Jan Josef Liefers ist einer von 50 Schauspielern, die unter dem Hashtag #allesdichtmachen die Corona-Pandemiemaßnahmen scharf kritisiert hat - und die Medien gleich dazu. Eine Aktion, die für viel Wirbel gesorgt hat, auch, weil sie von markigen Worten im ironischen Ton begleitet war. Liefers hat sich, wie andere Beteiligte auch, inzwischen von der Aktion distanziert, findet das Anliegen aber immer noch richtig, wie er im WDR-Interview mit Moderator Martin von Mauschwitz erklärte.
WDR: Ich will ehrlich sein, Herr Liefers, wir haben uns heute über Sie geärgert. Seit 14 Monaten arbeitet hier ein Riesenteam mit vielen guten Leuten bis zur Erschöpfung, um die Menschen im Land über die Pandemie möglichst gut zu informieren. Heute kommen Sie, ein WDR-Kollege, und sagen: Alles gleichgeschaltet und alarmistisch. Wie kommen Sie dazu?
Jan Josef Liefers: Erst mal zu der ganzen Aktion. Sie ist, das kann man sagen, eine satirisch gemeinte, ironische und überspitzte Protestaktion.
WDR: Satire hat immer ein Ziel - was ist Ihr Ziel?
Liefers: Gerade in einer Zeit, wo wir nochmal aufgefordert sind, den Gürtel enger zu machen, zum Teil auch wirklich ganz vielversprechende Projekte wie in Tübingen geschlossen werden, die Diskussion wenigstens nochmal zu eröffnen. Wir haben jetzt ein Jahr alles geduldig und mit viel Aufmerksamkeit mitgemacht. Und das ist dabei herausgekommen. Ich verstehe Leute total, die sagen, das finde ich doof ...
WDR: Aber meine Frage ist noch nicht beantwortet. Wie kommen Sie dazu, die Medien so als "gleichgeschaltet" zu werten?
Liefers: Von gleichgeschaltet war nicht die Rede. Ich habe gesagt, dass wir seit einem Jahr dabei sind, den Alarm dahin zu halten, wo er hingehört, und zwar ganz weit oben. Mein Punkt ist mit dieser Übertreibung, dass ich über die Rolle der Medien in dieser Pandemie gerne eine große Diskussion hätte.
WDR: Die führen wir gerade. Sie sagen, da kommen nur Experten zu Wort, die der Regierung nach dem Mund reden. Nehmen Sie nicht wahr, dass wir und andere jeden Tag die Regierung kritisieren, dass jeden zweiten Tag ein Interview da ist mit Leuten, die die Regierung auch sehr hart kritisieren?
Liefers: Doch, das sehe ich, aber auch, dass vieles fehlt. Es gibt weltweit umfangreiche Studien von Leuten, die ihre Hausaufgaben auch gemacht und studiert haben, die über einen Lockdown zu ganz anderen Erkenntnissen gekommen sind als wir. Ich möchte, dass die Regierungsentscheidungen transparenter sind und nicht hinter verschlossenenen Türen. Finden Sie das falsch?
WDR: Ich finde es richtig, aber es ist nicht so, dass es in den Medien nicht vorkommt. Dass wir in den Medien ein bisschen sauer sind, ist die eine Sache. Aber in dem Video bedienen Sie exakt das Narrativ der Corona-Leugner, der Rechtsextremen und "Lügenpresse"-Schreihälse. Und die feiern Sie heute richtig ab. Davon haben Sie sich distanziert heute Nachmittag. Sind Sie wirklich so naiv?
Liefers: Die Distanzierung war nicht heute Nachmittag, sondern schon gestern Nacht. Entschuldigen Sie: Jetzt sagen Sie, dass ich naiv bin. Wissen Sie, wann jemand zu mir gesagt hat: 'Sind Sie so naiv?' Das war … Zentralkomitee in der DDR an der Schauspielschule. Ich kenne solche Fragen. Also: Die Distanzierung fand gestern statt, aus sehr gutem Grund, das ist mir wichtig. Am Ende des Tages ist damit auch alles gesagt.
WDR: Sie haben es mit dem Video doch bedient.
Liefers: Nein, wir habe nur unsere Sache gemacht, die wir machen wollten. Uns hat ja niemand aufgefordert, könnt ihr uns bitte bedienen. Wie war der Vorwurf genau? Dass wir uns nicht darum kümmern, dass wir Applaus von der falschen Seite bekommen? Das hat man nicht immer in der Hand, das wissen Sie ja.
WDR: Wenn man das genau so macht, wie die Querdenker das vorgeben, dann weiß man, was passiert. Ich möchte aber noch auf einen anderen Punkt kommen. Die vielen Menschen, die hart arbeiten, Opfer bringen in der Pandemie, die ihre Kinder beschulen rund um die Uhr, die auf den Intensivstationen Arbeitstage haben – da sind Ihre und meine Kindergeburtstage. Die werden mit der Aktion verhöhnt – als dumme Untertanen, die sich von der Regierung was einreden lassen.
Liefers: Überhaupt nicht. Das ist Ihre Interpretation. Das ist nicht wahr, ich habe niemanden verhöhnt, der seine Arbeit macht. In unserem Freundeskreis sind so viele Mediziner, ich weiß, was die für eine Arbeit machen. Ich habe hohen Respekt und große Achtung vor dem, was dort geleistet wird. Das ist ein Protest, der richtet sich gegen die Regierung und in Teilen gegen die Rolle, die die Medien spielen. Ich entschuldige mich gerne dafür, wenn ich Sie zu Unrecht einbeziehe.
WDR: Was anders als Verhöhnen ist es, wenn man denen sagt: Guckt mal, ihr seid ja so untertan?
Liefers: Um es nochmal zu sagen – inzwischen heißt es, das sei nach hinten losgegangen. Wahrscheinlich ist es so, wenn man so viel erklären muss – es ist nicht dafür gedacht gewesen, Staatsbürger unseres Landes zu veräppeln. Wir sind doch selber welche. Glauben Sie, wir pfeifen auf all das? Es geht darum, Aufmerksamkeit zu bekommen.
Nebenbei sind wir auch keine Partei, wir sind Personen, die sich unter einem Dach versammelt haben, was wir sonst nur tun, wenn wir Filme drehen. Finden Sie das so gefährlich und despektierlich, dass man sowas nicht machen darf?
WDR: Wenn Sie mich schon fragen: gefährlich nicht, despektierlich schon. Wenn ich sehe, was in den Intensivstationen passiert, da sind Sie einfach gut dotierte Schauspieler, die sagen, ach komm, da hauen wir einen raus.
Liefers: Da kann ich Ihnen nicht mehr folgen. Wie bringen Sie das in Verbindung mit Intensivstationen und der Arbeit, die die Menschen dort machen, und die Patienten, die da liegen?
WDR: Es geht ja um die Corona-Maßnahmen. Wenn wir die nicht machen, laufen die Stationen voll. Das werden wir heute nicht mehr klären, ich möchte aber Ihren letzten Satz im Video aufgreifen. Da sagen sie: 'Verzweifeln Sie ruhig, aber zweifeln sie nicht.' Die Verzweifelten sind der Politik und Medien egal - meinen Sie das wirklich?
Liefers: Ich finde, Sie könnten den Verzweifelten mehr Aufmerksamkeit schenken, das ist wahr. Ich gebe aber zu, dass das gefühlte Wahrheiten sind.
WDR: Wir werden nicht zusammenkommen, aber ich danke Ihnen, dass Sie sich den Fragen gestellt haben.
Liefers: Ich danke Ihnen auch. Wir werden auch nicht aufhören, darüber zu reden.
Das Interview führte Martin von Mauschwitz.