In gewisser Weise fällt Katja Ebstein ihre Karriere in den Schoß. Nie wäre sie auf die Idee gekommen, ein Schlagerstar zu werden, wird sich die Sängerin später erinnern. "Das war ein Zufall, das klingt doof, aber eigentlich ist mir dieser Beruf zugestoßen."
Anfang der 1960er-Jahre tingelt Ebstein während ihres Studiums durch Berlins Jazz- und Liedermacherszene. Nebenbei verdient sie sich mit einer Freundin Geld in einem Backgroundchor. So kommt sie mit der Schlagerszene in Kontakt. Und dann sagt der Deutschland-Chef der US-Plattenfirma "Liberty - United Artists Records", Siggi Loch, zu ihr: "Ich finde dich 'ne gute Sängerin, und wir machen einfach mal ein Probeband."
Beste Sängerin in Rio
Geboren wird Ebstein am 9. März 1945 als Karin Ilse Witkiewicz im niederschlesischen Girlachsdorf. Als sie ein halbes Jahr alt ist, flieht die Familie über Thüringen nach Berlin, wo sie sich in der Epensteinstraße im Stadtteil Reinickendorf niederlässt. Ihr Pseudonym wird Ebstein dem Straßennamen entlehnen. Nach dem Abitur studiert sie Archäologie und Romanistik, 1964 singt sie mit Begleitmusikern in der ARD-Sendung "Marmeladentopf". Ihre ersten beiden Singles "Irgendwo, Irgendwie" (1965) und "Wo ist das Schiff" (1966), die sie noch unter dem Künstlernamen "Katja" veröffentlicht, bleiben allerdings erfolglos – ebenso wie ihr Auftritt 1966 beim Schlagerfestival im belgischen Knokke.
Auf dem Festival Chanson Folklore International auf Burg Waldeck im Hunsrück trifft Ebstein 1967 auf Siegfried Loch, der dort nach vielversprechenden Talenten sucht. Loch verschafft ihr den ersten Plattenvertrag. Den Durchbruch hat Ebstein 1970 in Amsterdam beim Grand Prix d’Eurovision de la Chanson mit dem von ihrem Mann Christian Bruhn komponierten Hit "Wunder gibt es immer wieder". Sie landet damit auf dem dritten Platz. Im selben Jahr wird sie beim Internationalen Songfestival in Rio de Janeiro zur besten Sängerin gewählt.
In den Hip-Hop-Charts
In den 1970er- und 1980er-Jahren avanciert Ebstein mit Titeln wie "Ein Indiojunge aus Peru" (1974), "Die Hälfte seines Lebens" (1975) oder "Dann heirat’ doch dein Büro" (1980) zu einer der erfolgreichsten Schlagersängerinnen Deutschlands. Aber sie ist auch international bekannt und spielt viele ihrer Hits auf Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Japanisch ein. 1980 belegt sie beim Grand Prix mit "Theater" Platz zwei. Ihre wahre Liebe aber gilt weiterhin dem Jazz, dem Chanson – und der Literatur. Bereits 1975 singt sie Heinrich Heine, 2001 spielt sie für den WDR "Die Geschichte vom Soldaten" von Igor Strawinsky ein. 2011 erobert sie mit einer Cover-Version von "Wunder gibt es immer wieder" gemeinsam mit dem Rapper JokA die Hip-Hop-Charts. Inzwischen hat sie mehr als 30 Alben veröffentlicht.
Neben ihrem Gesang engagiert sich Ebstein von Anfang an auch politisch und sozial. 1972 unterstützt sie Willy Brandt (SPD) im Wahlkampf, später ist sie in der Friedensbewegung und bei Attac aktiv. Mit ihrer 2004 gegründeten "Katja Ebstein Stiftung" unterstützt sie Projekte, die sich um die Förderung sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher bemühen.
Stand: 09.03.2015
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