Schild mit der Aufschrift 'Neuer Markt'.

Stichtag

10. März 1997 - Neuer Markt startet an der Frankfurter Börse

Es herrscht Goldgräberstimmung auf dem Parkett, als am 10. März 1997 der sogenannte Neue Markt an der Frankfurter Börse startet. Vier Monate zuvor hat Schauspieler und "Tatort-Kommissar" Manfred Krug die Telekom-Aktie an die Börse und die deutschen Kleinanleger mit Werbespots auf den Geschmack gebracht: "Sie könnten mir ja auch mal was nachmachen, ich war zum Beispiel gestern bei der Bank, und wenn sie nun morgen hingehen würden, das wär doch..."

Das neue Börsensegment richtet sich an kleine und mittlere Unternehmen, die bisher noch keine Chance hatten, an der Börse präsent zu sein. "Der Neue Markt verfolgt das Ziel, Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt zu verschaffen. Das heißt, die Eigenkapitalfinanzierung über den Aktienmarkt zu ermöglichen", so die Deutsche Börse. Als eine der ersten Firmen ergreift der Mobilfunk-Anbieter "Mobilcom" die Chance. Andere Unternehmen folgen, die etwas mit Mobilfunk, Internet, Biotechnologie oder Medien zu tun haben: "Intershop", "Pixelpark", "Kabel New Media", "EM-TV".

Unternehmer werden zu Popstars

Skeptiker warnen schon bald vor dem Zusammenbruch der Euphorie: "Zum neuen Markt darf man nicht gehen, das ist ein Betrug, und es wird mit einem schrecklichen Blutbad enden", warnt Börsenexperte André Kostolany. Er ahnt schon 1998, dass es gar nicht so neu ist, was am Neuen Markt passiert - sondern nur eine weitere Spekulationsblase. Doch pessimistische Stimmen sind nicht gefragt. Aktienbesitz ist zum Massenphänomen geworden.

Geben 1997 noch zwölf Unternehmen ihr Debut, sind es im Jahr darauf bereits 41, im Jahr 2000 sogar 130. Hauptversammlungen werden zu Partys, Unternehmer zu Popstars, erinnert sich Malte Diesselhorst von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz: "Es herrschte bis Anfang 2000 eine fast kritiklose Bewunderung der Erfolge, die diese Unternehmen hatten."

Im Juni 2003 abgeschafft

"Verteufelt bitte die Aktie als Geldanlage nicht", sagt ARD-Börsenexperte Frank Lehmann im Fernsehen. "Ihr malocht in Fabriken, in Büros und vergesst, dass man nebenher mit einer gescheiten Geldanlage auch Geld machen kann, wenn man es begreift." Doch die Wenigsten haben es offenbar begriffen. An seinem dritten Geburtstag erreicht der Neue Markt seinen Höhepunkt, dann geht es steil bergab. Den Anfang vom Ende markiert die Pleite des Internetanbieters "Gigabell". Nur ein Jahr nach dem Börsengang hat das Unternehmen kein Geld mehr.

Angst breitet sich am Neuen Markt aus. Am 20. August 2001 fällt sein Index, der "Nemax 50", von einst über 8.000 Punkten auf unter 1.000 Punkte. Aus Sorge wird Panik, aus Gewinnern werden Verlierer. Neuer-Markt-Star Oliver Sinner, der 1999 die Sinner-Schrader AG als Multimedia-Agentur an den Neuen Markt gebracht hat, sagt rückblickend, damals "habe ich teilweise in meinem Porsche geweint". Sinner-Schrader zählt zu den wenigen Unternehmen des Neuen Marktes, die auch nach dessen Ende im Juni 2003 noch weiter existieren. Sinner ist mittlerweile nur noch Aktionär und führt an der Ostsee ein kleines Hotel. Die Sinner-Schrader-Aktie ist nur noch ein Bruchteil von damals wert.

Stand: 10.03.2012

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.