Amnestie für Drogen-Altfälle beschäftigt Justiz
Stand: 19.03.2024, 14:09 Uhr
Noch ist das neue Cannabis-Gesetz nicht in Kraft, noch streiten sich Politiker darum – doch schon jetzt hat es erhebliche Auswirkungen. Allein im Bereich der Arnsberger Staatsanwaltschaft muss in 3.700 Urteilen überprüft werden, ob eine kommende Amnestie für die Verurteilten gilt. Landesweit sind es rund 200.000 Fälle. Denn das neue Cannabis-Gesetz gilt auch rückwirkend für bestimmte Fälle.
Von Heinz Krischer
Der Arnsberger Oberstaatsanwalt Thomas Poggel ist genervt. In seinem Haus sind in diesen Tagen ziemlich viele seiner Kollegen damit beschäftigt, tausende alte Akten zu sichten. So viele Urteile, in denen Drogenbesitz eine Rolle spielte, gab es in den vergangenen Jahren allein im Arnsberger Bezirk.
Einige Verurteilte müssten sofort entlassen werden
Nach dem neuen Cannabis-Gesetz soll gelten: Wer zuhause 50 Gramm Cannabis hat oder in der Öffentlichkeit 25 Gramm bei sich trägt, der besitzt eine "geringe Menge". Wurden Personen verurteilt wegen des Besitzes solch geringer Mengen und läuft aktuell noch der Vollzug, dann besteht Handlungsbedarf. Der Arnsberger Staatsanwalt sieht die Überprüfung als nicht einfach an.
Normalerweise sitzt heute niemand wegen des Besitzes von Cannabis in geringen Mengen im Gefängnis. Meist gibt es bei einer Verurteilung eine Geldstrafe. Doch: Kann oder will der Verurteilte die Geldstrafe nicht bezahlen, wird eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
Der Arnsberger Oberstaatsanwalt Thomas Poggel ist generv von den Vorbereitungen des Cannabis-Gesetzes.
Sitzt er also aktuell noch, müsste der Verurteilte mit dem Tag, an dem das Gesetz in Kraft tritt, sofort entlassen werden. Andere denkbare Fallkonstellation: Jemand wurde wegen Raubes verurteilt – und er hatte auch etwas Cannabis bei sich. Das fließt dann in eine Gesamtstrafe mit ein.
Amnestie-Überprüfung ist kompliziert
"In solchen Fällen muss eine Gesamtstrafe aufgelöst und ohne Bestrafung des Cannabis-Besitzes neu gebildet werden", sagt Thomas Poggel. Den Arnsberger Oberstaatsanwalt ärgert, dass Bundesgesundheitsminister Lauterbach von bundesweit 7.500 Fällen spricht, obwohl es tatsächlich um wesentlich mehr Fälle gehe.
Andere Fälle bleiben erstmal liegen
Zwar könnte ein Verweis des Gesetzes in den Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag das Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes verzögern – "doch das können wir wegen der vielen Arbeit, die mit der Prüfung verbunden ist, nicht abwarten", sagt Thomas Poggel.
Am 1. April, dem geplanten Termin des Inkrafttretens, müsse daher alles vorbereitet sein. Sonst könnte sich die Staatsanwaltschaft unter Umständen angreifbar machen.
Für die Staatsanwaltschaft in Arnsberg bedeutet das: Der Fokus der Arbeit liegt jetzt erstmal auf dem neuen Gesetz – und alle anderen Strafverfolgungen, die nicht so dringend sind, müssen erstmal liegen bleiben.
Quellen:
- Staatsanwaltschaft Arnsberg
- eigene Recherchen des WDR Reporters
Über dieses Thema berichtet der WDR in der Lokalzeit Südwestfalen.