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18.08.2024 – Sergej Prokofjew, „Der Spieler“ bei den Salzburger Festspielen

Stand: 18.08.2024, 09:30 Uhr

In Prokofjews Oper „Der Spieler“ leiden gleich drei der Protagonisten an Spielsucht: die Titelfigur Alexej, der General und die Großmutter. Nur Polina scheint davon verschont. Aber sie treibt Alexej, dem sie in Hassliebe verbunden ist, fortwährend an den Spieltisch. Die Oper ist ein großer musikalischer Steigerungsbogen über die Sogkraft, Ekstase und Verderbnis der Spielsucht.

Der Showdown ist eine halbstündige Szene an den Roulettetischen, in dem die Musik mechanisch pulsiert und in immer neuen Klang-Ejakulationen den Spieler Alexej an die Rouletteräder zwingt. Diesmal sprengt er die Bank und will mit dem Geld Polina aus ihrer Zwangssituation gegenüber dem Marquis auslösen. Da weist sie ihn zurück, sie will nicht schon wieder „gekauft“ werden. Und an dieser Stelle ist die Musik fast wagnerisch pathetisch, nur viel greller.

Prokofjews „Der Spieler“ in der Salzburger Felsenreitschule

Prokofjews „Der Spieler“ in der Salzburger Felsenreitschule

Ein solches Doppelfinale hätte jemand, der das Werk noch nicht kannte, am Anfang kaum erwartet, als alle Protagonisten im plappernden Deklamationsstil von ihren Befindlichkeiten und Abhängigkeiten erzählen, insbesondere der General, dessen Kreditwürdigkeit nur noch wegen der Aussicht auf das Erbe der Großmutter besteht. Die dann, großartig dargestellt und gesungen von Violeta Urmana, plötzlich in der Szene steht und selbst ihren ganzen Besitz verspielt.

Prokofjews Oper „Der Spieler“ ist nach Mieczysław Weinbergs „Der Idiot“ die zweite Dostojewksi-Oper auf dem Spielplan der diesjährigen Salzburger Festspiele. 70 Jahre liegen zwischen den beiden Stücken, das eine so anspruchsvoll wie das andere, musikalisch fortschrittlich beide auf ihre Weise, aber nicht avantgardistisch. Prokofjew hat sein Stück 1917 vollendet, kurz vor dem Ausbruch der russischen Revolution. Deswegen kam es nicht zur Uraufführung, die erst 1929 auf Französisch in Brüssel stattfand. Der 24jährige Prokofjew war hochbegabt und ehrgeizig. Er wollte dem Musiktheater Wagners die Stirn bieten, weil der Ansicht war, dass dessen Größe sich schädlich auf die Entwicklung der Oper ausgewirkt habe. Den durchgehenden Deklamationsstil mit einem ebenso sprechenden Orchester kann man in der Tat als so etwas wie eine Schärfung des Wagner‘schen Theaterideals begreifen. Aber anders als dort erzeugt das Pathos und „Erstaunen“ (so ein Ausspruch von Prokofjew) nicht der singende Mensch, sondern das virtuose Orchester, das in Salzburg von Timur Zangiew großartig in Szene gesetzt wird. Und deswegen können auch die Sänger nicht richtig brillieren, obwohl Sean Panikkar als Alexej die ganze Zeit beschäftigt ist, Asmik Grigorian als Polina ihr dramatisches Potenzial erst in der Schlussszene entfalten kann und Peixin Chen als General eine im Grunde bemitleidenswerte Figur abgeben muss.

Peter Sellars Regie und George Tsypins Bühne sind mindestens so spektakulär wie das Orchester. Man sieht zahlreiche stilisierte Rouletteräder, die sich auch in der Vertikalen bewegen, in immer neuen Farbschattierungen vor dem Hintergrund der Steinwand in der Felsenreitschule. In einer virtuosen Lichtregie (James F. Ingalls) fühlt man sich als Zuschauer mal in eine Las-Vegas-Glitzerwelt, mal in eine Geisterbahn oder in ein Science-Fiction-Ambiente versetzt. Was zunächst als reines Dekor erscheinen mag, ist in Wirklichkeit aber die trügerisch-falsche Welt, die die Menschen aufsaugt und blendet und in ihren dürren Worten stotternd zurücklässt.

Premiere: 12.08.2024, besuchte Vorstellung: 17.08.2024, noch bis zum 28.08.2024

Besetzung:
Der General a. D.: Peixin Chen
Polina, Stieftochter des Generals: Asmik Grigorian
Alexej Iwanowitsch, Hauslehrer der Kinder des Generals: Sean Panikkar
Antonida Wassiljewna Tarassewitschewa, genannt Babulenka: Violeta Urmana
Der Marquis: Juan Francisco Gatell
Mr. Astley, ein reicher Engländer: Michael Arivony
Blanche, eine Halbweltdame: Nicole Chirka
Fürst Nilski: Zhengyi Bai
Baron Wurmerhelm: Ilia Kazakov
u.v.a.

Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Wiener Philharmoniker

Musikalische Leitung: Timur Zangiev
Regie: Peter Sellars
Bühne: George Tsypin
Kostüme: Camille Assaf
Licht: James F. Ingalls
Dramaturgie: Antonio Cuenca Ruiz

  • Choreinstudierung: Pawel Markowicz