Zeitgeistige Pilzpirsch
Sie stehen zu nachtschlafender Zeit auf. Bewaffnen sich mit Messern, streifen durch dunkle Wälder und hoffen auf reiche Beute – die Pilzsammler. Früher belächelt, weil es an die Hungerjahre der Nachkriegszeit erinnerte, ist die Pilzpirsch längst zeitgeistig geworden. Hausmänner, Hobbyköchinnen und Hipster – sie alle buchen Pilz-Exkursionen und Seminare.
Ökologische Pilzwanderungen im Dünnwald
Reinhard Wegner ist promovierter Biologe und geprüfter Sachverständiger der deutschen Gesellschaft für Mykologie. Er bietet regelmäßig unterschiedliche Exkursionen im Dünnwald an. Besonders beliebt sind die ökologische Pilzwanderungen, bei denen der Experte alle Pilze anspricht – nicht nur beliebte Speisepilze.
Faszinierende Lebewesen
Pilze sind viel mehr als nur Nahrungsmittel. Sie gelten als größte Lebewesen auf unserem Planeten. Zwei bis drei Millionen Arten soll es geben. Über 90 Prozent davon sind noch weitgehend unerforscht. Dabei sind sie weder Fisch noch Fleisch, weder Pflanze noch Tier, sondern ein ganz eigener Organismus. Dieses umfangreiche Wissen und Respekt vor der heimischen Pilzvielfalt vermittelt der Experte auf seinen ökologischen Pilzwanderungen.
Kleines Pilz-ABC für Anfänger
Reinhard Wegner rät Anfängern, sich auf Röhrlinge zu konzentrieren, denn mit ihren Schwämmen sind Maronen, Steinpilze & Co. gut zu erkennen. Darüber hinaus betont er drei Punkte:
A.: Keine zu alten Pilze und keine Babys einsammeln, bei denen wichtige Merkmale fehlen, was die Verwechslungsgefahr enorm erhöht. Denn nur, wenn alle Merkmale voll ausgebildet sind, gelingt Laien eine sichere Bestimmung. Auch der Ort, an dem gesammelt wird, sollte wohlüberlegt sein.
B.: Ungünstige Orte zum Pilzsammeln meiden: Nicht am Golfplatz Champignons sammeln, wo Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden. Auch vielbefahrene Straßen sind keine gute Idee.
C.: Auch dürfen Wildpilze nicht roh gegessen werden. Wer sie zu kurz erhitzt, kann sich eine Pilzvergiftung einhandeln – das gilt insbesondere für den Hallimasch, bei dem es immer wieder zu Zwischenfällen kommt. Der Experte rät zu einer Bratzeit von mindestens zehn Minuten.
Klimawandel beeinflusst Pilzwachstum
Früher galt der September als pilzreichster Monat in Deutschland, doch durch den Klimawandel ändert sich das. Reinhard Wegner bietet seine Pilzwanderungen auch noch im November an. Und Volker Walther, der Leiter des einzigen nordrhein-westfälischen Pilzmuseums in Bad Laasphe, nennt sogar noch den Dezember als möglichen Monat für Sammler. Der Biologe hat im Rothaargebirge überraschende Entdeckungen gemacht: die Pilze kommen später – oder gar nicht.
Köstlicher Kaiserling
Und plötzlich tauchen Arten auf, die eigentlich im Mittelmeerraum beheimatet sind. Wie der Kaiserling, ein delikater Speisepilz, der plötzlich in der Region gesichtet wurde. Optisch ist er ein Doppelgänger vom Fliegenpilz, allerdings mit gelben Lamellen. Der Name "Kaiserling" rührt angeblich daher, dass er im alten Rom den Kaisern vorbehalten war.
Pilzmuseum in Bad Laasphe
Womöglich bringt bald ein Pilzsammler den Kaiserling zu Volker Walther ins Museum. So ist die Mehrzahl der rund 900 Exponate in die große Ausstellung gekommen, die in der zweiten Etage der Tourist Information von Bad Laasphe untergebracht ist. Das Museum ist von Mittwoch bis Freitag nachmittags und am Samstag geöffnet. Regelmäßig werden auch Seminare für Anfänger und Fortgeschrittene angeboten.
Autorin: Antje Zimmermann
Redaktion: Julia Lührs
Service Ausflug ist eine Rubrik der WDR 5 Sendung Neugier genügt und ist dort jeden ersten Freitag im Monat zwischen 11.04 Uhr und 12.00 Uhr zu hören.