Es kriselt bei Deutschlands größtem Stahlhersteller Thyssen-Krupp in Duisburg: Tausende Mitarbeitende fürchten um ihre Arbeitsplätze, Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder verlieren ihren Posten oder schmeißen frustriert hin. Auf Antrag der Fraktionen von SPD und AfD hat sich der NRW-Landtag am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde mit der Lage der Stahlsparte von Thyssen-Krupp befasst.
SPD: "Hiobsbotschaft" zum grünen Stahl
Der SPD-Abgeordnete Alexander Vogt skizzierte zu Beginn der Debatte die "extrem dramatische Situation", wie er sagte. Es gebe nicht nur die Angst von tausenden Mitarbeitern um ihren Arbeitsplatz. Es gebe auch den Versuch des Gesamtkonzern-Vorstandsvorsitzenden López, "die Mitbestimmung im Konzern in die Knie zu zwingen". Und nun komme auch noch die "Hiobsbotschaft", dass die Transformation zur Produktion von grünem Stahl teuer werde als bislang geplant.
Zum Hintergrund: Die Stahlproduktion gehört zu den energieintensivsten Wirtschaftszweigen in Deutschland. Um die CO2-Emissionen zu verringern, will Thyssen-Krupp in eine wasserstoffbasierte Produktion einsteigen. Dafür soll eine "Direktreduktionsanlage" gebaut werden, deren Kosten mit drei Milliarden Euro veranschlagt wurden. Bund und Land fördern diese Anlage mit zwei Milliarden, wovon NRW 700 Millionen Euro trägt. Dies ist die größte Einzelfördersumme in der Geschichte des Landes NRW.
Die Lösungs-Vorschläge der SPD
Der SPD-Abgeordnete Vogt präsentierte Maßnahmen, die seine Partei für sinnvoll hält: Fördermittel sollen an eine Beschäftigungs- und Standortgarantie geknüpft werden. Das Land soll einen Aufsichtsratsposten fordern und eine Landesbeteiligung prüfen. Und Ministerpräsident Wüst müsse einen Posten im Kuratorium der Krupp-Stiftung übernehmen.
All diese Vorschläge habe die Landesregierung in der Vergangenheit abgelehnt, beklagte Vogt. Seine Schlussfolgerung: Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) scheuten die Verantwortung. Die Duisburger SPD-Abgeordnete Sarah Philipp unterstrich in der gut anderthalbstündigen Debatte die Bedeutung des Stahls für Nordrhein-Westfalen:
AfD: "Mord an unserer Industrie"
Die AfD war die einzige Fraktion, die keine Notwendigkeit zur Transformation in eine klimaneutrale Wirtschaft sieht. Ihr Abgeordneter Christian Loose beklagte die Belastung der Wirtschaft durch CO2-Zertifikate und hohe Energiepreise. Er sprach vom "Mord an unserer Industrie" und die "Mordwaffe" werde von der IG Metall gereicht, die jeden Tag die Arbeiter verrate.
CDU: Innovation braucht Mut
Der CDU-Abgeordnete Jan Heinisch verteidigte die Politik der Landesregierung: Veränderung brauche Mut, Innovation und Entschlossenheit und dies bringe die Koalition aus CDU und Grünen auf. Aufgabe der Regierung sei nur, Impulse zu setzen. Die Zukunft werde dann von anderen Menschen gestaltet. Der AfD warf er vor, keinen Vorschlag für eine Transformation der Wirtschaft vorgetragen zu haben. Er bezeichnete die AfD als "Veränderungsverweigerer, die unser aller Zukunft" verspiele. Ähnlich äußerte sich sein Parteifreund - NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann - in der Debatte:
FDP: NRW dürfe kein "Industriemuseum" werden
Für die FDP-Fraktion stellte der Abgeordnete Dietmar Brockes klar, "das Engagement des Staates muss klare Grenzen haben". Es dürfe "keinen ungedeckten Scheck" der Regierung geben, wenn Thyssen-Krupp taumelt. Aber die Förderung an sich sei durchaus sinnvoll. Es sei richtig, dass es "Anschubfinanzierungen vom Staat" für Innovationen gebe, die ansonsten "marktgetrieben" keine Chance hätten. Ohne Innovationen drohe der Eindruck, dass NRW "nur noch ein Industriemuseum ist". Mehr als Zuschüsse brauche die Wirtschaft bessere Rahmenbedingungen, dazu gehörten beschleunigte Genehmigungen und Bürokratieabbau.
Auch Brockes forderte Wüst auf, ins Kuratorium der Krupp-Stiftung zu gehen und dort das Mandat seines Vorgängers Armin Laschet zu übernehmen. Es sei zuvor immer üblich gewesen, dass NRW-Ministerpräsidenten im Kuratorium sitzen.
Wirtschaftsministerin Neubaur unterstreicht Bedeutung von Thyssen-Krupp
NRW-Wirtschaftsministerin Neubaur stieg in ihre Rede mit einem bildhaften Bekenntnis ein: "Das Herz der Stahlindustrie schlägt in Nordrhein-Westfalen." Dann sprach sie vom kraftvollen Herzschlag und stellte fest: "Wir hören ein Stolpern", um auf die Krise des Konzerns hinzuweisen. Sie skizzierte, wie wichtig für die gesamte Transformation zur Klimaneutralität die Förderung für Thyssen-Krupp ist.
Es gebe eine "tief in NRW verwurzelte Wertschöpfungskette" für den Stahl, dazu gehöre auch die Autoindustrie, die sich jedoch selbst in einer Krise befinde. Der Stahl sei ein wichtiger Wertstoff, auch für den Bau von Windrädern. Und Thyssen-Krupp sei ein "zentraler Ankerkunde für den Wasserstoffhochlauf". Das heißt: Wenn so ein großer Player wie Thyssen-Krupp im großen Umfang Wasserstoff braucht, wird die nötige Infrastruktur für die Versorgung mit Wasserstoff auch andere Industriezweige ermutigen, klimaneutral zu werden.
Forderungen nach einem Einstieg des Landes in Form eines Aufsichtsratspostens lehnte sie erneut ab. Die Gleichung, dass ein Sitz im Aufsichtsrat gleichbedeutend sei mit der Sicherung von Arbeitsplätzen, gehe nicht auf. Der SPD warf die Ministerin vor, eine "Planwirtschaft light" zu fordern.
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