"Ich muss das machen"
1996 wird Ganz Träger des Iffland-Rings, der dem "besten und würdigsten Schauspieler deutscher Zunge" zugeeignet und testamentarisch weitervererbt wird. In einer Gesamtinszenierung von Goethes "Faust I" und "Faust II" spielt er vier Jahre später unter Peter Stein 21 Stunden mit einigen Pausen, verteilt auf zwei Tage – ein aufreibendes und erschöpfendes Projekt, das im Bruch zwischen Darsteller und Regisseur mündet.
2016 steht Ganz als Alm-Öhi in der Verfilmung des Romans "Heidi" von Johanna Spyri vor der Kamera. " Das ist ein nationaler Mythos, egal wie verformt. Ich bin Schweizer, und ich muss das machen", sagt er dazu. Besonders angestrengt hätten ihn die Dreharbeiten nicht. Schließlich habe er ja selbst das Ziegenmelken schon als Kind gelernt.
Stand: 22.03.2016
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 23. März 2016 ebenfalls an den Geburtstag von Bruno Ganz. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.