Noch immer gibt es viele Millionen Menschen in Deutschland, die sich nicht gegen das Coronavirus impfen lassen oder impfen lassen wollen. Damit tragen sie ein erhöhtes Risiko, bei einer Infektion schwer zu erkranken und womöglich intensivmedizinisch versorgt werden zu müssen. Die Kosten trägt die Allgemeinheit. Dr. Jürgen Zastrow, Impfarzt und Leiter der Kreisstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) in Köln, findet das nicht richtig.
Zastrow: Folgen selber tragen
Impfarzt Dr. Jürgen Zastrow
"Man muss auch mal darüber diskutieren, ob man diejenigen Kosten, die einer dadurch verursacht, dass er sich unnötigerweise infiziert, demjenigen belastet, der sie auslöst - anstatt der Allgemeinheit", sagte er am Freitag dem WDR. Und er ergänzte: "Ich würde mir wünschen, dass diejenigen, die sich für bestimmte Risiken entscheiden, diese Risiken dann auch zu tragen haben."
Risiken aus persönlichen Lebensentscheidungen
Zastrow betonte, dass dies seine ganz persönliche Meinung sei: "Ich weiß, dass die nicht konsensfähig ist politisch, weil es ja hier alles immer für alle umsonst gibt." Damit meinte er, dass zum Beispiel auch bei Unfällen von Skifahrern oder Fallschirmspringern, die ebenfalls persönliche Risiken selbst verursachten, die gesetzliche Krankenkasse zahle. "Warum eigentlich? Das ist ja kein Risiko, das aus Krankheit entsteht, sondern aus persönlichen Lebensentscheidungen."
Diese Aussagen sind provokant. Schließlich rütteln sie an den Grundfesten unseres solidarisch ausgerichteten Gesundheitswesens. "Ein solcher Vorschlag hätte keine Erfolgsaussicht. Dann müssten ja auch Raucher ihre Lungenkrebsbehandlung selbst bezahlen", sagte Ruth Schulz von der WDR-Wissenschaftsredaktion.
Natürlich weiß auch Zastrow, dass neben der politischen Durchsetzungsfähigkeit die rechtliche Grundlage für eine solche Vorgehensweise fehlt. Und natürlich bezog er seine Aussagen auch nicht auf Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können.
Immunologe: Vorschlag geht in die richtige Richtung
Der Immunologe Prof. Reinhold Förster von der Medizinischen Hochschule Hannover findet allerdings, dass Zastrows "Vorschlag mit Sicherheit sehr kontrovers diskutiert wird, aber im Prinzip schon in die richtige Richtung geht".
Idee der höheren Krankenkassenbeiträge
Förster bringt die Idee in die Diskussion, erhöhte Gesundheitsrisiken, denen sich Menschen aussetzen, beispielweise über höhere Krankenkassenbeiträge abzudecken.
Im Falle von Corona sei das nicht schwierig zu kalkulieren: "Man weiß, wie hoch die Hospitalisierungsrate bei den einzelnen Altersgruppen ist und wie hoch die Hospitalisierungsrate auf den Intensivstationen ist. Und man weiß ganz genau, was ein Coronapatient einer bestimmten Altersklasse im Durchschnitt für Kosten verursacht." Da läge man "ruckzuck bei 50.000, 80.000, 100.000 Euro".
Mehr Solidarität mit anderen Patienten
Impfarzt Zastrow verweist im Zusammenhang mit der Corona-Impfmüdigkeit zudem auf einen anderen Aspekt des solidarischen Handelns, etwa bei der Verfügbarkeit von Gesundheitsdienstleistungen zum Beispiel auf einer Intensivstation: "Wenn da alle Betten belegt sind - 95 Prozent der Corona-Erkrankten sind ungeimpft, die auf der Intensivstation liegen - dann nimmt derjenige Herzinfarktpatienten oder anderen schwer kranken Patienten möglicherweise Versorgungsmöglichkeiten weg."