Für die Gegner Konrad Adenauers und der CDU ist die Nachricht ein Skandal: Am 27. Oktober 1953 wird Hans Globke Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Der promovierte Jurist war schon im "Dritten Reich" ein hoher Beamter.
Für den damaligen SPD-Abgeordneten Egon Bahr ist rückblickend klar: "Es war die unausgesprochene Amnestie für hohe NS-Funktionäre." Denn 1935 kommentierte Globke im Berliner Innenministerium die "Nürnberger Rassengesetze". Deren Ziel war die "Reinerhaltung deutschen Blutes". Jede sexuelle Handlung mit Juden wurde unter Strafe gestellt.
Juristischer Schreibtischtäter
Globkes Kommentar konkretisiert den Gesetzestext, anstatt ihn zu kritisieren. "Der Dreiachteljude, der einen volljüdischen und einen halbjüdischen Großelternteil besitzt, gilt als Mischling mit einem volljüdischen Elternteil", lautet zum Beispiel eine Definition Globkes.
"Insofern muss man Globke als Schreibtischtäter bezeichnen", sagt Peter Weber, ehemaliger Richter am Berliner Kammergericht.
Entlastung durch Persilscheine
Adenauer sieht das anders: "Ich meine, wir sollten jetzt mit der Nazi-Riecherei mal Schluss machen!" Seine Devise: "Man schüttet kein dreckiges Wasser aus, wenn man kein reines hat." Für ihn kann der neue Staat ohne Alt-Nazis in der Beamtenschaft nicht funktionieren.
Globke profitiert davon, dass sein NSDAP-Aufnahmeantrag 1941 abgelehnt wurde. Er war den Nazis zu katholisch. 1947 stuft eine Spruchkammer Globke als "unbelastet" ein. Er hat sich dafür Entlastungsschreiben, sogenannte Persilscheine, organisiert.
CIA: "Graue Eminenz"
1956 stuft der US-Geheimdienst CIA Adenauers Staatssekretär als "graue Eminenz" ein: "Ohne Zweifel kontrolliert er alle Schaltzentralen der Regierung." Auch mithilfe des "Reptilienfonds" könne er beträchtlichen Druck ausüben. In diesem Fonds befinden sich Gelder des Bundeskanzleramtes, über deren Verwendung öffentlich keine Rechenschaft abgelegt werden muss.
1961 will die israelische Justiz Globke als Zeugen im Eichmann-Prozess vernehmen. Aber Adenauer verhindert das mit hohen Wiedergutmachungszahlungen an Israel.
Kein Ruhestand in der Schweiz
1963 nimmt die DDR Globke ins Visier. Er wird in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Ohne Folgen in der BRD: Globke kann zusammen mit Adenauer unbehelligt in den Ruhestand gehen.
Doch in der Schweiz niederlassen kann sich Globke nicht. Dort wird ihm wegen seiner Vergangenheit eine Aufenthaltsgenehmigung verweigert. Globke stirbt 1973 in Bonn.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 27. Oktober 2018 ebenfalls an Hans Globke. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
Stichtag am 28.10.2018: Vor 75 Jahren: Cornelia Froboess wird geboren