Die aktuelle Lage in Deutschland ist für viele wirtschaftlich hart: Die hohen Inflationsraten der vergangenen Jahre haben sich aufsummiert. Die höheren Preise sind im Alltag deutlich spürbar. Und die Löhne haben bisher nur teilweise nachgezogen.
Gleichzeitig kommen neue Belastungen für viele Menschen dazu. Nach Angaben des Sozialverbands Deutschland haben viele Krankenkassen zum Jahreswechsel den Zusatzbeitrag erhöht. Ab März betrifft das auch Rentnerinnen und Rentner. Bei den repräsentativen Umfragen des ARD-Deutschlandtrends und auch bei der WDR-Befragung "Deutschland, wo brennt's?" ist die wirtschaftliche Entwicklung neben der Migration eines der drängendsten Themen.
Parteiversprechen: Konkrete Fallbeispiele und Grafiken zur Einordnung
Bei der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 spielen also die Wirtschafts-Pläne der Parteien eine wichtige Rolle. Wählerinnen und Wähler können bei ihrer Entscheidung, wo sie ihre Kreuze setzen, gemeinwohlorientiert vorgehen und eine Partei wählen, die für sozialen Ausgleich steht – auch wenn sie selbst gar nicht davon profitieren.
Oder sie gehen nach dem eigenen Geldbeutel und fragen sich, welche Partei sie persönlich am stärksten entlastet. Wir zeigen in diesem Artikel anhand von konkreten Fallbeispielen und Grafiken, was die Parteien Wählern versprechen. Grundlage dafür sind insbesondere die Berechnungen des Volkswirts Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sowie Analysen des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).
Laut Ökonomen: Klare Unterschiede zwischen den Parteien
Das ZEW mit Sitz in Mannheim zählt als Leibniz-Institut zu den großen außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Deutschland. Der Präsident des Instituts, Achim Wambach, war von 2016 bis 2022 der Vorsitzende der Monopolkommission in Deutschland und ist einer der bekanntesten Ökonomen Deutschlands.
Wissenschaftler aus seinem Institut haben im Vorfeld der Bundestagswahl die Programme der in Umfragen führenden Parteien analysiert. Sie haben sich geplante steuerliche Maßnahmen, aber auch zum Beispiel vorgeschlagene Änderungen beim Bürgergeld angeschaut. Sie kommen zu dem Schluss: Während SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Linke und BSW vor allem Geringverdiener entlasten wollen, planen FDP, CDU/CSU und AfD die stärksten Entlastungen für Besserverdiener.
Was die Parteien Haushalten mit wenig Geld versprechen
Die Ökonomen haben das an einem konkreten Fallbeispiel durchgerechnet: einem Alleinverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern und einem Bruttojahreseinkommen von 40.000 Euro. Würden die Wahlprogramme von SPD, Grünen, Linken, BSW oder Union umgesetzt, würde diese Familie finanziell besser dastehen, schreiben sie. Die höchsten Entlastungen verspreche die Linke: 6.150 Euro pro Jahr. Die Union plane eine Entlastung von immerhin noch 300 Euro.
Würde dagegen das Wahlprogramm der FDP umgesetzt, hätte die Familie der Schätzung zufolge gut 1.500 Euro weniger pro Jahr zur Verfügung. Das liege nicht an den Steuerplänen der FDP, sondern den Reformvorschlägen beim Bürgergeld, schreibt das ZEW. Die FDP will unter anderem den monatlichen Regelsatz für Bürgergeld-Bezieher senken.
Durch das AfD-Wahlprogramm würde das Jahreseinkommen der Familie den Berechnungen der Autoren nach theoretisch um knapp 450 Euro sinken. "Bei der AfD ergibt sich das aus einer komplizierten Interaktion aus Steuererleichterungen und den Anrechnungsregeln beim Wohngeld", schreiben sie. Sie weisen allerdings auch darauf hin: Bei einer tatsächlichen Umsetzung der Parteipläne würden diese Schlechterstellungen vermutlich vermieden.
Die Analyse zeigt außerdem: Hätte die gleiche Familie ein Bruttojahreseinkommen von 60.000 Euro, verändert sich das Bild. Dann böten AfD und FDP deutlich höhere Entlastungen als die anderen Parteien, mit Ausnahme der Linken.
FDP, Union und AfD wollen Gutverdiener am stärksten entlasten
Mit 60.000 Euro Bruttojahreseinkommen zählt man in Deutschland allerdings auch schon zu den Besserverdienern. Das Bruttomediangehalt in Deutschland, also der Betrag, bei dem genau die Hälfte der Menschen mehr und die andere Hälfte weniger verdienen, lag laut dem "Gehaltsreport 2025" des Jobportals Stepstone im vergangenen Jahr bei etwa 45.800 Euro.
Die Bundesagentur für Arbeit kommt für 2023 auf einen ähnlichen Wert. Sie schreibt, dass das mittlere Bruttoentgelt von sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten 2023 bei 3.796 Euro pro Monat lag. Aufs Jahr hochgerechnet macht das gut 45.000 Euro.
Die stärksten Entlastungen versprechen Union, FDP und AfD der ZEW-Analyse zufolge für noch höhere Einkommen. Danach würde ein Alleinverdiener-Paar mit zwei Kindern und einem Brutto-Jahreseinkommen von 180.000 Euro von der AfD um rund 19.000 Euro entlastet, von der FDP um knapp 12.000 Euro, von der Union um etwa halb so viel.
Wie wollen die Parteien die Entlastungen erreichen?
Wie die Parteien diese Entlastungen erreichen wollen, zeigt ein Blick in die Wahlprogramme. Zu aufwändig? Einen guten Überblick bietet das ZEW in der Langfassung seiner Studie. Beispiel SPD: Die Partei will demnach Haushalte mit geringem Einkommen durch einen höheren Grundfreibetrag bei der Einkommenssteuer entlasten.
Sowohl das ZEW als auch der Ökonom Stefan Bach vom DIW gehen dabei von einer Erhöhung um 1.446 Euro aus. Der Ökonom Stefan Bach hat die Wahlprogramme der Parteien ausführlich analysiert. Das DIW hat aber anders als das ZEW keine offizielle Publikation zu den geplanten Entlastungen der Parteien veröffentlicht.
SPD will Spitzensteuersätze anheben
Bei einem Parteitag im Januar hat die SPD ihre Pläne für Gutverdiener konkretisiert. Danach soll der sogenannte Spitzensteuersatz später greifen. Aktuell gilt er ab einem zu versteuernden Einkommen von 68.481 Euro. Das würde Besserverdiener entlasten. Im Gegenzug soll der Steuersatz aber angehoben werden, von 42 auf 45 Prozent.
Den Reichensteuersatz will die Partei von 45 auf 47 Prozent erhöhen und die Schwelle dafür offenbar von 277.825 auf 210.000 Euro zu versteuerndes Einkommen absenken. Für sehr hohe Vermögen plant die Partei die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer.
Grüne setzen auf Klimageld
Die Grünen wollen ebenfalls den Grundfreibetrag der Einkommenssteuer erhöhen. Außerdem wollen sie ein sogenanntes Klimageld einführen. Im Wahlprogramm heißt es dazu: "Die Einnahmen der CO2-Bepreisung von Gebäudewärme und Transport werden wir für sozial gerechten Klimaschutz ausgeben. Einen Großteil dieser Einnahmen werden wir als sozial gestaffeltes Klimageld an Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen auszahlen."
Außerdem will die Partei Steuerprivilegien für große Vermögen, zum Beispiel bei der Erbschaftssteuer, abschaffen.
Die Vorschläge der Parteien Die Linke und BSW gehen grundsätzlich in eine ähnliche Richtung. Auch sie wollen niedrige Einkommen ent- und hohe Einkommen stärker belasten.
Union will Einkommenssteuertarif insgesamt abflachen
Die Union plant eine Erhöhung des Steuergrundfreibetrags um 100 Euro. Außerdem will sie den Einkommenssteuertarif abflachen. Die Idee dabei: Von jedem zusätzlich verdienten Euro bliebe Arbeitnehmern mehr. Das kann ein Anreiz sein, niedrig bezahlte Teilzeitstellen aufzustocken. Am stärksten würden davon aber nach Berechnungen von ZEW und DIW Gutverdiener profitieren.
Die FDP will den Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer um 1.000 Euro erhöhen und dafür sorgen, dass der Steuertarif künftig ab der zweiten Tarifstufe bis zum Spitzensteuersatz linear ansteigt. Der Spitzensteuersatz soll erst ab 96.600 Euro und nicht mehr wie bisher ab 66.761 Euro greifen.
Die Partei will außerdem den Solidaritätszuschlag vollständig abschaffen und die Freibeträge der Erbschaft- und Schenkungsteuer automatisch an die Inflation anpassen.
AfD wirbt um Familien
Die AfD will nach Annahme der Ökonomen den Grundfreibetrag bei der Einkommenssteuer auf 15.000 Euro erhöhen. Außerdem fordert die Partei ein sogenanntes Familiensplitting und will dadurch Familien besserstellen.
Beim Familiensplitting wird das zu versteuernde Haushaltseinkommen der Familie durch die Zahl der Familienmitglieder geteilt und quasi pro Kopf versteuert, erklärt das DIW. Dadurch ergäben sich durch den progressiven Charakter der Einkommenssteuer steuerliche Entlastungen.
Entlastungen würden für den Staat teuer
Sicher ist: Alle angekündigten Entlastungspläne würden für den Staat teuer. Das haben die Volkswirte Tobias Hentze und Martin Beznoska vom IW Köln ausgerechnet.
Danach plant die SPD steuerliche Entlastungen für Bürger und Unternehmen in Höhe von etwa 30 Milliarden Euro, die Union in Höhe von 89 Milliarden Euro jährlich und die FDP sogar in Höhe von 138 Milliarden Euro. Der Ökonom Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung kommt bei Analysen sogar teilweise auf noch höhere Zahlen.
SPD und Grüne wollten die steuerliche Entlastung für untere und mittlere Einkommen über höhere Steuern für Spitzenverdienerinnen und -verdiener finanzieren, sagt Holger Stichnoth vom ZEW. Die Parteien planen außerdem eine Reform der Schuldenbremse.
Volkswirt: Finanzierung der Vorschläge weitgehend offen
Union und FDP wollen die Schuldenbremse beibehalten. Sie hoffen durch die Steuererleichterungen auf mehr Wirtschaftswachstum. Außerdem wollen sie sparen, indem sie unnötige staatliche Ausgaben streichen. Insgesamt bliebe die Finanzierungsfrage bei allen Parteien recht offen, findet Volkswirt Tobias Hentze vom IW Köln.
Wichtig: Die oben genannten Berechnungen der Ökonomen sind immer nur Schätzungen. Die Ideen, die die Parteien in ihre Wahlprogramme schreiben, sind nämlich oft eher vage formuliert.
Die Ökonomen füllen inhaltliche Lücken mit eigenen Annahmen. Und da diese selbst getroffenen Annahmen variieren, kommt eben am Ende auch jeder Volkswirt zu einer anderen Schätzung.
Sind Wahlversprechen mehr als heiße Luft?
Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie viel Parteien von ihren Wahlprogrammen umsetzen können. Kommt es zu einer Koalition, müssen sie Kompromisse finden. Dann ist der Koalitionsvertrag der Maßstab für ihre Regierungsarbeit.
Ein Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass im Fall der zerbrochenen Ampelkoalition durchaus viele Vorhaben in der Steuerpolitik aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt wurden. Die Ampel hat zum Beispiel wie angekündigt den steuerlichen Grundfreibetrag erhöht, rückwirkend zum Januar 2024 um 180 Euro auf 11.784 Euro.
Nicht umgesetzt hat sie dagegen ihr Vorhaben, alle Paare mit den Steuerklassen 3 und 5 in die Steuerklassenkombinationen 4/4 mit Faktor zu überführen. Die Ampel wollte dadurch für eine gerechtere Verteilung der Steuerlast bei Paaren, die ungleich verdienen, sorgen, heißt es beim Verbraucherportal Finanztip.
Zwar wurde die individuelle Wahl der Steuerklasse 4 erleichtert, der Wechsel sei jedoch weiterhin optional, schreibt die Bertelsmann-Stiftung.
Unsere Quellen:
- Wahlprogramme und Internetauftritte der Parteien
- ZEW: Gutachten zu Auswirkungen der Wahlprogramme
- IW Köln: Kosten der Wahlprogramme
- DIW
- Stefan Bach(DIW)/X-Account
- Bertelsmann Stiftung
- Finanztip
- Internetauftritt Bundesfinanzministerium
- Internetauftritt Bundesregierung
- Sozialverband Deutschland
- Entgeltbericht 2023 Bundesagentur für Arbeit
- Nachrichtenagenturen