Mehr als die Hälfte der Intensivbetten wären von Muslimen belegt, dabei hätten sie nur einen Anteil von 4,8 Prozent an der Bevölkerung. Das soll RKI-Chef Lothar Wieler gesagt haben. Das Dementi kam schnell: Die Aussage sei aus dem Zusammenhang gerissen worden und habe sich auf Schilderungen aus drei Intensivstationen bezogen. Und überhaupt: Das RKI habe gar keine Informationen über einen möglichen Migrationshintergrund.
Migranten mit riskanten Jobs
Hörensagen also - aber ganz abwegig? Eine Frage, die sich so eindeutig kaum beantworten lässt. Fest steht: Finanziell benachteiligte Menschen können sich eher infizieren - das haben internationale Studien gezeigt. Dafür kann es viele Gründe geben: Viele wohnen und arbeiten dicht an dicht und ernähren sich aus Geldmangel schlechter. Wenn sie dann krank werden, schämen sie sich, zum Arzt zu gehen. Und: Sie arbeiten nicht im Homeoffice, sondern als Kassiererin, in der Pflege oder im Schlachtbetrieb. Schlechtbezahlte Jobs, die überdurchschnittlich oft von Menschen mit Migrationshintergrund übernommen werden - mit jede Menge Kontakten, die krank machen können.
Hartz-IV-Empfänger haben ein höheres Risiko
Arme werden schneller krank
Das klingt einleuchtend, wirklich belegt ist es nicht. Zwar hat Berlin erhoben, dass Arbeitslosigkeit, Migrationshintergrund und enge Wohnverhältnisse Faktoren sein können, die zu Infektionszahlen geführt haben, die in manchen Stadtteilen dreimal so hoch liegen wie in anderen Bezirken. Und Nico Dragano, Medizinsoziologe an der Universität Düsseldorf, hat Versichertendaten ausgewertet, Ergebnis: Hartz-IV-Empfänger kommen doppelt so oft mit Corona ins Krankenhaus wie Erwerbstätige. Aber das sind nur Schlaglichter - die Lage bleibt ansonsten im Dunkeln.
Wer wird krank und warum? Man weiß es nicht genau
Denn in Deutschland weiß niemand genau, wer krank wird und warum und wer besonders geschützt werden sollte. Recherchen von WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung haben gezeigt: Die Datenlage ist viel zu dünn. Die Recherchekooperation hat alle Gesundheitsministerien nach dem sozialen Status gefragt, nach der Höhe des Einkommens, der Größe des Haushalts und nach der Herkunft. 13 von 16 Mal war die Antwort: "Wir wissen es nicht", NRW reagierte gar nicht.
Entscheidend ist nicht die Herkunft
Damit ist erst recht nicht belegt, dass es einen Zusammenhang zwischen Covid-Erkrankten und ihrer Herkunft beziehungsweise einem Migrationshintergrund gibt.
Teile der Gesellschaft, die eher benachteiligt werden, werden zwar öfters krank. Den Schluss lassen jedenfalls zwei Studien aus den USA und Großbritannien zu. Dabei spielt aber wohl eher eine Rolle, dass sie schlechtere Jobs, Wohnungen und Gesundheitsvorsorsorge haben. In den Studien steht, dass Afroamerikaner oder Patienten mit nicht-britischen Namen besonders oft krank werden. "Aber das Risiko liegt natürlich nicht im ethnischen Hintergrund, sondern an den Lebens- und Arbeitsbedingungen", sagt die Infektiologin Muge Cevik, die die britische Regierung berät.
Groß-Hochzeiten und Hotspot Ischgl
Und was ist mit den Hochzeiten mit Hunderten von Gästen oder den Besuchen im Moschee? In Düren wurden vor kurzem fünf Gotteshäuser geschlossen, weil im Umfeld einer Moschee Infektionen mit der sehr ansteckenden britischen Corona-Variante festgestellt wurden. Der Sozialwissenschaftler Cihan Sinanoglu von der Geschäftsstelle Rassismusmonitor hält es aber für "problematisch, wenn das Problem kulturalisiert wird" - und verweist auf die Raves in Berliner Parks oder die Aprés-Ski-Partys in Ischgl. Events, die sich zum Hotspot entwickelten, ohne dass die Frage nach der Kultur gestellt wurde.