Die Vorlage für das Musical "Kiss me Kate" stammt aus dem 16. Jahrhundert und ist aus feministischer Sicht problematisch: In William Shakespeares Komödie "Der Widerspenstigen Zähmung" geht es um die Unterwerfung der Frau unter männliche Autorität. "Sie ist mein Eigentum, mein Hab und Gut, mein Ochs, mein Esel, mein alles", heißt es da. "Und wollt Ihr's oder nicht, Ihr werdet mein!"
Der Songwriter und Musicalkomponist Cole Porter winkt erst einmal ab, als ihm der Stoff 1947 angetragen wird. Aber Bella und Sam Spewack, zwei routinierte Broadway-Autoren, wollen das Stück auf die Bühne bringen und wenden dafür einen dramaturgischen Kunstgriff an.
Theater im Theater
"Es wird ein Stück im Stück aufgeführt", sagt der englische Regisseur Martin Duncan, der "Kiss me Kate" 2018 am Theater Bonn inszeniert hat. "Eine Theatergruppe studiert Shakespeares 'Der Widerspenstigen Zähmung' ein - und wir sehen ihnen dabei zu."
Der Clou: Die Hauptdarsteller des Shakespeare-Stücks, Lilli und Fred, waren einmal ein Paar und sind - in der Musicalhandlung - noch nicht fertig miteinander. "Es ist eine Hassliebe", so Regisseur Duncan. "Man denkt als Zuschauer die ganze Zeit: Oh, nein, jetzt geht das mit den beiden wieder von vorne los!"
Cole Porter sucht Liebe
Die verschachtelte Struktur des Stücks überzeugt Cole Porter. Er willigt ein, Musik und Songtexte zum geplanten Musical beizusteuern. Frauen, Männer und andere Katastrophen: Für den Komponisten gibt es kaum ein interessanteres Thema.
Geboren 1891 im strenggläubigen mittleren Westen der USA geht Porter im Ersten Weltkrieg nach Paris - und gehört dort bald zum Party-Jetset. "Ich wollte jede Art von Liebe, die man bekommen konnte", sagt er rückblickend. "Ich hab sie nie bei demselben Menschen gefunden oder bei demselben Geschlecht."
Herausforderung für 57-Jährigen
Nach einem schweren Reitunfall 1937 kann Porter nur unter Morphium komponieren - zusätzlich zum Bourbon. Den konsumiert er seit den späten 1920er Jahren, als er erst den Broadway und dann Hollywood erobert hat.
Doch seine letzten Shows waren Flops, in New York gilt der 57-Jährige als Mann von gestern. Für Porter geht es ums Ganze, als er am 30. Dezember 1948 zur Uraufführung am Broadway erscheint und sich auf Krücken in die erste Reihe schleppt.
Über tausend Mal "Kiss me Kate"
Der Erfolg ist überwältigend. 1.077 Vorstellungen erlebt allein die erste Inszenierung. Sieben Jahre später findet in Frankfurt am Main die erste deutsche Premiere statt - mit dem Hit "Schlag nach bei Shakespeare".
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 30. Dezember 2018 ebenfalls an die Uraufführung des Musicals "Kiss me Kate". Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
Stichtag am 31.12.2018: Vor 45 Jahren: Die australische Rockband AC/DC tritt erstmals öffentlich auf