Während der Gesamt-Wahlsieg an die Union geht, ist der Wahlsieger bei den 18- bis 24-Jährigen die Linkspartei: 25 Prozent der jungen Wählerinnen und Wähler haben die Partei bei der Bundestagswahl gewählt. Gefolgt von der AfD mit 21 Prozent. Die Union liegt mit 13 Prozent nur auf dem dritten Platz.
Vor allem bei Erstwählenden haben Linkspartei und AfD großen Erfolg: Die Linkspartei wurde in dieser Gruppe von 27 Prozent gewählt (ein Plus von 19 Prozent gegenüber der Bundestagswahl 2021), die AfD von 20 Prozent (ein Plus von 14 Prozent). "Ich bin besonders glücklich darüber, dass wir die stärkste Partei bei den Erstwähler:innen sind", sagte Linken-Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek am Montag in Berlin. Junge Menschen müssten dringend besser in der Politik vertreten werden, so Reichinnek.
Was der Erfolg von AfD und Linkspartei mit TikTok zu tun hat
Die Entscheidung für eine Partei werde von mehreren Faktoren beeinflusst, sagt der Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje im WDR-Gespräch. So spielten beispielsweise Gespräch mit Vertrauten wie Freunden und Familienmitgliedern eine Rolle. Aber auch die Rolle von TikTok und Instagram sei nicht zu unterschätzen, so Hillje:
Ohne Social Media kann man junge Wähler nicht gewinnen, aber man gewinnt sie nicht alleine durch Social Media. Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje
Bei TikTok fällt die enorme Präsenz von Linke- und AfD-Kanälen und deren Zuspruch im Vergleich zu anderen Parteien auf. So hat die Linken-Spitzenkandidatin Reichinnek 575.200 Follower, AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel sogar 931.900. Bei Robert Habeck von den Grünen sind es nur 103.200, bei CDU-Chef Friedrich Merz sogar nur 91.500.
"Weidel und Reichinnek sind schon lange bei TikTok präsent, haben viel in ihre Kanäle investiert", erklärt Kommunikationsberater Hillje. Die beiden Politikerinnen seien unter den ersten in Deutschland gewesen, die das soziale Netzwerk für die politische Kommunikation nutzen. Es brauche Zeit, um eine Community und Reichweite in einem sozialen Netzwerk aufzubauen.
Linken-Spitzenkandidatin Reichinnek und ihre TikTok-Strategie
Reichinnek ist bereits seit 2021 bei TikTok. "Ich wollte TikTok nicht der AfD überlassen", sagt die Linken-Spitzenkandidatin dazu. Es gibt bei ihr Videos zu Bundestagsreden und der Arbeit im Ausschüssen - aber auch Videos zu ihren Tattoos. Unmittelbar vor der Bundestagswahl war Reichinnek mit einem Video besonders erfolgreich: Darin geht es um eine Bundestagsrede, in der sie auf einen CDU-Antrag reagiert, dem der Bundestag mit den Stimmen der AfD zugestimmt hat. In ihrer Rede greift Reichinnek Unionskanzlerkandidat Merz für seine Initiative scharf an.
Reichinnek bediene die Bedürfnisse ihrer jungen Zielgruppe auf TikTok sprachlich und inhaltlich perfekt, stellt Kommunikationsberater Hillje fest. Demgegenüber setze die AfD auf eine große Zahl von Unterstützern bei TikTok, die die Reichweite der Partei vergrößern. Videos werden kommentiert und gelikt, das fördert ihre Verbreitung. "AfD und Linke haben nicht denselben Kommunikationsstil bei TikTok, aber sie haben verstanden, wie zielgruppengerechte Ansprache auf dieser Plattform funktioniert", so Politik- und Kommunikationsberater Hillje.
Erfolg von AfD und Linkspartei steht für Polarisierung unter jungen Menschen
Der Erfolg von Linken und AfD bei TikTok stehe auch für die Polarisierung unter jungen Menschen, sagt der Politikberater. So habe sich die Linke mit Anti-AfD-Inhalten auf Social Media hervorgetan. Die AfD dagegen spreche Kritik an der Migration und an etablierten Parteien, sowie eine Politikverdrossenheit an.
Es gebe bei den Wählergruppen auch eine Spaltung unter den Geschlechtern, so Hillje: "Junge Frauen tendieren eher dazu, links zu wählen, junge Männer tendieren eher dazu, rechts zu wählen." Eine Auswertung von infratest dimap für die ARD zeigt, dass jüngere Frauen in Städten zu 35 Prozent die Linkspartei gewählt haben.
Warum haben die anderen Parteien nicht so viel Erfolg bei TikTok?
Wie junge Menschen abgestimmt haben. WDR Studios NRW. 24.02.2025. 01:09 Min.. Verfügbar bis 24.02.2027. WDR Online.
"'Es gab noch nie so viel Social Media Kommunikation wie in diesem Wahlkampf", stellt Politikberater Hillje fest. Die anderen Parteien hätten aufgeholt, gleichzeitig hätten sich Linkspartei und AfD weiterentwickelt und seien bei TikTok und Co. weiterhin vorne.
Hillje empfiehlt den anderen Parteien, die Emotionen der Menschen anzusprechen ohne den Stil der AfD zu kopieren. Die Parteien müssten "demokratische Emotionalisierung" lernen: Inhalte müssten in den sozialen Medien emotional vermittelt werden - gleichzeitig dürfe die Kommunikation nicht unsachlich werden.
Unsere Quellen:
- WDR-Gespräch mit Politikberater Johannes Hillje
- infratest dimap
- tagesschau.de