Ende Januar 1933 hat es Adolf Hitler geschafft: Reichspräsident Paul von Hindenburg ernennt ihn zum Reichskanzler. Nun kann der selbst ernannte "Führer" seine Macht weiter ausbauen. In der Folge werden immer mehr Nazi-Gegner in Konzentrationslager gesteckt.
Wer von den Verfolgten Geld und Beziehungen hat, flieht. Im Nachbarland Frankreich finden rund 55.000 Deutsche Unterschlupf - die meisten allerdings ohne Arbeitserlaubnis. Auch linke Partei-Politiker und Schriftsteller sind darunter. Sie treffen sich im Pariser Grandhotel "Lutetia", das auf der linken Seine-Seite mitten in der Künstler- und Kulturszene liegt.
In der vornehmen Hotel-Atmosphäre diskutieren die Exilanten, wie Deutschland von Hitler befreit werden kann. Das Problem: Die Nazi-Gegner sind - wie schon zuvor in der aufgelösten Weimarer Republik - zerstritten. "Die Sozialdemokraten waren von den Kommunisten seit Jahren als Sozialfaschisten verrufen, verschrien, bekämpft worden", sagt Historikerin Ursula Langkau-Alex vom "International Institute of Social History" in Amsterdam.
Auch die geflüchteten Katholiken, bürgerlichen Intellektuellen und weitere Exilanten verfolgen ihre eigenen Ziele. "Heraus aus der Zersplitterung!", fordert deshalb Hitler-Biograf Konrad Heiden Ende Juni 1935 im "Pariser Tageblatt". "Die Kräfte sind da. Die einigende Parole fehlt. [...] Wer tut den ersten Schritt?"
Volksfront-Idee ist nicht neu
Derweil macht eine politische Teilentwicklung den deutschen Hitler-Gegnern Hoffnung: In Spanien gewinnt im Februar 1936 die "Frente Popular" die Parlamentswahlen, in Frankreich kommt im Mai 1936 der "Front populaire" unter Léon Blum an die Macht.
"Volksfront"-Regierungen scheinen Konjunktur zu haben. In Frankreich werden die deutschen Emigranten bei Massenkundgebungen aufgerufen, sich untereinander zu einigen.
Die Idee, eine "Volksfront" gegen Hitler zu organisieren, ist nicht neu. 1932 hat ein solches Bündnis die Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten unterstützt. Doch dessen Sieg hat den "Führer" nicht verhindert. Auch die saarländische "Volksfront" scheitert 1935 beim Kampf gegen den Anschluss an das Deutsche Reich.
Doch in Paris wollen die deutschen Emigranten aus den Fehlern lernen. "Es sollte kein Zurück zu Weimar werden", sagte Historikerin Langkau-Alex. "Es sollte ein besseres Weimar werden." Der Umsturz soll zwar im Ausland angeregt, aber in Deutschland durchgeführt werden.
Dreiseitiger Minimal-Konsens
Eine Einigung der deutschen Exilanten in Paris wird durch eine Wende in Moskau ermöglicht. Der VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale beschließt, eine antifaschistische Einheitsfront mit den Sozialdemokraten nicht länger zu torpedieren. Auch die kommunistischen Vertreter im "Lutetia"-Kreis wollen daraufhin in Deutschland wieder demokratische Verhältnisse schaffen.
Gleichzeitig verschärft sich die politische Lage: In Deutschland besetzt die Wehrmacht die entmilitarisierte Rheinlandzone; in Spanien beginnt der Bürgerkrieg, in dem Hitler General Francisco Franco militärisch unterstützt.
Am 21. Dezember 1936 einigen sich schließlich die deutschen Emigranten. "Bildet die Deutsche Volksfront!", lautet ihr gemeinsamer Aufruf. "Für Frieden, Freiheit und Brot!" Auf drei Seiten wird der Minimal-Konsens erklärt. "Der Friede der Welt und das Glück unserer Heimat sind nur durch den Sturz des Naziregimes zu sichern." Nach dem erhofften Sieg über Hitler sollen Großbanken und Rüstungsindustrie verstaatlicht werden.
Zu den unterzeichnenden Parteienvertretern gehören unter anderem Walter Ulbricht und Willy Brandt. Unter den Parteilosen sind etliche Schriftsteller wie Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger und Arnold Zweig.
Zusammenhalt zerbricht
Anfang 1937 wird der "Aufruf zur Bildung einer deutschen Volksfront" in der deutschen Exil-Presse und in ausländischen Zeitungen veröffentlicht. Viel mehr als die Gründung einer Berliner "Volksfront"-Gruppe wird allerdings nicht erreicht. Diese wird zudem bald von der Gestapo zerschlagen.
Nur wenige Monate nach dem Aufruf zerbricht der Zusammenhalt der deutschen Emigranten in Paris. Auch in ihrem Exil geraten sie unter Druck: Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs werden "Lutetia"-Aktivisten in Frankreich als feindliche Ausländer interniert. Wer nicht fliehen kann, sitzt in der Falle. Denn im Juni 1940 folgt der sogenannte deutsche Blitzsieg über Frankreich. In das Hotel Lutetia zieht nun Hitlers Spionageabwehr ein.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 21. Dezember 2016 ebenfalls an die Gründung der Volksfront gegen Hitler. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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