4. Juni 1968: Robert F. Kennedy hat gerade die demokratische Vorwahl in Kalifornien gewonnen. Es ist nun durchaus denkbar, dass der 42-jährige Bruder des 1963 ermordeten Präsidenten John F. Kennedy selbst Präsident werden kann. "Wir können den Zwiespalt überwinden zwischen Schwarz und Weiß, den Armen und den Bessergestellten und unsere Differenzen zum Krieg in Vietnam", sagt Kennedy in seiner Siegesrede im Hotel Ambassador in Los Angeles, der Wahlkampfzentrale der Demokraten. Nach der Ansprache will er zu einem Pressegespräch und geht durch die Hotelküche. Dort drängen sich rund 70 Wahlhelfer und Freunde um den Kandidaten. Mittlerweile ist es schon nach Mitternacht.
Plötzlich stürzt der 24-jährige Shirhan Bishara Sirhan auf Kennedy zu. Der christliche Palästinenser, der 1956 mit seiner Familie eingewandert ist, hat den rechten Arm ausgestreckt, in der Hand hält er eine Pistole. Es fallen mehrere Schüsse. Kennedy wird in Kopf und Schulter getroffen. Eine dritte Kugel streift die Stirn. Durch die Schüsse werden auch fünf weitere Personen verletzt. Kennedy wird mehrere Stunden am Gehirn operiert - ohne Erfolg. Rund 26 Stunden nach dem Attentat stirbt Kennedy am 6. Juni 1968 an den Folgen des Kopfschusses.
Gegen Rassismus und Vietnamkrieg
Rückblende: Im März 1968 gibt Robert Kennedy seine Kandidatur für die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten bekannt. Unter seinem Bruder war er Justizminister und wurde später Senator von New York. Nach der Ermordung von John F. Kennedy veränderte sich seine politische Haltung. Arbeitete der studierte Rechtsanwalt früher zum Beispiel als Ermittler in Joseph McCarthys Komitee gegen vermeintliche kommunistische Umtriebe, setzt er sich nun für soziale Gerechtigkeit und gegen den Vietnamkrieg ein: "Wir töten Kinder, wir töten Frauen, wir töten unschuldige Menschen, weil wir keinen Krieg auf amerikanischem Boden austragen wollen." Damit gewinnt Kennedy die Sympathien junger Wähler. Auch bei Schwarzen ist er beliebt: Kennedy unterstützt die Bürgerrechtsbewegung von Martin Luther King, der Anfang April 1968 ermordet worden ist.
Kennedys Kurswechsel vom ehemaligen Law-and-Order-Politiker zum Hoffnungsträger ist inner- und außerhalb seiner Partei umstritten. Als nach dem Attentat Ungereimtheiten bekannt werden, machen bald Verschwörungstheorien die Runde. Einige Fragen sind bis heute unbeantwortet: Weshalb werden bei einer akustischen Analyse eines Tonbandes von der Bluttat zwölf Schüsse gezählt, wenn die Pistole nur acht Patronen fasst? Warum ist der tödliche Schuss offenbar von hinten gekommen, wie Kennedys Berater Paul Schrade behauptet, obwohl der Attentäter von vorne geschossen hat? Auch das Tatmotiv von Shiran bleibt unklar - angeblich hat ihn die israelfreundliche Politik Kennedys zu der Tat veranlasst. Später widerruft er jedoch sein Geständnis.
Von neuen Dingen träumen
Robert Kennedy hätte als 37. US-Präsident Amerika ein freundlicheres Gesicht gegeben - vermuten damals viele. Bei der Beerdigung zitiert Edward Kennedy einen Lieblingsausspruch seines Bruders: "Manche Menschen sehen Dinge, wie sie sind, und fragen: warum? Ich träume von Dingen, die es noch nie gegeben hat, und frage: warum nicht?"
Beerdigt wird Robert Kennedy, genannt Bobby, neben seinem ebenfalls ermordeten Bruder John auf dem Nationalfriedhof in Arlington.
Stand: 06.06.2013
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.