Sascha ist 46 Jahre alt und einer von mehr als 7.000 Demonstrantinnen und Demonstranten vergangenen Samstag in Düsseldorf. Der Mönchengladbacher hat alle klassischen Impfungen wie Masern und Kinderlähmung erhalten. Den neuen mRNA-Impfstoffen gegen Corona vertraut er aber nicht.
Sascha geht vor allem demonstrieren, um gegen die "Ausgrenzung" seiner ungeimpften Familie zu protestieren: "Wir können im Moment noch nicht einmal mit der dreijährigen Tochter ein paar Schuhe kaufen gehen", sagt er. Das Mädchen sei auch schon von Kindergeburtstagen wieder ausgeladen worden.
Etwas anders sieht es bei Demonstrantin Julia aus. Die Kindergärtnerin aus Düsseldorf ist gegen Corona geimpft, wehrt sich aber gegen immer neue Pandemieregeln: "Es reicht einfach", sagt sie. Ähnliche Aussagen kommen auch von anderen Teilnehmern, Corona-Leugner sind nicht unter den Befragten.
Verfassungsschutz: Bis zu 10 Prozent Rechtsextreme
Das "Antifaschistische Informationsportal Düsseldorf" traut dem bürgerlichen Anschein der Demos nicht. Die Aktivisten haben sich nach der Erstfassung dieses Beitrages beim WDR gemeldet. So sei der Anmelder ein "Akteur der extremen Rechten". Er habe sich zum Beispiel 2019 an einer Demo der laut Verfassungsschutz rechtextremen Organisation "Wir für Deutschland" beteiligt.
Der Mann bestätigte die damalige Teilnahme auf WDR-Anfrage. Allerdings distanziere er sich von politischen Rändern. Die rechtsextreme Haltung der Veranstaltung in Berlin sei ihm erst später klar geworden. Auch mit den Düsseldorfer Corona-Rebellen habe er wegen der teils extremen rechten Tendenzen nach anfänglichem Engagement nichts mehr zu tun.
Die Polizei bleibt bei ihrer Darstellung, dass in Düsseldorf nur vereinzelt Rechtsextreme mitlaufen. Auch AfD-Anhänger wurden dort schon gesehen, die Partei unterstützt die Proteste. Der Verfassungsschutz bestätigt außerdem, dass die rechtsextreme "Bruderschaft Deutschland" im November bei einer Corona-Demo in Düsseldorf dabei war.
Verfassungsschutz: Bis zu 10 Prozent Rechtsextreme
Nach Angaben des Landesinnenministeriums sind in NRW in der Woche bis Montag (17.01.) in NRW bei 314 Versammlungen rund 55.000 Menschen im Zusammenhang mit Corona auf die Straße gegangen, etwa 5.700 davon waren Gegendemonstranten. Das Protestmilieu sei "zersplittert und fragmentiert". Unter den Teilnehmern seien Menschen aus der bürgerlichen Mitte, aber auch Verschwörungsmythiker, Corona-Leugner und Esoteriker.
Der Verfassungsschutz schätzt, dass der Anteil von Rechtsextremen und Reichsbürgern bei den Demos in NRW bei höchstens zehn Prozent liegt. Beispielsweise hätten sich Ende des vergangenen Jahres in Bochum Mitglieder der NPD beteiligt. In Olpe sei der rechtsextreme "Dritte Weg" dabei gewesen, in Dortmund "Die Rechte".
Rechtsextreme und Mitte der Gesellschaft
Es gibt aus anderen Städten auch andere Eindrücke als in Düsseldorf, wo die Demo in der Gesamtschau eher einen bürgerlichen Eindruck machte. In Bielefeld und Leverkusen liefen teils bekannte Rechtsextreme bei Demos mit. In Lünen wurden die Proteste sogar von einem Neonazi organisiert. Was viele Demonstranten gegen Corona-Maßnahmen eint, ist ein ziemliches Misstrauen gegen Medien. Viele meinen, dass ihr Protest zu Unrecht diskreditiert werde. Bei einer Demo in Dinslaken filmte zum Beispiel ein Teilnehmer die Veranstaltung. Nach eigener Aussage, um zu dokumentieren, dass dort keine Nazis mitlaufen.
Demokratieforscher warnt
Nach Einschätzung des Berliner Demokratieforscher Wolfgang Merkel sind im Westen deutlich weniger Neonazis an den Corona-Demos beteiligt als im Osten. Der Politikwissenschaftler warnt davor, deshalb den gesamten Protest zu delegitimieren und sagt: "So einfach kann man es sich nicht machen. Freie Meinungsäußerung, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit sind ein zu hohes Gut". Merkel warnt davor, dass man "Märtyrer" produziere, sprich: Dass sich noch mehr Menschen radikalisieren.
Der NRW-Verfassungsschutz sieht die Gefahr eine Radikalisierung ohnehin. Es sei den Rechtsextremen zwar nicht gelungen, die Proteste für sich komplett zu vereinnahmen. Andere Teilnehmer von Demos würden sich aber immer weniger von ihnen abgrenzen, so die Behörde.
Warten auf den Totimpfstoff
In Düsseldorf distanzieren sich die Organisatoren zumindest offiziell von Rechtsextremen und Reichsbürgern, man wolle sie nicht dabei haben hieß es auf der Demo am Samstag. Wie gesagt: Antifaschisten bezweifeln das. Insgesamt bleibt aber der Eindruck, dass die deutliche Mehrheit der Teilnehmer nicht radikal war.
Die 33 Jahre alte Steffi aus Krefeld zum Beispiel will nicht neben Neonazis laufen, das sei ihr wichtig. Nachdem sie sich den Protest in Düsseldorf angeschaut hat, demonstriert sie aber mit, gegen eine Impfpflicht und gegen Ausgrenzung, wie sie sagt.
Ähnlich geht es dem Familienvater Sascha. Dass manche Menschen Ungeimpfte wie ihn beschuldigen, die Pandemie unnötig zu verlängern, kann er nicht nachvollziehen. Sascha wartet nach eigenen Angaben auf Alternativen. Mit dem voraussichtlich bald verfügbaren Totimpfstoff von Novavax würde er sich impfen lassen, sagt der Mönchengladbacher.