Als Dennis Oelmann gegen 20.50 Uhr mit seiner Fackel das Stroh anzündet, ist ihm die Anspannung anzusehen. Es ist die Anspannung, die in jedem Jahr bei ihm und den anderen Dechen in Lügde zu spüren ist, wenn das Osterfest näher rückt - und damit auch der Lauf der Osterräder in der kleinen Stadt im Weserbergland.
Hüter der Oster-Tradition
Die Dechen beim Stopfen der Holzräder.
Die Dechen, das sind die Brauchtumswächter in der Kleinstadt. Das ganze Jahr über bereiten sie den Lauf der Osterräder vor: Sie bauen extra ein spezielles Roggenstroh an, um im Herbst möglichst lange Strohhalme ernten zu können, sammeln spezielle Haselnusszweige und bereiten den Osterberg vor, damit die rollenden Räder für die Zuschauer nicht zur Gefahr werden.
600 Dechen sind im Verein organisiert - der "harte Kern" ist bei den verschiedenen Aktionen das ganze Jahr über im Einsatz. Der Höhepunkt ist dann der Abend des Ostersonntags, auf den alle hingearbeitet haben. Und sie werden belohnt. Schon das erste gut 280 Kilogramm schwere Osterrad rollt lichterloh brennend bis ins Tal.
Lodernde Tradition: So spektakulär war der Osterräderlauf in Lügde
Auch in diesem Jahr wurden in Lügde riesige Osterräder mit Stroh gestopft, angezündet und auf die Reise ins Tal geschickt.
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"Die Jungen lernen von den Alten"
Das Ritual wird hier seit Generationen gepflegt. Oelmann hat es von seinem Vater gelernt, der von seinen Vorfahren. Auch an diesem Ostersonntag sind bereits am Nachmittag mehrere Generationen im Einsatz. "Die Jungen lernen es von den Alten - das funktioniert hier seit vielen hundert Jahren," erklärt Oelmann.
Rollende Räder für eine gute Ernte
Das genaue und richtige Stopfen der Holzräder ist wichtig: etwa eine Minute lang brennen die Osterräder, wenn sie mit hohem Tempo ins Tal rasen. Je weiter sie rollen, desto besser wird die Ernte - das ist der fromme Wunsch hinter diesem besonderen Ritual.
Seit rund 250 Jahren lässt sich das Rollen der Räder chronologisch nachverfolgen. Der Brauch dürfte aber viel älter sein und aus dem Mittelalter stammen - vermutlich geht er schon auf heidnisch-germanische Zeiten zurück. Nachweisen lässt sich das aber nicht.
Immaterielles Kulturerbe der UNESCO
Das Feuerspektakel lockt Menschen aus ganz Deutschland nach Lügde
Lügde trägt seit zwölf Jahren offiziell den Namenszusatz "Stadt der Österräder". Stolz ist man hier auch, dass der Brauch mittlerweile als immaterielles Kulturerbe bei der UNESCO eingetragen ist - damit also weltweit anerkannt ist.
Der Reiz der spektakulären Ostertradition lässt sich vom Festgelände in der Innenstadt beobachten. "Mittlerweile kommen Menschen aus ganz Deutschland hierher. Und viele kommen wieder. Es ist einfach etwas ganz Besonderes," sagt Dennis Oelmann.