Arbeit, Armut, Krieg, Liebe - es gibt ganz unterschiedliche Gründe, weshalb Menschen nach Deutschland kommen und bleiben wollen. Jahrzehntelang ist das deutsche Ausländerrecht allerdings auf Abwehr ausgerichtet. Erst kurz nach der Jahrtausendwende spricht Rita Süßmuth, CDU-Politikerin und Chefin der Zuwanderungskommission, eine Erkenntnis aus, gegen die sich mancher vor allem auch in ihrer eigenen Partei noch wehrt: "Wir sind ein Einwanderungsland - gewiss kein klassisches, aber ein faktisches."
Ab Mitte der 1950er Jahre beginnt die damalige Bundesregierung unter Konrad Adenauer (CDU) die ersten ausländischen Arbeitskräfte anzuwerben. Nach dem Zweiten Weltkrieg braucht das Land Unterstützung beim Wiederaufbau. Es kommen unter anderem Italiener, Spanier, Griechen und Türken. Fast drei Millionen sind es insgesamt im Laufe der Jahre. Als die Arbeitslosenzahlen steigen, wird das Anwerben von Arbeitsmigranten 1973 gestoppt. Wer noch in der Bundesrepublik lebt, soll zurückgeführt werden. Familiennachzug ist nun die einzige Möglichkeit, legal einzuwandern.
Recht auf Integration
Anfang der 1990er Jahre steigen die Asylbewerber-Zahlen. Viele der Flüchtlinge kommen vom Balkan, wo damals Krieg herrscht, und aus Osteuropa, wo nach dem Ende der Sowjetunion das Chaos ausgebrochen ist. 1992 werden über 400.000 Asylanträge registriert, die in der öffentlichen Debatte den fast drei Millionen Arbeitslosen gegenübergestellt werden. In den Medien und bei Politikern macht das Wort "Asylmissbrauch" die Runde. Während es bei rassistischen Übergriffen auf Ausländer auch Tote und Verletzte gibt, fordern Wissenschaftler und Wirtschaft unter anderem ein liberaleres Einwanderungsrecht.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) befördert die Debatte, als er im Jahr 2000 eine Green-Card für Computerspezialisten vorschlägt. Die Pläne von Sozialdemokraten und Grünen, ein Punktesystem einzuführen, um Einwanderung zu steuern, scheitern jedoch am Widerstand der Union. Erst im dritten Anlauf kommt im Sommer 2004 das Zuwanderungsgesetz zustande - ohne Punktesystem. Als Arbeitsmigrant darf nun einreisen, wer eine Stelle hat, studiert oder als Selbstständiger namhaft investieren will. Wer schließlich eine Aufenthaltserlaubnis hat, erhält zudem das Recht auf einen Integrationskurs. So steht es in der Integrationskursverordnung, die am 1. Dezember 2004 von der Regierung von Kanzler Schröder beschlossen wird.
600 Stunden Sprache und 60 Stunden Orientierung
Deutschkurse für Migranten gibt es zwar schon länger, sie sind bis 2004 vom Arbeitsamt finanziert worden. Aber diese Maßnahmen waren nicht auf die gesellschaftliche Integration ausgerichtet. Der neue Integrationskurs besteht deshalb aus zwei Teilen: 600 Stunden Sprachkurs und 60 Stunden Orientierungskurs. Dessen Lehrplan hat das Bundesamt für Migration zusammen mit Experten ausgearbeitet. Ziel dabei ist es, Wissen zu vermitteln, das die Integration erleichtert. Beide Kursteile enden mit einer Prüfung. Den Orientierungskurs besteht fast jeder, den Sprachtest nicht. Wer die Prüfung nicht schafft, kann weitere Stunden beantragen, bis zu 1.200 insgesamt. Einwanderer könne zur Teilnahme verpflichtet werden, wenn ihr Deutsch zu schlecht ist, um zum Beispiel Arbeit zu finden.
EU-Bürger und sogenannte Altzuwanderer, die schon lange im Land leben, haben zwar keinen Rechtsanspruch auf den Kurs. Dennoch dürfen sie teilnehmen, solange genug Geld vorhanden ist: Die Bundesregierung unterstützt die Kurse jährlich mit über 200 Millionen Euro. Damit zahlt sie rund drei Euro pro Teilnehmer und Stunde. Schon 2005 nehmen 130.000 Menschen an einem Kurs teil, fast 100.000 davon taten dies freiwillig. Es waren Altzuwanderer. Inzwischen stellen EU-Bürger die größte Gruppe unter den Teilnehmern. Insgesamt haben sich bundesweit bislang über eine Million Menschen bei den rund 1.400 Trägern angemeldet. Künftig sollen auch Flüchtlinge und Asylbewerber an Integrationskursen teilnehmen können: Die Länderkammer hat einen entsprechenden Gesetzesentwurf im Bundestag eingebracht.
Stand: 01.12.2014
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