Als Berlin 1987 seinen 750. Geburtstag feiert, ist diesseits und jenseits der Mauer nichts zu teuer. Monatelang überbieten sich Westen und Osten der geteilten Stadt mit Spektakeln. Treten zu Pfingsten etwa vor dem Reichstag Genesis und David Bowie auf, lässt die DDR das mittelalterliche Nikolaiviertel wiedererstehen - und trifft damit West-Berlin an einer empfindlichen Stelle.
Dort am östlichen Spree-Ufer liegt die eigentliche Wiege Berlins. "Ost-Berlin verfügt über die Geschichte – und West-Berlin sieht aus wie ein Vorort", beschreibt der Historiker Krijn Thijs das Problem der West-Festplaner damals. Ein Problem, das zur 780-Jahr-Feier nicht mehr existiert. Dafür hat die vereinte Stadt ein neues: kein Geld. Die Jubiläumsfeiern von Berlin, dessen Geschichte als Doppel-Stadt Berlin-Cölln beginnt, fallen seither bescheidener aus.
Zukunft als Handelsdrehkreuz
Einen exakt datierbaren Beleg über die Gründung der Doppelstadt gibt es nicht. Vermutlich im 12. Jahrhundert waren die ersten Siedler aus dem Rheinland in der zuvor von Slawen bewohnten Mark Brandenburg angekommen. Erstmals erwähnt wird das ältere Cölln in einer Urkunde aus dem Jahr 1237. Benannt haben die Rheinländer ihr neues Zuhause auf der Fischerinsel an einer Furt der Spree nach ihrer alten Heimat. Das gegenüber gelegene Berlin wird 1244 erstmals urkundlich als Stadt erwähnt.
Berlins Name leitet sich vom slawischen "berl" für Sumpf ab. Auf fruchtbares Land oder Bodenschätze können die Neu-Brandenburger von Cölln und Berlin nicht hoffen. Deshalb nutzen sie die Lage an der Spree, um sich nahe der großen Handelsrouten zwischen Elbe und Oder als Verkehrsknotenpunkt durchzusetzen. Die Nachbarn arbeiten eng zusammen, unterstützt von holländischen Siedlern, die als erfahrene Deich- und Brückenbauer den sandigen Boden entwässern und die Städe verbinden.
Die Stadtmauer wird zur Geldquelle
Der Plan geht auf und das bald von einer Stadtmauer umgebene Berlin-Cölln gedeiht als Handelszentrum. Doch als 1320 die Askanier als Schutzherren Brandenburgs aussterben, plündern Raubritter das Land. Mehrere Adelshäuser befehden sich um den Besitz. 1415 übernehmen die Hohenzollern die Herrschaft in Brandenburg. Berlin wird als Kurfürsten-Residenz der bedeutendere Teil der Doppel-Stadt und erhält nach dem Dreißigjährigen Krieg eine neue Festungsanlage.
Modell von Berlin-Cölln im Märkischen Museum
Ende des 17. Jahrhunderts errichteten Akzisenmauer entsteht eine sprudelnde Geldquelle. Akzisen sind Steuern, die nun an insgesamt 20 Stadttoren auf alle eingeführten Waren entrichtet werden müssen. Jede Kutsche, jeder Karren wird peinlich genau durchsucht. Später hindert die Mauer viele Berliner Soldaten daran, vor dem äußerst unbeliebten Militärdienst zu fliehen.
Berlin – älter als gedacht?
Friedrich I., erster König in Preußen, verfügt schließlich 1709 die endgültige Vereinigung von Berlin und Cölln samt drei anderer Vorstädte zur Königlichen Residenz Berlin. Seit Beginn des Baubooms nach der Wiedervereinigung haben Archäologen in Berlin alle Hände voll zu tun. Wo immer Bagger den historischen Boden aufreißen, tauchen Relikte aus dem Mittelalter auf. Dabei wird so manche Überraschung zutage gefördert.
2008 bergen Archäologen auf der Museumsinsel eine gut erhaltene Eichenbohle eines Fachwerkhauses aus dem märkischen Sand. Die Zählung der Jahresringe ergibt: Der Baum wurde bereits um das Jahr 1180 gefällt. Berlin könnte seinen Geburtstag also mindestens um ein halbes Jahrhundert zurückdatieren.
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
Stichtag am 23.07.2017: Vor 60 Jahren: Niederländischer Regisseur Theo van Gogh wird geboren