Symbolbild: Eine durchtrainierte Frau und ein muskulöser Mann stehen mit Hanteln in einem Fitnessstudio. Daneben sind in einer Bildmontage ein Stück rohes Fleisch, ein Apfel, Tabletten und ein weißes Pulver zu sehen.

Fitnesstrends: Mehr Kraft durch Pillen, Pulver und Ernährungspläne?

Stand: 10.04.2025, 16:42 Uhr

Auf der Fitness-Messe Fibo geht es nicht nur um Sport: Auch Pillen und Diäten werden beworben. Was ist dran an den Trends?

Seriöse Sport- und Ernährungswissenschaftler sind sich einig: Nahrungsergänzungsmittel für ansonsten gesunde Freizeitsportler sind in der Regel überflüssig. Wer sich am Donnerstag auf der Fitness-Messe Fibo in den Kölner Messehallen umsieht, könnte jedoch einen völlig anderen Eindruck gewinnen. Das Sortiment an Pulver und Pillen ist überwältigend, ebenso die Auswahl von kompletten Ernährungsphilosophien, die mehr Kraft, Leistungsfähigkeit, Gesundheit und quasi ein völlig neues Lebensgefühl versprechen.

Zum Start der Fibo haben wir uns mit den Ernährungs-Trends beschäftigt, die in den Sozialen Netzwerken derzeit besonders rege diskutiert und beworben werden. Ist etwas dran an den Heilsversprechen der Hersteller und Influencer? Was ist schlicht überflüssig oder sogar ungesund? Was sagt Ernährungswissenschaftlerin Angela Clausen von der Verbraucherzentrale NRW zu den Trends? Eine Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Gottesnahrung

Darum geht's: Dieser Ernährungstrend, der in der Fitnessszene viele Fans gefunden hat, ist mehr als nur eine weitere Diät - dahinter verbirgt sich eine ganze Philosophie. Grundsätzlich geht es darum, möglichst "natürliche" Lebensmittel und möglichst wenige künstliche Zusatzstoffe zu sich zu nehmen. Je unverarbeiteter das Essen, desto besser.

Fitnessmesse Fibo startet in Köln

WDR Studios NRW 10.04.2025 00:35 Min. Verfügbar bis 10.04.2027 WDR Online


Was es bewirken soll: Menschen, die sich ausschließlich nach den Prinzipien der so genannten Gottesnahrung ernähren, berichten von einem völlig neuen Lebensgefühl: Sie haben demnach mehr Energie und kognitive Leistungsfähigkeit, eine bessere Verdauung und ein leistungsfähigeres Immunsystem. Der Ernährungsplan soll auch gegen mögliche Zivilisationskrankheiten helfen - zumindest schwören zahlreiche Influencer darauf.

Aus einem Wasserhahn fließt Leitungswasser in ein Glas, welches von einer männlichen Hand gehalten wird

Nicht giftig

Kritik: Auch wenn grundsätzlich nichts gegen eine bewusste Ernährung mit naturbelassenen Lebensmitteln einzuwenden ist, verbreiten einige Gottesnahrungs-Influencer nicht nur Ernährungstipps, sondern auch einige fragwürdige Theorien. So lehnen sie zum Beispiel Leitungswasser ab, weil es mit Schadstoffen belastet sei - was aber von den Behörden vertuscht werde. Laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ist dagegen gerade Leitungswasser ein besonders streng kontrolliertes Lebensmittel.

Auch die Liste der "erlaubten" Lebensmittel birgt einige problematische Punkte: So dürfen Milchprodukte nach dieser Philosophie nur in ihrer naturbelassenen Form zu sich genommen werden - zum Beispiel als unbehandelte Rohmilch. Tatsächlich kann Rohmilch gefährliche Keime enthalten, wenn sie vor dem Verzehr nicht erhitzt wird. Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt ausdrücklich vor den Gefahren für Kinder, Schwangere, Alte und Menschen mit Vorerkrankungen.

Angela Clausen

Die Ernährungswissenschaftlerin Angela Clausen

Das sagt die Ernährungswissenschaftlerin: "Gottesnahrungs-Influencer versprechen ihren Followern nicht nur zusätzliche Energie, sondern auch höhere Testosteron-Werte. Dafür gibt es keinerlei Beweis. Auch das Verbot von raffiniertem Zucker ist wenig sinnvoll, wenn gleichzeitig große Mengen Honig oder Datteln gegessen werden. Das ist eben nicht besser: Zucker ist Zucker. Das Prinzip der Gottesnahrung ist prinzipiell nicht schlecht, nur sollte man sich nicht sklavisch an die Vorgaben halten. Einige von ihnen sind völlig sinnlos."

Basische Ernährung

Darum geht's: Zahlreiche Ernährungsratgeber warnen davor, dass zu viele säurebildende Lebensmittel konsumiert werden. Wer zum Beispiel viel Fleisch isst, ist demnach gefährdet, sein Säure-Basen-Gleichgewicht zu stören. Die Folge sei eine "latente Acidose", auch versteckte Übersäuerung genannt. Der Ausweg liegt demnach in einer basische Ernährung, also eine Umstellung der Ernährung nur auf Gemüse, Obst und Kartoffeln. Dazu werden oft auch basische Nahrungsergänzungsmittel empfohlen.

Was es bewirken soll: Eine basische Ernährung soll den Körper und Geist stärken und auch die Schönheit ganz natürlich zur Geltung bringen. Mit zusätzlichen Nahrungsergänzungsmitteln, die angeblich den Säurehaushalt ausgleichen, soll eine "Entschlackung" des gesamten Organismus erreicht werden. So könne man auch verschiedene Krankheiten besiegen, die durch Übersäurung begünstigt werden: zum Beispiel Diabetes, Allergien und Arthritis.

Kritik: Grundsätzlich ist eine obst- und gemüsereiche Ernährung zwar besser für den Körper als eine fleischlastige. Das liegt aber nicht daran, dass bei den meisten Menschen der Säure-Basen-Haushalt gestört ist. Es ist sogar umstritten, ob so etwas wie eine "latente Acidose" überhaupt existiert.

Anders als viele Influencer behaupten, kann der menschliche Körper überschüssige Säuren sehr gut aus eigener Kraft ausgleichen. Speziell basische Nahrungsergänzungsmittel sind in den allermeisten Fällen deshalb eine sinnlose Investition ohne Einfluss auf das Wohlbefinden.

Das sagt die Ernährungswissenschaftlerin: "Wenn ihr Körper ein aus dem Gleichgewicht geratenes Säure-Basen-System hat, dann sind sie krank und gehören in ärztliche Behandlung. Das dürfte auf die Menschen in der Fitness-Szene nur sehr selten zutreffen. Also brauchen sie auch keine teuren Nahrungsergänzungsmittel."

Carnivore Ernährung

Scheibe rohes Rindersteak von der Oberseite

Besser vor dem Verzehr erhitzen

Darum geht's: Eine carnivore Ernährung bedeutet streng genommen, ausschließlich Wasser und Fleisch zu konsumieren - im Idealfall sogar roh. Oft wird die Diät auch in abgeschwächter Form praktiziert: Neben Fleisch werden dann auch Fisch, Butter, Eier und Käse gegessen. Hauptsache, es handelt sich um rein tierische Produkte und es werden möglichst überhaupt keine Kohlenhydrate konsumiert.

Was es bewirken soll: Gurus der carnivoren Ernährung, wie zum Beispiel der US-Amerikaner Shawn Baker, empfehlen ihre Ernährungsweise als narrensicheren Weg zur Gewichtsreduzierung. Andere Influencer sprechen von einer schnelleren Heilung von Entzündungen und einer besseren Darmgesundheit.

Kritik: Wegen der hohen Eiweißzufuhr kann eine rein tierische Ernährungsweise tatsächlich beim Abnehmen helfen. Allerdings beruht ein Großteil des Effekts darauf, dass bei einer kohlehydratreduzierten Ernährung der Körper viel Wasser verliert. Das Körpergewicht normalisiert sich also nach der Rückkehr zu einer normalen, ausgewogenen Ernährung rasch wieder.

Wer dauerhaft auf Obst und Gemüse verzichtet, muss sogar mit Mangelerscheinungen rechnen - einer der seltenen Fälle, wo Nahrungsergänzungsmittel unter ärztlicher Aufsicht tatsächlich sinnvoll seien können.

Das sagt die Ernährungswissenschaftlerin: "Neben den bekannten Nachteilen einer reinen Fleisch-Diät birgt der aktuelle Trend zum Verzehr von rohem Fleisch noch weitere Gefahren. Besonders rohes Schwein-, Geflügel- und Wildfleisch ist oft stark verkeimt. Beim Verzehr kann man sich mit Krankheitserregern wie Salmonellen, Campylobacter oder dem Hepatitis A-Virus anstecken. Im Gegenteil: Gegartes Fleisch ist für den Menschen leichter verdaulich als rohes. Und es gibt keine Belege dafür, dass große Mengen rohes Fleisch irgendwie zu einem gesunden Leben oder mehr Energie beitragen."

Nahrungsergänzungsmittel wie "More Nutrition"

Darum geht's: "More Nutrition" und andere extrem erfolgreiche Hersteller von Nahrungsergänzungsmittel versprechen, dass ihre teuren Produkte praktisch die Lösung für alle möglichen Leiden bieten. Die Wirkung sei wissenschaftlich belegt.

Was es bewirken soll: Verschiedene Präparate aus dem riesigen Sortiment sollen zum Beispiel bei Arthrose, Periodenbeschwerden und Schlafstörungen helfen - und das ohne Nebenwirkungen. Nach starker Kritik wegen werberechtlich wohl unzulässigen Aussagen über eine mögliche Heilwirkung ihrer Produkte, drückt sich zumindest die Firma "More Nutrition" in ihren Kampagnen inzwischen etwas vorsichtiger aus.

Kritik: Die meisten Kunden gehen davon aus, dass Nahrungsergänzungsmittel auf Sicherheit und Wirksamkeit überprüft wurden, bevor sie verkauft werden. Das ist aber nicht der Fall. Für Nahrungsergänzungsmittel gibt es kein Zulassungsverfahren wie für Arzneimittel. Die Einnahme von zu großen Mengen kann also theoretisch der Gesundheit schaden. In der Regel bewirken die Mittel gar nichts - trotz der gesalzenen Preise. Gesunde Menschen in Europa sind in aller Regel nicht mangelernährt - und brauchen deshalb auch keine Nahrungsergänzungsmittel.

Das sagt die Ernährungswissenschaftlerin: "Bei einzelnen Inhaltsstoffen, die bei More Nutrition verwendet werden, gibt es Grund zur Sorge. Ein Beispiel ist das Süßungsmittel Sucralose. Nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung kann Sucralose sogar gefährlich sein, wenn sie zu stark erhitzt wird. Das stört die Verantwortlichen aber offenbar überhaupt nicht."

Unsere Quellen:

  • WDR-Interview mit Angela Clausen
  • Quarks Science Cops
  • Fibo-Homepage
  • Instagram

Über dieses Thema berichtet der WDR am 10.04.2025 und 11.04.2025 auch im Hörfunk und Fernsehen.