Lebenslange Haft für Täter nach Brandanschlag in Ratingen
Lokalzeit aus Düsseldorf. 13.12.2023. 03:00 Min.. Verfügbar bis 13.12.2025. WDR. Von Manuela Klüppel.
Lebenslange Haft für Täter nach Brandanschlag in Ratingen
Stand: 13.12.2023, 19:55 Uhr
Im Strafprozess gegen einen Mann aus Ratingen ist am Mittwoch das Urteil vor dem Düsseldorfer Landgericht gefallen. Der 57 Jahre alte Täter wurde heute zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Von Peter Hild
Der Prozess gegen den Angeklagten Frank P., der im Mai neun Einsatzkräfte durch eine Explosion in einem Hochhaus in Ratingen-West teils schwerstverletzt hatte, ging mit dem Urteil am Mittwoch deutlich früher zu Ende als ursprünglich geplant.
Der 57 Jahre alte Täter wurde unter anderem wegen versuchten Mordes verurteilt. Außerdem stellte die Strafkammer die besondere Schwere der Schuld fest. Das bedeutet, dass nicht nach 15 Jahren geprüft werden kann, ob Frank P. auf Bewährung frei kommen kann. Der Verurteilte muss außerdem insgesamt 55.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.
Richter: "perfide und sinnlos"
Der Richter bezeichnete die Tat in seiner Urteilsbegündung als perfide und sinnlos und attestierte dem Täter eine menschenverachtende Einstellung. Der Mann nahm das Urteil ohne große Emotionen zur Kenntnis, wie schon im gesamten Prozessverlauf.
Fast alle der neun verletzten Einsatzkräfte waren zum Urteilsspruch am Mittwoch dabei, darunter auch die beiden schwer verletzten Polizisten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, innerhalb von einer Woche kann die Verteidigung Revision eingelegen. Der Verteidiger wollte sich heute nicht äußern, ob er das tun wird.
Anwalt Joachim Heitmann, der eine betroffene Sanitäterin vertritt, zeigte sich mit dem Urteil zufrieden: "Das Urteil ist angemessen. Der Täter ist angemessen bewertet worden. Aus Sicht meiner Mandantin ist das Urteil auch mit einer Genugtuung für sie persönlich verbunden."
Verteidigung: Zweifel an Schwere der Schuld
Am Mittwochvormittag hatte der Prozesstag mit dem Plädoyer der Verteidigung begonnen. Darin erhob die Verteidigung Zweifel an der Schwere der Schuld. Die Richtung des Feuers bzw. die Verpuffung sei für den Angeklagten so nicht vorhersehbar gewesen.
Staatsanwaltschaft forderte lebenslange Haft
In ihrem Plädoyer am Montag (11.12.2023) hatte die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft lebenslange Haft für den 57-Jährigen gefordert - und dass die besondere Schwere der Schuld festgestellt wird.
Die Staatsanwältin warf dem Angeklagten versuchten Mord in neun Fällen vor und führte es nur auf glückliche Umstände zurück, dass niemand gestorben sei. Der Mann habe bewusst die Situation ausgenutzt, dass die Einsatzkräfte nicht mit einem Angriff gerechnet hatten. Strafmildernde Faktoren gibt es aus ihrer Sicht nicht.
Gutachter: Keine Hinweise auf psychische Krankheit
Rettungskräfte waren im Großeinsatz
Am Montag sagte auch der psychiatrische Gutachter in dem Fall aus. Der Angeklagte habe Behörden, Kirche und alles, was für ihn die Obrigkeit darstellt, abgelehnt und auch gegen Ärzte gewettert, sagte er. Das wird aus Schriftstücken des Angeklagten deutlich, die der Richter am Montag verlas.
Er habe während der Tat genau gewusst, so der Gutachter, was für eine Situation auf ihn zukommt. Auch in der anschließenden Haft sei der Mann auf Ansprache gut orientiert gewesen. Er habe früher eine Schule für Lernbehinderte besucht, was womöglich auf eine leicht unterdurchschnittliche Intelligenz hindeuten könne. Aus all dem lasse sich jedoch keine psychische Erkrankung ableiten, weshalb der Angeklagte voll schuldfähig sei.
Schwerst verletzte Polizistin beeindruckt vor Gericht
Vergangene Woche hatte der Auftritt der am schwersten verletzten Polizistin als Zeugin viele Anwesende beeindruckt. Auf einen Stock gestützt, das Gesicht schwer gezeichnet von roten Brandnarben, hatte sie den Saal betreten.
Um den Kopf trug die 25-Jährige noch immer einen dicken Verband, aus dem einzelne blonde Haare herausschauten. Mehr als 60 Prozent ihrer Körperfläche waren durch die Tat verbrannt, sie lag mehrere Monate auf der Intensivstation. Sie wird sich noch weiteren Operationen unterziehen müssen.
Mit fester Stimme und vollkommen klar schilderte die Polizistin die Ereignisse. Ein Notarzt hatte zuvor erklärt, dass er beim Einsatz nicht gedacht habe, dass die Polizistin den Tag überlebe.
Betroffene für lange Zeit gezeichnet
Die verletzten Einsatzkräfte sind bis heute gezeichnet
Die insgesamt neun betroffenen Polizisten und Feuerwehrleute leiden bis heute unter den Folgen der Tat am 11. Mai. Alle sind nach wie vor körperlich und psychisch beeinträchtigt, leiden unter Flashback und Schlafstörungen. Für die meisten ist an eine Rückkehr in den Beruf bisher nicht zu denken.
Der Angeklagte Frank P. hat all das während des gesamten Prozesses ruhig und ohne Emotionen verfolgt. Der Gutachter attestierte ihm eine entsprechende Gefühlskälte und fehlende Opferempathie.
Einsatz Anfang Mai
Anfang Mai waren Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst zur Wohnung von Frank P. im zehnten Stock eines Hochhauses gerufen worden. Wegen eines übervollen Briefkastens wurde dort eine hilflose Person vermutet.
Nachdem die Einsatzkräfte die Tür gewaltsam aufhebelten, standen sie vor einer Barriere aus hochgestapelten Wasserkästen. Der Täter schüttete daraufhin mehrere Liter Benzin auf die Einsatzkräfte und zündete das Gas-Luft-Gemisch an. Bei der daraus entstandenen Explosion wurden neun Einsatzkräfte teilweise lebensgefährlich verletzt.
Später stellte sich außerdem heraus, dass Frank P. offensichtlich wochenlang mit der Leiche seiner Mutter in der Wohnung lebte.
Über dieses Thema berichtet der WDR am 13.12.2023 auch im Fernsehen in der WDR Lokalzeit aus Düsseldorf und im Radio auf WDR 2.
Unsere Quellen:
- Reporter vor Ort
- dpa