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Das erste Smartphone der Welt: "IBM Simon"

Das erste Smartphone der Welt: "IBM Simon" WDR Zeitzeichen 16.08.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 17.08.2099 WDR 5

Das erste Smartphone ist das Apple i-Phone, oder? Nicht ganz, denn der Urahn aller Smartphones heißt "IBM Simon" und kommt am 16.8.1994 auf den amerikanischen Markt.

Aus heutiger Sicht klingt es simpel: Einfach nur Telefon und Computer verbinden - und schon ist das erste Smartphone der Welt fertig. Die Idee dazu hat ein IBM-Ingenieur. In Rekordzeit entwickelt er im Forschungslabor einen marktfähigen Prototypen, der von Mitsubishi produziert und 1994 von BellSouth auf den Markt gebracht wird. *** Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner: Wayne Whitley (Ingenieur bei IBM, im Entwicklungsteam von "IBM Simon"); Frank Canova (Ideengeber im Entwicklungsteam von "IBM Simon"); Michael Mikolajczak (Kurator und Ausstellungsmacher im HNF Paderborn) ***


Zeitreise: Anfang der 1990er-Jahre sind Telefonzellen selbstverständlich, Wählscheiben üblich und schnurlose Festnetztelefone der letzte Schrei. Doch die rasende Entwicklung von der Rechenmaschine über den PC bis zum ersten Laptop zeigt, wie viel Freiheit mobile Lösungen bringen.
In Deutschland wird gerade das Telefonieren im Auto und beim Gehen auf der Straße populär. Also warum nicht Mobiltelefon und Computer zusammenbringen? Der US-Computerhersteller IBM, spezialisiert auf Rechenmaschinen, sucht gerade nach neuen Ideen und lässt seinem Entwicklungslabor freie Hand.
Der Elektronik-Ingenieur Frank Canova in Florida hat die zündende Idee: "Ich habe mich damals gefragt, wie eine Telefontastatur auf einem Screen aussehen würde." Die Lösung liegt für ihn in der Touchscreen-Technologie, damals kaum genutzt und sehr fehleranfällig. Mit seinem Team macht er einen Prototyp zum marktreifen Produkt, das von Mitsubishi Consumer Electronics produziert und der Telefonfirma BellSouth am 16. August 1994 auf den Markt gebracht wird.
Doch es werden nur 50.000 "IBM Simons" verkauft. Nach weniger als einem Jahr ist Schluss. Das Internet ist noch nicht so ausgebaut, dass das erste Smartphone der Welt sein Potenzial nutzen kann. Zudem kostet das Gerät 1.000 Dollar, wiegt ein Pfund und muss nach einer Stunde aufgeladen werden.

In diesem Zeitzeichen erzählt Jana Magdanz:
  • Wie das erste Smartphone der Welt zu seinem Namen kommt,
  • mit welchen Problemen das IBM-Forscherteam zu kämpfen hat,
  • in wie vielen Wochen das fünfköpfige Team den Prototypen aus dem Boden stampft,
  • welche digitalen Apps im "IBMSimon" verbaut sind,
  • wann der Begriff Smartphone entsteht.

Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner:
  • Wayne Whitley (Ingenieur bei IBM, im Entwicklungsteam von "IBMSimon")
  • Frank Canova (Ideengeber im Entwicklungsteam von "IBMSimon")
  • Michael Mikolajczak (Kurator und Ausstellungsmacher im HNF Paderborn)

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autorin: Jana Magdanz
Redaktion: Sefa Inci Suvak
Technik: Sarah Fitzek

Nordic Noir: Geburtstag des Autoren Stieg Larsson (am 15.8.1954)

Nordic Noir: Geburtstag des Autoren Stieg Larsson (am 15.8.1954) WDR Zeitzeichen 15.08.2024 14:44 Min. Verfügbar bis 16.08.2034 WDR 5

In Schweden wird Stieg Larsson als Aufklärer gegen Rechtsextremismus bekannt. Den sensationellen Erfolg seiner Millennium-Trilogie kann er nicht mehr erleben.

Er ist gerade 50 geworden: Im Herbst 2004 stirbt der schwedische Autor Stieg Larsson nach einem Leben als Workaholic. Der Kämpfer gegen Rechtsextremismus hinterlässt ein Werk, das nach seinem Tod zum Bestseller wird: die "Millennium-Trilogie". *** Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: Tobias Hübinette (Dozent an der Karlstad Universität, Schweden, Freund und Kollege von Stieg Larsson); Silja Maehl (Lektorin beim Heyne-Verlag, zuständig für die Bücher von Stieg Larsson); Stieg Larsson: Verblendung - Verdammnis - Vergebung (Millennium-Trilogie). München 2010 ***


"Verblendung", "Verdammnis", "Vergebung" - so heißen die drei Bände von Stieg Larssons "Millennium-Trilogie". Seit 2004 sind die drei Bücher weltweit mehr als 100 Millionen Mal verkauft worden.
Dahinter steckt keine kalkulierte Verlagsstrategie, sondern das Werk eines Autodidakten und Hobbyautors, der mit Mitte 40 ohne jede professionelle Hilfe seinen ersten Krimi schreibt. Es sind 2.150 Seiten zwischen Fantasie und Faktenfetischismus, gepaart mit verblüffender Souveränität in der Plotgestaltung und einem eigenwilligen Humor.
Der Antrieb dafür ist eine persönliche Mission des Autors: der Kampf gegen Rechtsradikalismus. Larsson gilt in Schweden als führender Experte auf diesem Gebiet. 1991 hat er dazu das Sachbuch-Standardwerk "Extremhögern" veröffentlicht. Wegen seines Engagements erhält er immer wieder anonyme Drohungen.
Doch Larsson lässt sich nicht einschüchtern - und hält mit dem ungesunden Lebensstil eines Workaholics dagegen: zu viel Zigaretten, Kaffee und Bier. Im Herbst 2004, kurz vor seinem publizistischen Erfolg, stirbt der Autor nach einem Herzinfarkt. Gerade ist er 50 geworden.

In diesem Zeitzeichen erzählt Thomas Pfaff:
  • Welche Rolle der Großvater für Stieg Larssons Weltsicht spielt,
  • wer zu den literarischen Vorbildern des Autors gehört,
  • warum Larsson zu den Ermittlungen zu Olof Palmes Ermordung hinzugezogen wird,
  • was eine Vergewaltigung mit Larssons Faible für starke Frauen zu tun hat,
  • welchen Stellenwert die Demokratie für Larsson hat.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Tobias Hübinette (Dozent an der Karlstad Universität, Schweden, Freund und Kollege von Stieg Larsson)
  • Silja Maehl (Lektorin beim Heyne-Verlag, zuständig für die Bücher von Stieg Larsson)
  • Rosemarie Benke-Bursian (Expertin für Schwedenkrimis)
  • Stieg Larsson: Verblendung - Verdammnis - Vergebung (Millenium-Trilogie). München 2010

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Thomas Pfaff
Redaktion: Matti Hesse
Technik: Christiane Blanke

Aufstand der FKK-Anhänger in der DDR (am 14.08.1954)

Aufstand der FKK-Anhänger in der DDR (am 14.08.1954) WDR Zeitzeichen 14.08.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 15.08.2099 WDR 5

Mehr Recht auf weniger Kleidung: Die Anhänger der Nacktbadekultur in der DDR rebellieren gegen Badehosen- und Bikini-Bekleidete. Und das mit teils rüden Methoden.

Nackt oder nicht nackt - diese Frage spaltet die DDR im Jahr 1954. Die einen schwören auf das textilfreie Baden am Strand, den anderen sind die Nudisten ein Dorn im Auge. Am 14. August wird FKK dann tatsächlich an der gesamten Ostseeküste verboten. Doch gegen das Nacktbaden als ein Stück Freiheit kann letztlich auch die Staatsführung der DDR nichts ausrichten. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Dr. Stefan Wolle, DDR-Museum Berlin


Nacktbaden gehört für viele DDR-Bürger zum gängigen Urlaubsvergnügen. 1982 erscheint sogar ein FKK-Reiseführer - dieser weist rund 40 offizielle Strände für Freikörperkultur aus. Doch diesen selbstverständlichen Umgang mit dem textilfreien Planschen gab es nicht immer.

Im Jahr 1954 tobt im Arbeiter- und Bauernstaat ein regelrechter Kulturkampf um das Für und Wider von Badebekleidung. Angeblich gipfelt der Konflikt darin, dass die Angezogenen überfallen und zwangsweise entkleidet werden. Das Ende vom Lied: Am 14. August 1954 tritt ein generelles Nacktbadeverbot für die gesamte Ostseeküste in Kraft.

Es folgt ein Sturm der Entrüstung. DDR-Bürger beschweren sich bei der Obrigkeit und schreiben an die Medien. Kultusminister Johannes R. Becher kontert mit dem pathosschweren Ausbruch: "Habt Mitleid! Zeigt Erbarmen! Schont die Augen der Nation!" Doch die Wahrheit ist: Unter den Nudisten befinden sich auch etliche SED-Mitglieder und sogar hochrangige Staatsbeamte.

Unter diesen Umständen ist es unmöglich, weiter auf das Nacktbadeverbot zu bestehen - und so wird es nach nur zwei Jahren wieder aufgehoben. Natürlich leise, schließlich trifft die SED ihre Entscheidungen immer im fantasierten Bewusstsein der Unfehlbarkeit. Berichtigungen passen da nicht ins Bild. Doch zumindest in diesem einen Punkt überwindet die DDR ihre Kleinbürgerlichkeit - und an der Ostsee heißt es fortan wieder: Sommer, Sonne, FKK.

In diesem Zeitzeichen erzählt Thomas Klug:
  • Von einer DDR-Anekdote über "die alte Sau" Anna Seghers
  • warum die Kommunistische Partei vor 1933 in Sachen Sexualstrafrecht so viel fortschrittlicher war als die sowjetische Partei und die SED,
  • wie der Aufstand der Nackten von der Presse aufgebauscht wird,
  • warum ein nackter Chor im Sommer am Strand ein Weihnachtslied singt.

Das ist unser wichtigster Interviewpartner:
  • Dr. Stefan Wolle, DDR-Museum Berlin

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Die Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Thomas Klug
Redaktion: Christoph Tiegel/Frank Zirpins

Tiroler Schützen halten Napoleon stand (am 13.8.1809)

Tiroler Schützen halten Napoleon stand (am 13.8.1809) WDR Zeitzeichen 13.08.2024 14:40 Min. Verfügbar bis 14.08.2099 WDR 5

Es ist die größte von vier Schlachten, in denen die Tiroler 1809 für ihre Freiheit und die Zugehörigkeit zu Österreich kämpfen. Kein Sieg, aber Napoleons Truppen müssen zurückweichen.

Im April 1809 erklärt Österreich Frankreich und Bayern den Krieg. Für die Tiroler das Zeichen zum Aufstand. In den unübersichtlichen Bergtälern entscheiden sie manche Gefechte für sich. Drei siegreiche Schlachten am Bergisel bei Innsbruck im Frühjahr und Sommer 1809 begründen den Ruhm des Oberkommandierenden Andreas Hofer. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Andreas Oberhofer - Historiker und Stadtarchivar Bruneck, Biograph von Andreas Hofer


Für die meisten ist "Bergisel" heute vor allem mit Skispringen verbunden. Doch Anfang des 19. Jahrhunderts schreiben hier die Tiroler Geschichte. Nationalheld Andreas Hofer und die Seinen kämpfen auf dem etwa 750 Meter hohen Bergrücken im Süden Innsbrucks für die Freiheit Tirols. Der Hintergrund: Seit 1805 gehört das Gebirgsland zu Bayern und damit zum französischen Machtbereich. Es soll zu einem modernen, aufgeklärten und absolutistischen Staat umgeformt werden. Doch die meisten Tiroler wollen nur eins: zurück nach Österreich, zu dem sie seit dem 14. Jahrhundert fast ununterbrochen gehörten.

Im Verlauf des Jahres 1809 wird Hofer zu einem der führenden Köpfe des Aufstands. Er und seine Mitstreiter mobilisieren Schützen und den Landsturm in ganz Tirol. Nach der ersten Schlacht am Bergisel im April 1809 befreien sie Innsbruck für kurze Zeit. Ende Mai kommt es dort erneut zu Kämpfen, bei denen die Bayern große Verluste erleiden.

Als Napoleon vom Rückzug der Bayern erfährt, stellt er 20.000 Mann ab, um mit den rebellischen Tirolern endgültig abzurechnen. So kommt es am 13. August 1809 zur dritten und größten Bergiselschlacht, an deren Ende Napoleons Truppen erneut zurückweichen müssen. Für zwei Monate sitzt Hofer sogar als Regent in Innsbruck - bis es zwischen Frankreich und Österreich zum "Frieden von Schönbrunn" kommt.

Für Hofer ist das Verrat und es führt ihn wenig später in die vierte Schlacht am Bergisel. Diesmal siegen die Franzosen. Hofer versteckt sich in den Bergen, wird aber verraten. Auf Befehl Napoleons wird er 1810 in Mantua hingerichtet.

In diesem Zeitzeichen erzählt Andrea Kath:
  • Wie das Heilige Land Tirol in den Machtkampf zwischen Österreich und Frankreich gerät,
  • vom Verbot der Mitternachtsmette und weiteren Reformen unter denen die Tiroler leiden,
  • von der Baronin Therese von Sternbach, die den Aufstand als eine von wenigen Adeligen offen unterstützt,
  • wie Hofer nach drei siegreichen Schlachten am Ende alles verliert,
  • was am Bergisel heute noch alles an die Schlachten von 1809 erinnert.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Andreas Oberhofer - Historiker und Stadtarchivar Bruneck, Biograph von Andreas Hofer
  • Maria Heidegger - Historikerin (Universität Innsbruck), Biographin Therese von Sternbach
  • Michael Forcher: Anno Neun. Der Tiroler Freiheitskampf von 1809 unter Andreas Hofer. Ereignisse. Hintergründe. Nachwirkungen. (2008)
  • Wolfgang Pfaundler (Hg.): Das Tagebuch der Baronin Therese von Sternbach. Ein Dokument aus dem Tiroler Freiheitskampf 1809. (1977)
  • Andreas Oberhofer: "Der Andreas-Hofer-Mythos. Mehr Schein als Sein?" (2012) In: Claus Oberhauser/Wolfgang Knapp (Hg.): Hinter den Kulissen der historischen Mythenforschung, 71-100.
  • Maria Heidegger: "Dass sie Schafe und Böcke zu hüten hatte, kann ja auch umgangen werden." (2010) Biographische Annäherung an Therese von Sternbach (1775-1829). In: Siglinde Clementi (Hg.): Zwischen Teilnahme und Ausgrenzung. Tirol um 1800. Vier Frauenbiographien.

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Autorin: Andrea Kath
Redaktion: Frank Zirpins
Technik: Sarah Fitzek

Grab im ewigen Eis: Warum starb John Torrington?

Grab im ewigen Eis: Warum starb John Torrington? WDR Zeitzeichen 12.08.2024 14:46 Min. Verfügbar bis 13.08.2099 WDR 5

1845 bricht John Franklin mit zwei Schiffen zur Nordwestpassage auf - eine Reise ohne Wiederkehr. Der erste Tote der Expedition ist John Torrington. Am 12.8.1984 wird versucht, seine Todesursache zu klären.

Es ist eines der größten Rätsel der polaren Erkundungsgeschichte: Das Verschwinden der englischen Franklin-Expedition bei der Suche der Nordwest-Passage. Warum sind die beiden Schiffe verschollen? Diese Frage wollen 1984 kanadische Wissenschaftler endlich klären. Doch ihre These einer Bleivergiftung der Mannschaft gilt heute als unwahrscheinlich. *** Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: Arne Kertelhein (Historiker und Expeditionsleiter für Polarreisen); Nico Tessin (Verband Metallverpackungen, Düsseldorf, Leiter technische Abteilung); Owen Beattie, John Geiger: Der eisige Schlaf - Das Schicksal der Franklin-Expedition. München 1994 ***


Im Mai 1845 bricht Sir John Franklin mit 129 Seeleuten und zwei Schiffen von London auf, um endlich die Nordwest-Passage zu durchqueren. Alle früheren Expeditionen sind bei der Suche nach einem Seeweg vom Atlantik über den Nordpol in den Pazifik am Packeis gescheitert.
Da die beiden Schiffe Verpflegung für drei Jahre an Bord haben, werden sie zunächst nicht vermisst. Erst 1848 schickt die englische Admiralität eine Suchexpedition los - ohne Erfolg. Weitere Expeditionen folgen. Erste Spuren werden schließlich 1850 in der Arktis gefunden: Überreste von Schiffsgegenständen, Kleiderfetzen und Konservendosen.
Wenig später werden drei Grabsteine entdeckt. Darauf stehen die Namen von John Torrington, John Hartnell und William Braine. Alle drei jungen Männer sind demnach 1846 gestorben, also wenige Monate nach dem Aufbruch der Franklin-Expedition. Warum?
1984 wollen kanadische Wissenschaftler die Frage beantworten. Sie bergen am 12. August zunächst die Überreste von John Torrington für eine Autopsie. Sie glauben, die Todesursache gefunden zu haben: eine Bleivergiftung, hervorgerufen durch die Nahrung aus den bleiverlöteten Konserven. Doch das erweist sich später als nicht schlüssig.

In diesem Zeitzeichen erzählt Marfa Heimbach:
  • warum die Suche nach einer Nordwest-Passage damals so wichtig ist,
  • welche Gründe gegen eine Bleivergiftung als Todesursache sprechen,
  • welche Rolle die Befüllung der Konservendosen spielen könnte,
  • was man heute über die Lage der beiden Schiffe weiss,
  • was das Packeis damit zu tun hat.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Arne Kertelhein (Historiker und Expeditionsleiter für Polarreisen)
  • Nico Tessin (Verband Metallverpackungen, Düsseldorf, Leiter technische Abteilung)
  • Owen Beattie, John Geiger: Der eisige Schlaf - Das Schicksal der Franklin-Expedition. München 1994
  • Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit. München 1983
  • Jennie R. Christensen et al.: Hartnells Zeitmaschine. Amsterdam 2017

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Autorin: Marfa Heimbach
Redaktion: Frank Zirpins
Technik: Sarah Fitzek

Todestag des Schauspielers Robin Williams (11.8.2014)

Todestag des Schauspielers Robin Williams (11.8.2014) WDR Zeitzeichen 11.08.2024 14:41 Min. Verfügbar bis 12.08.2034 WDR 5

Komik und Tragik kann Robin Williams als Schauspieler hervorragend verbinden. Privat kämpft der Weltstar mit schweren Krankheiten. Im Alter von nur 63 Jahren geht er aus dem Leben.

"Good Morning Vietnam", "Club der toten Dichter", "Mrs. Doubtfire" - Robin Williams ist ein Hollywood-Star. Aber der Ruhm bedeutet für ihn Druck, dem er mit Alkohol entfliehen will. Schließlich wird bei ihm auch noch Parkinson diagnostiziert. *** Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner: Dave Itzkoff (Journalist und Autor einer Biografie von Robin Williams); Hennes Bender (Comedian und Filmkritiker) ***


Seine Karriere beginnt der Schauspieler Robin Williams als Stand-up-Comedian. Mitte der 1970er-Jahre erhält er die Hauptrolle in der TV-Show "Mork vom Ork". Darauf folgen kleinere Rollen in Filmen - bis Williams 1988 seinen Durchbruch hat: In "Good Morning Vietnam" spielt er einen Radiomoderator, der im Vietnamkrieg bei einem US-Soldatensender die Truppen vor Ort aufheitern soll.
In dieser Filmrolle kann Williams seine Qualitäten als Schauspieler und sein Improvisationstalent als Komiker zeigen. Das eröffnet ihm neue Möglichkeiten. Mit "Club der toten Dichter" kommt er 1989 endgültig in Hollywood an. Doch mit dem Ruhm kommen für Williams die Probleme. Er leidet unter dem Konkurrenzdruck und trinkt zu viel.
Williams schafft zwar den Entzug und knüpft mit Familienfilmen wie "Mrs. Doubtfire" und "Hook" an alte Erfolge an. Doch 2006 folgt ein Rückfall in die Alkoholsucht. Nach einer weiteren Therapie dreht Williams weitere Filme, aber die Blockbuster bleiben aus. 2014 wird bei ihm Parkinson festgestellt. Am 11. August des Jahres wird der 63-Jährige tot aufgefunden. Die Umstände lassen auf Suizid schließen.

In diesem Zeitzeichen erzählt Amy Zayed:
  • Wie Robin Williams aufwächst und Theaterkurse in der Schule besucht,
  • mit wie viel Arbeit er seine Improvisationen kombiniert,
  • warum er betonen muss, dass er sein Handwerk an einer der besten Schauspielschulen gelernt hat,
  • für welchen Film Williams mit dem Oscar ausgezeichnet wird,
  • welche Sehnsucht der Weltstar nach Normalität und Alltag hat.

Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner:
  • Dave Itzkoff (Journalist und Autor einer Biografie von Robin Williams)
  • Hennes Bender (Comedian und Filmkritiker)

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autorin: Amy Zayed
Redaktion: Christoph Tiegel und Sefa Inci Suvak
Technik: Petra Laubach

Haben Sie Suizidgedanken? Hier gibt es Hilfe
Wer Suizidgedanken hat, dreht sich dabei innerlich meist im Kreis. Dadurch wirkt die Situation festgefahren, der Teufelskreis lässt sich aber durchbrechen. Anonyme und kostenlose Hilfe finden Betroffene zum Beispiel bei der Telefonseelsorge unter den Rufnummern 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222 sowie 116 123. Per Chat bietet die Telefonseelsorge auf dieser Webseite Unterstützung. Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention listet hier Beratungsstellen für persönliche Gespräche auf.

Der Vater der Stratocaster: Clarence Leonidas "Leo" Fender

Der Vater der Stratocaster: Clarence Leonidas "Leo" Fender WDR Zeitzeichen 10.08.2024 14:44 Min. Verfügbar bis 11.08.2099 WDR 5

Er erfand eine Rock-Ikone: die "Strat". Die weltberühmte E-Gitarre, die den Sound der Blues-, Rock- und Popmusik für immer geprägt hat. Leo Fender wurde am 10. August 1909 geboren.

Kombizange, Schraubenzieher und Lötkolben sind seine Instrumente; Gitarre spielen kann er nicht. Zeitlebens weigert sich Leo Fender, auch nur einen Griff auf dem Instrument zu lernen, mit dem er in die Geschichte der Rockmusik eingeht. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: "Captain" Jörg Medwed (Inhaber der Captain Guitar Lounge)


Der 1909 in Kalifornien geborene Clarence Leo Fender begeistert sich schon auf der Highschool für elektrotechnische Tüfteleien. 1938 eröffnet der gelernte Buchhalter ein Radiogeschäft, in dem er auch Lautsprecheranlagen, Gitarren und Verstärker repariert. Bald beginnt Fender selbst, Gitarrenverstärker und elektrische Gitarren zu bauen und gründet 1946 die Fender Electric Instruments Manufacturing Company.
Die sogenannten "Hawaii-Gitarren" haben noch einen Resonanzkörper mit F-Löchern wie eine Geige und werden im traditionellen Instrumentenbau mit fest verleimten Hälsen handgefertigt. Fender jedoch experimentiert mit einer völlig neuartigen Bauweise, einer brettartigen, aus Massivholz gesägten Gitarre mit angeschraubtem Hals - ohne Resonanzraum und Schallloch.
Als er 1950 die erste Fender Broadcaster in "Solid-Body"-Bauweise vorstellt, lacht ihn die Konkurrenz aus. Doch das als "Kanupaddel" und "Fliegenklatsche" verhöhnte Brett wird zur ersten kommerziell erfolgreichen E-Gitarre der Welt. 1954 folgt mit der weiterentwickelten Fender Stratocaster die bis heute meist kopierte Gitarre der Welt. Superstars wie Jimi Hendrix, Eric Clapton oder Pink Floyds David Gilmour schwören auf ihre "Strat".
Keinen der Musiker, die auf seinen Gitarren Rockgeschichte schreiben, lernt Fender persönlich kennen. Er ist kein Partygänger, raucht und trinkt nicht. Bis ins hohe Alter tüftelt er daran, die Gitarren, Bässe und Verstärker, die seinen Namen tragen, zu verbessern. Ein Jahr nach seinem Tod im März 1991 wird Clarence Leo Fender in die "Rock and Roll Hall of Fame" aufgenommen.

In diesem Zeitzeichen erzählt Christopher Heimer:
  • Welche zwei Dinge man braucht, um einen guten Verstärker zu bauen,
  • warum Fenders E-Gitarre so kostengünstig herzustellen ist,
  • dass Fender selbst den 1951 herausgebrachten E-Bass für seine größte Errungenschaft hält,
  • welche für die damalige Zeit astronomische Summe er für den Verkauf seiner Firma erhält.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • "Captain" Jörg Medwed, Inhaber der Captain Guitar Lounge. Medwed sammelt, repariert und verkauft alte Gitarren und Verstärker. Gleichzeitig baut er auch eigene Verstärker, die einen exzellenten Ruf genießen und häufig auf alten Fender-Schaltungen basieren.
  • Forrest White: Fender - The Inside Story (Backbeat, 1994)
  • Richard R. Smith: Fender - Ein Sound schreibt Geschichte (Nikol, 2005)
  • Phyllis Fender/Randall Bell: Leo Fender - The Quiet Giant Heard Around The World (Leadership, 2017)
  • Leo Fender History von G&L Guitars

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Autor: Christopher Heimer
Redaktion: Sefa Inci Suvak

Tove Jansson – Queere Ikone und Mutter der Mumin-Trolle

Tove Jansson – Queere Ikone und Mutter der Mumin-Trolle WDR Zeitzeichen 09.08.2024 14:52 Min. Verfügbar bis 10.08.2099 WDR 5

Weltweit bekannt ist Tove Jansson für ihre Geschichten und Zeichnungen rund um die Mumin-Trolle. In Finnland ist die Zeichnerin und Autorin dazu eine Ikone und Wegbereiterin der queeren Community.

In Finnland sind die Mumins überall. Dabei sind die freundlichen weißen Trolle eigentlich menschenscheue Wesen, die in ihrem eigenen Kosmos leben. Ihre Schöpferin Tove Jansson wird am 9.8.1914 in Helsinki geboren. Ihre Mutter, der ruhende Pol der fünfköpfigen Familie, ist Grafikerin, ihr Vater ein exzentrischer Bildhauer, der selten zuhause ist. Der bunt-chaotische Haushalt ihrer Kindertage wird zur Vorlage für Tove Janssons Mumin-Welt, die als erfolgreiche Kinderbuch-Serie in 40 Sprachen übersetzt wird. *** Das ist unserer Interviewpartner: Christian Panse, Übersetzer, Jansson-Experte und Gründer des Virtuellen Muminforschungszentrums


Was Pippi Langstrumpf für Schweden, sind die Mumins für Finnland: Die rundlichen weißen Trolle, die ein wenig an Nilpferde erinnern, sind wohl Finnlands bekanntesten Kinderfiguren. Für ihre Erfinderin, die Zeichnerin und Autorin Tove Jansson, sind die Geschichten zunächst eine Flucht vor Krieg und Gewalt.

Die am 9.8.1914 geborene Malerin und Zeichnerin Tove Jansson feierte gerade ihre ersten Erfolge, als im November 1939 die Russen in Finnland einmarschieren. Mit dem Winterkrieg beginnen schreckliche Jahre: Ihre Freunde kämpfen an der Front, in ihrer Geburtsstadt Helsinki heulen ständig die Sirenen. Jansson entwirft die Mumins und ihre eigene Märchenwelt.

Die witzig-versponnenen Mumin-Familie lebt zusammen mit anderen Kreaturen in einem grünen Tal, umgeben von Bergen. Aufkommende Bedrohungen und Probleme werden stets von der Mutter souverän gelöst. Als Vorbild gilt Janssons eigene Mutter, die liebevoll die Kinder aufzieht und die Familie mit ihrer Arbeit als Grafikerin zusammen hält. Ihr Vater ist Bildhauer, exzentrisch und häufig unterwegs.

Insgesamt schreibt Tove Jansson neun Bücher über die Mumins, die in mehr als 40 Sprachen übersetzt werden. Auch ihre große Liebe, die Grafikerin Tuulikki Pietilä, ist unschwer in den Geschichten als Too-Ticki zu erkennen. Die sagt in einer Mumin-Geschichte einmal den bemerkenswerten Satz: "Alles ist sehr ungewiss, und das finde ich beruhigend."

In diesem Zeitzeichen erzählt Christine Kopka:
  • dass die rebellische Tove Jansson schon mit 16 Jahren die Schule verlässt,
  • wie sie Karikaturen von Adolf Hitler zeichnet und sich deswegen mit ihrem Vater streitet,
  • über Toves Liebe zu Frauen, als Homosexualität in Finnland noch verboten war,
  • warum "Die Mumins" noch aktuell sind und immer neu aufgelegt werden.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Christian Panse, Übersetzer, Jansson-Experte und Gründer des Virtuellen Muminforschungszentrums
  • Tove Jansson: Komet in Mumintal. Würzburg 2023
  • Tove Jansson: Eine drollige Gesellschaft. Würzburg 2016
  • Tove Jansson: Geschichten aus dem Mumintal, Würzburg 2016
  • Tove Jansson: Das Sommerbuch. Köln 2014 
  • Tuula Karjalainen: Tove Jansson. Die Biographie Stuttgart 2014

Weiterführende Links:

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autorin: Christiane Kopka
Redaktion: Frank Zirpins
Technik: Theo Kramer

"Game of Thrones" im Frankenreich: Skandal um Lothar II.

"Game of Thrones" im Frankenreich: Skandal um Lothar II. WDR Zeitzeichen 08.08.2024 14:41 Min. Verfügbar bis 09.08.2099 WDR 5

Es ist die Promi-Trennung des 9. Jahrhunderts: König Lothar II. will zu seiner Geliebten Waldrada, ist aber mit Theutberga verheiratet. Es mischen sich ein: der Papst und machthungrige Onkel. Am 8.8.869 stirbt Lothar.

Eine Verquickung von politischer Geschichte und Sexualmoral: Der fränkische König Lothar II. verstößt im Jahr 857 seine kinderlose Ehefrau Königin Theutberga, um seine Geliebte Waldrada zu heiraten und seinen unehelichen Sohn als Nachfolger einzusetzen. Das empört den Papst und lässt Lothars Verwandte auf Gebietsgewinne spekulieren. *** Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: Linda Dohmen (Historikerin am Institut für Mittelalterliche Geschichte der Universität Bonn); Linda Dohmen: Die Ursache allen Übels - Untersuchungen zu den Unzuchtsvorwürfen gegen die Gemahlinnen der Karolinger. Ostfildern 2017


Als der fränkische König Lothar II. im Jahr 857 seine kinderlose Ehefrau Königin Theutberga verstößt, um seine Geliebte Waldrada zu heiraten und seinen unehelichen Sohn als Nachfolger einzusetzen, greifen die Chronisten empört zu Feder und Pergament und halten alle schmutzigen Details für die Nachwelt fest.

Die pikante Angelegenheit ist hochumstritten und zieht weite Kreise. Theutberga und ihre Familie wehren sich gegen die Kränkung. Bischof Hinkmar von Reims lehnt eine Trennung strikt ab. Viele Adlige hingegen unterstützen den König. Seine Brüder und Onkel wiederum spekulieren darauf, dass die Trennung des Königspaares – das keinen legitimen Erben hat – ihnen in die Hände spielt und sie Teile von Lothars Gebiet übernehmen können.

Der Papst Nikolaus I. höchstpersönlich verlangt, dass Lothar sich von Waldrada fernhält, solange die Angelegenheit nicht endgültig geklärt ist. Aber auch die Autorität des Papstes stimmt Lothar II. nicht um. Noch bevor der König seine Angelegenheit zu einem guten Ende führen kann, stirbt er am 8. August 869 nach seinem Besuch beim Papst auf dem Heimweg in Piacenza, wo er beigesetzt wird.

In diesem Zeitzeichen erzählt Maren Gottschalk:
  • warum Lothar II. überhaupt die fränkische Adelige Theutberga im Jahr 855 heiratet,
  • mit welchem Gottesurteil sich Königin Theutberga gegen Gerüchte wehrt,
  • wie brutal König Lothar gegen seine Ehefrau vorgeht,
  • welche Gebiete zu Lothars Königreich gehören.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Linda Dohmen (Historikerin am Institut für Mittelalterliche Geschichte der Universität Bonn)
  • Linda Dohmen: Die Ursache allen Übels - Untersuchungen zu den Unzuchtsvorwürfen gegen die Gemahlinnen der Karolinger. Ostfildern 2017
  • Max Sdralek: Hinkmars von Rheims kanonistisches Gutachten über die Ehescheidung des Königs Lothar II. Freiburg 1881

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Autorin: Maren Gottschalk
Redaktion: David Rother
Technik: Nico Söllner

Tanz in den Wolken: Hochseilakt am World Trade Center (7.8.1974)

Tanz in den Wolken: Hochseilakt am World Trade Center (7.8.1974) WDR Zeitzeichen 07.08.2024 14:46 Min. Verfügbar bis 08.08.2099 WDR 5

55 Meter trennten die Türme des World Trade Centers. Philippe Petit überwindet den Abgrund auf einem illegal gespannten Hochseil - in 415 Metern Höhe. Es ist das künstlerische Verbrechen des Jahrhunderts.

Er fliegt von mehreren Schulen, folgt stattdessen einer Leidenschaft: Philippe Petit jongliert auf der Straße und tanzt in schwindelerregenden Höhen. Am 7. August 1974 wird das World Trade Center zu seiner illegalen Bühne. Festnahmen interessieren ihn nicht, Philippe Petit geht es um Schönheit, die Poesie, die in der Bewegung liegt. *** Das ist unsere Interviewpartnerin: Angeli Janhsen, Professorin für Kunstgeschichte ***


"Mein erster Schritt war furchterregend. Die Luftdichte ist anders. Manhattan ist nicht mehr unendlich", erinnert sich Philippe Petit später. Mehr als 400 Meter unter ihm gehen die New Yorker gerade zur Arbeit und können kaum glauben, was sie sehen: Zwischen den Türmen des noch nicht einmal ganz fertig gestellten Word Trade Centers tänzelt ein Mann auf einem Drahtseil.
Für Philippe Petit sind seine spontanen Zuschauer nicht größer als Stecknadelköpfe. Aber herunterschauen kann er nicht – jede Unachtsamkeit würde ihn das Leben kosten. Dabei kennt er sich aus mit kühnen Aktionen: Der Franzose ist bereits auf einem dünnen Geflecht zwischen den Türmen von Notre-Dame in Paris und den Pfeilern der Harbour Bridge in Sydney flaniert. Als der Akrobat vom Bau des World Trade Centers hört, ist ihm sofort klar, dass er nach New York muss.
Über Monate plant Philippe Petit seinen, wie er es nennt, Coup, der ihn berühmt machen wird. Dazu verschafft er sich als Journalist, Monteur, Industrieunternehmer unzählige Male Zutritt zu den Zwillingstürmen. Zusammen mit Freunden misst er aus, erstellt Zeitpläne und schmuggelt die tonnenschwere Ausrüstung ins neue Prestige-Gebäude der USA.
Am frühen Morgen des 7. August 1974 ist es soweit. Philippe Petit spaziert mit seiner 35 Kilo schweren Balancestange ohne jede Sicherung zwischen den Türmen hin und her. Nach einer Dreiviertelstunde ist Schluss. Polizisten stürmen die Plattform und nehmen Philippe Petit fest. Das ist ihm egal, sein Name für immer mit dem World Trade Center verbunden.

In diesem Zeitzeichen erzählt Claudia Friedrich:
  • wie Philippe Petit den Seiltanz für sich entdeckt hat,
  • dass er sein Seil spannte, weil ihn niemand engagieren wollte,
  • wie der Künstler seine illegalen Aktionen vorbereitet hat,
  • dass sich der Einsturz des World Trade Centers für Philippe Petit angefühlt habe, als hätte er sein Zuhause verloren.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Angeli Janhsen, Professorin für Kunstgeschichte
  • Angeli Janhsen, Angeli: Philippe Petit. IN: Neue Kunst als Katalysator. Berlin 2012
  • Philippe Petit: Über mir der offene Himmel. Szenen aus dem Leben eines Hochseilkünstlers. Stuttgart 1998
  • Philippe Petit: On the high wire. London 2019
  • Philippe Petit: To reach the Clouds. New York 2002.
  • Paul Auster: Auf dem Hochseil. In: Die Kunst des Hungers. Hamburg 2000

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Autorin: Claudia Friedrich
Redaktion: Frank Zirpins

Carl Schuchhardt - der größte unbekannte deutsche Archäologe

Carl Schuchhardt - der größte unbekannte deutsche Archäologe WDR Zeitzeichen 06.08.2024 14:50 Min. Verfügbar bis 07.08.2099 WDR 5

Er revolutionierte die Archäologie: Statt wild in der Erde zu wühlen und Schätze zu suchen, trug er sie schichtweise ab und berücksichtigte Bodenverfärbungen. Am 6. August 1859 wurde Carl Schuchhardt geboren.

"Nichts ist dauerhafter als ein ordentliches Loch." Mit dieser Erklärung bringt der Archäologe Carl Schuchhardt den überraschten Kaiser Wilhelm II. zum Lachen. Doch es ist kein Witz. Durch Verfärbungen im Boden lassen sich "Pfostenlöcher" identifizieren und so ganze Gebäudekomplexe rekonstruieren. *** Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: Anne Viola Sievert (Archäologin, Museum August Kestner in Hannover); Carl Schuchhardt: Aus Leben und Arbeit. Berlin 1944; Carl Schuchhardt: Die Burg im Wandel der Geschichte. Unveränderter Nachdruck von 1931. Wiesbaden 1991 ***


Wer war der größte deutsche Archäologe? Nicht etwa Heinrich Schliemann mit seinem "Schatz des Priamos" in Troja. Für Archäologin Anne Viola Sievert vom Museum August Kestner in Hannover ist es Carl Schuchhardt.
Er reformiert die Archäologie: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt er eine neue Grabungsmethode, die heute noch immer Gültigkeit hat. Sein Vorgehen bei Grabungen im wiederentdeckten Römerlager in Haltern: Zunächst entfernt er die Humusschicht und erzeugt eine ebene Fläche, das sogenannte Planum. Darauf zeichnen sich ehemalige Gruben als dunkle Verfärbungen ab.
Beim Graben nach weiteren Bodenschichten können vertikale Schnitte angelegt werden. Im Schnitt eines Planums ist zu sehen, wie weit sich beispielsweise eine Bodenverfärbung von der Oberfläche weiter nach unten zieht. Auf diese Weise werden auch ehemalige Pfosten von Holzbauten sichtbar, deren Erdlöcher Spuren hinterlassen haben.
Solche "Pfostenlöcher" ermöglichen es, Rückschlüsse auf die Anordnung und Architektur ehemaliger Bauten zu ziehen. 1904 informiert Schuchhardt den Kaiser über seine Erkenntnisse und sagt: "Nichts ist dauerhafter als ein ordentliches Loch." Darüber amüsiert sich Wilhelm II. so sehr, dass er einen Lachanfall bekommt.

In diesem Zeitzeichen erzählt Marko Rösseler:
  • wie Carl Schuchhardt bei einem Aufenthalt in Rumänien sein Interesse für Bodendenkmäler entdeckt,
  • um welche Art Burgen es in Schuchhardts Spezialgebiet der Burgen-Archäologie geht
  • welcher berühmte Althistoriker dem jungen Mann ein Archäologie-Reise-Stipendium vermittelt,
  • wie er als Archäologe das wahre Alter der angeblichen "Römerschanze" in Potsdam bestimmt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Anne Viola Sievert (Archäologin, Museum August Kestner in Hannover)
  • Carl Schuchhardt: Aus Leben und Arbeit. Berlin 1944
  • Carl Schuchhardt: Die Burg im Wandel der Geschichte. Unveränderter Nachdruck von 1931. Wiesbaden 1991
  • Cassius Dio: Römische Geschichte. Düsseldorf 2007

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Autor: Marko Rösseler
Redaktion: Matti Hesse

Frankreichs größtes Geschenk an die USA: die Freiheitsstatue

Frankreichs größtes Geschenk an die USA: die Freiheitsstatue WDR Zeitzeichen 05.08.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 06.08.2099 WDR 5

Geburtsstätte einer der berühmtesten Ikonen der USA war eine Werkstatt in Paris. Am 5.8.1884 wurde in New York der Grundstein für den Sockel der Freiheitsstatue gelegt.

"Das ist der Freiheitsengel. Das ist der Aufklärungsriese." Victor Hugo ist begeistert, als er 1883 die in Paris konstruierte und dort probeweise aufgebaut Freiheitsstatue besichtigt. Im Jahr darauf wird der Grundstein für den Sockel der Statue vor den Toren Manhattans gelegt. *** Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner: Jasper Trautsch (Historiker Nordamerikastudien, Universität Bonn), Michaela Hampf (Historikerin Nordamerikastudien, Universität Hamburg)


"Liberty Enlightening the World" - so lautet der offizielle Name und die weltweite Botschaft der grünen Frauen-Statue im Hafen von New York. Das 46 Meter hohe Original steht seit 1886 im New Yorker Hafen und gehört zu den meistbesuchten Monumenten der Welt. Doch ihre Geburtsstätte ist eine Werkstatt in Paris.

Während amerikanische Nord- und Südstaatler bis 1865 im Bürgerkrieg über die Deutungshoheit des Begriffs Freiheit streiten, kommt eine Gruppe französischer Liberaler auf der anderen Seite des Atlantiks bei einem Festbankett nahe Paris zusammen. Sie entwickeln die Idee, 1876 den USA zum 100. Unabhängigkeitstag eine Freiheitsstatue zu überreichen.

Der Zeitplan wird zwar nicht eingehalten, der Bau des Monuments ist aber dennoch wie geplant ein Gemeinschaftsprojekt: Der Bildhauer Frédéric Bartholdi konstruiert die Statue in Paris, die Amerikaner finanzieren den Sockel auf der Insel Bedloe‘s Island in der Bucht von New York. Der Grundstein für die Errichtung der Freiheitsstatue wird 1884 gelegt.

In diesem Zeitzeichen erzählt Melahat Simsek:
  • Welcher französische Bewunderer von Abraham Lincoln die Idee einer Freiheitsstatue vorantreibt,
  • was das mit dem Regime von Napoleon III. zu tun hat,
  • warum die USA gerade zu diesem Zeitpunkt ein Vorbild für Freiheit und Selbstverwaltung ist,
  • wie sich der spätere Eiffelturm-Erbauer am Bau der Freiheitsstatue beteiligt,
  • beim welchem Wetter die Statue im Oktober 1886 feierlich eingeweiht wird.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Jasper Trautsch (Historiker Nordamerikastudien, Universität Bonn)
  • Michaela Hampf (Historikerin Nordamerikastudien, Universität Hamburg)
  • Jonathan Harris: A Statue for America - The First 100 Years of the Statue of Liberty. New York 1985

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Autorin: Melahat Simsek
Redaktion: Christoph Tiegel und Sefa Suvak
Technik: Christiane Blanke und Annett Bastian

Todesurteil für einen eierlegenden Hahn (am 4.8.1474)

Todesurteil für einen eierlegenden Hahn (am 4.8.1474) WDR Zeitzeichen 04.08.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 05.08.2099 WDR 5

Ein Hahn legt ein Ei – das bringt für die Menschen im Spätmittelalter die göttliche Ordnung durcheinander. Der Hahn muss auf den Scheiterhaufen, 1474 in Basel...

Wenn ein Tier im späten Mittelalter etwas tut, was nicht in die weltliche und geistliche Ordnung passt, kann es vor Gericht kommen. Denn ihm wird Willensfreiheit unterstellt. Damit kann es als Rechtssubjekt beschuldigt, angeklagt und verurteilt werden. *** Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: René Hendricks (Tierarzt); Ferdinand Leuxner (Historiker am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte und Historische Grundwissenschaften an der Uni Würzburg); Peter Dinzelbacher: Das Fremde Mittelalter - Gottesurteil und Tierprozess. Essen 2006


Für die Menschen im 15. Jahrhundert verhält sich dieser Hahn widernatürlich wie ein Huhn. Und als die Basler nach der Hinrichtung den Hahn aufschneiden und weitere Eier entdecken, entzünden sie den Scheiterhaufen. Die Menschen hegen den Verdacht, der Hahn sei des Teufels und aus den Eiern könnten Mischwesen schlüpfen, denen man nachsagt, sie hätten den tödlichen Blick.

Im späten Mittelalter ist die weltliche und geistliche Ordnung getragen von Verwaltung, vom römischen Recht und von Gerichten. Von der Rechtswissenschaft erhoffen sich die Menschen die Lösung aller Probleme, damit die Ordnung erhalten bleibt – die auch mit Macht zu tun hat.

Wenn also ein Tier etwas tut, das dieser Ordnung widerspricht oder so ungewöhnlich ist, dass es für Unruhe in der Bevölkerung sorgt, kommt es zum Prozess. Das Tier wird zum Rechtssubjekt, ihm wird Willensfreiheit, Motiv und Böswilligkeit unterstellt. Damit kann es beschuldigt, angeklagt und verurteilt werden.

Aber wie war das eigentlich mit dem Hahn und dem Ei? Hätten die Basler 1474 beim Aufschneiden des Hahnes richtig nachgesehen, hätten sie keine zwei Hoden gefunden. Sie hätten links in der Bauchhöhle einen Eierstock entdeckt und rechts so etwas wie einen zurückgebildeten Eierstock. Denn dieser Hahn war in Wirklichkeit ein Huhn. Eine physische Anomalie, die bei Hühnern gelegentlich vorkommt.

In diesem Zeitzeichen erzählt Irene Geuer:
  • Wie 1457 im französischen Savigny eine Muttersau samt Ferkeln vor Gericht landet,
  • dass in Tierprozessen in der heutigen Schweiz, Frankreich, Flamen und Westdeutschland die Angeklagten vor Gericht befragt werden, aber naturgemäß die Aussage verweigern
  • warum in England im 18. Jahrhundert ein Kutschpferd zum Ackergaul degradiert wird,
  • welch abenteuerliche Konstruktion Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA bei der Hinrichtung einer Elefantenkuh zum Einsatz kommt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • René Hendricks, Tierarzt
  • Ferdinand Leuxner, Historiker am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte und Historische Grundwissenschaften an der Uni Würzburg
  • Peter Dinzelbacher: Das Fremde Mittelalter, Gottesurteil und Tierprozess. Essen 2006

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Autorin: Irene Geuer
Redaktion: Christoph Tiegel u. David Rother
Technik: Petra Laubach

Skandalös und schonungslos: Colette, frz. Schriftstellerin

Skandalös und schonungslos: Colette, frz. Schriftstellerin WDR Zeitzeichen 03.08.2024 14:36 Min. Verfügbar bis 04.08.2099 WDR 5

Sie schreibt von einer lesbischen Schulleiterin in der Provinz, nimmt auch sonst kein Blatt vor den Mund: Vor über 100 Jahren schreibt Colette "Autofiktion" - und revolutioniert so die französische Literatur. Am 3.8.1954 stirbt Colette.

Die Schriftstellerin Gabrielle Sidonie Colette polarisiert mit Werken und Lebensstil. Dennoch wird sie zum Großoffizier der Ehrenlegion ernannt und nach ihrem Tod 1954 als erste Frau mit einem bombastischen Staatsbegräbnis geehrt. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Frédéric Maget, Direktor des Geburtshauses, Ehrenvorsitzender der Association des Amis de Colette, Biograph***


Sidonie-Gabrielle Claudine Colette polarisiert 1900 schon mit ihrem ersten Roman "Claudine erwacht". Er handelt von einem störrischen jungen Mädchen der 1880er-Jahre in einem kleinen Dorf in Burgund, von einer lesbischen Schulleiterin, die gleichzeitig eine Geliebte und ein Verhältnis mit einem verheirateten Arzt hat - sowie von allerhand verderbten Klassenkameradinnen.

Schnell lernt Colette, dass sich mit Skandalen gutes Geld verdienen lässt. Sie tritt zusammen mit ihrer Gönnerin und Intimfreundin, der nur Männerkleidung tragenden hochadeligen Missy, halbnackt im Moulin Rouge auf und küsst sie auf offener Bühne. Die Pantomime wird polizeilich verboten. Wohlgemerkt: wir schreiben das Jahr 1907.

1910 folgt ein Berufswechsel: Colette wird Journalistin bei der seriösen Tageszeitung "Le Matin", wagt sich als erste Passagierin in ein Flugzeug, verfasst Kolumnen, Kritiken und Gerichtsberichte, heiratet Baron Henry de Jouvenel, einen der Chefredakteure, und schreibt unermüdlich weiter. Immer nur von dem, was sie sieht, kennt, erlebt.

Mit ihren scheinbar leichthin geschriebenen psychologischen Werken und ihrem locker gelebten Leben erobert sie die Herzen der Franzosen. Sie gilt als Wunder- und Naturkind der Literatur. Frankreich ernennt sie als erste Frau zum Offizier der Ehrenlegion. Als sie am 3. August 1954 nach Jahren schwerer Krankheit stirbt, erhält sie, wiederum als erste Frau, ein Staatsbegräbnis. Über sechstausend Trauergäste defilieren an ihrer Bahre vorbei.

In diesem Zeitzeichen erzählt Sabine Mann:
  • Wie Colette sich mit ihrem ersten Roman an einem ganzen Dorf rächt,
  • wie Colettes Ehemann "Willy" Henry Gauthier-Villars die Talente seiner Frau fördert und gleichzeitig ausnutzt,
  • auf welch zahlreichen Feldern Colette sich tummelt um Geld zu verdienen,
  • wie das einst verhasste Heimatdorf inzwischen von seiner berühmten Tochter profiitert.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Frédéric Maget, Direktor des Geburtshauses, Ehrenvorsitzender der Association des Amis de Colette, Biograph.
  • Frédéric Maget: Colette, Ecrire, pouvoir écrire, Schweiz 2023
  • Frédéric Maget: Notre Colette, Paris 2023

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Autorin: Sabine Mann
Redaktion: David Rother
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Der größte Hit des Zweiten Weltkriegs: Das Lied "Lili Marleen"

Der größte Hit des Zweiten Weltkriegs: Das Lied "Lili Marleen" WDR Zeitzeichen 02.08.2024 14:47 Min. Verfügbar bis 03.08.2099 WDR 5

Am 2.8.1939 wird die Studioaufnahme des Liedes "Lili Marleen" der Sängerin Lale Anderson fertig. Erst ein Flop - dann wird das Lied durch einen Zufall ein Welterfolg.

Der Text wird während des Ersten Weltkrieges geschrieben, die Aufnahme entsteht im August 1939. Doch erst im Zweiten Weltkrieg wird der Schlager "Lili Marleen" 1941 zum Hit - auf beiden Seiten der Front: bei der Wehrmacht und bei den US-Truppen. *** Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: Julia Kahleyß (Leiterin des Stadtarchivs Bremerhaven); Heike Frey: Lili Marleen hatt‘ einen Kameraden - Musik in der Wehrmacht-Truppenbetreuung 1939-1945. Münster 2020 ***


Den Text zu "Lili Marleen" schreibt 1915 der Infanterist Hans Leip. Der junge Mann ist erfüllt von düsterer Todesahnung: Am nächsten Tag soll seine Einheit an die Karpatenfront verlegt werden. Dabei ist er gerade in zwei Mädchen verliebt: Die blonde Lili und die dunkle Marleen. Das Gedicht landet 1937 in seiner ersten Lyriksammlung. Dort entdeckt es die Sängerin Lale Andersen, die auf der Suche nach Liedern für ihr Bühnenprogramm ist.

1939 wird das Gedicht vertont und aufgenommen. Das "Lied eines jungen Wachtpostens" ist zunächst ein Ladenhüter. Erst mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Jugoslawien taucht es 1941 aus der Versenkung auf. In Belgrad wird ein Soldatensender aufgebaut, der die Front mit der Heimat verbinden soll.
Auch "Lili Marleen" landet dort auf dem Plattenteller. Schnell entwickelt sich ein wahrer Hype: Der Sender Belgrad richtet eine abendliche Grußsendung ein, die er immer um kurz vor 22 Uhr mit dem Lied beendet. So wird der wehmütige kleine Schlager zur Verbindung zwischen den Soldaten und den Lieben daheim.

Doch auch bei den alliierten Soldaten wird das Lied ein großer Erfolg. Als es ihnen nicht gelingt, den Song zu unterdrücken, beschließen sie, ihn zu kapern und eigene Versionen herauszubringen. Besonders berühmt wird die Fassung von Marlene Dietrich, die es vor den GI’s an der Westfront singt. "Lili Marleen" wird der erste deutsche Millionenseller.

In diesem Zeitzeichen erzählt Christiane Kopka:
  • was Lale Andersen in jungen Jahren für ihre Karriere aufgibt,
  • wie die Sängerin sich zunächst mit den Nazis arrangiert,
  • wie deutsche und britische Soldaten in Nordafrika gemeinsam "Lili Marleen" lauschen,
  • mit welchem Text die BBC das Lied persifliert,
  • wie "Lili Marleen" vielleicht Lale Andersens Leben rettet.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Dr. Julia Kahleyß, Leiterin des Stadtarchivs Bremerhaven
  • Norbert Schultze, Komponist (aus WDR Hörfunk-Archiv)
  • Christian Peters: Lili Marleen - Ein Schlager macht Geschichte. Stiftung Haus der Geschichte. Bonn 2001
  • Lale Andersen: Der Himmel hat viele Farben - Leben mit einem Lied. Stuttgart 1972
  • Gisela Lehrke: Wie einst Lili Marleen - Das Leben der Lale Andersen. Berlin 2002
  • Heike Frey: Lili Marleen hatt‘ einen Kameraden - Musik in der Wehrmacht-Truppenbetreuung 1939-1945. Münster 2020

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Autorin: Christiane Kopka
Redaktion: Matti Hesse
Technik: Theo Kramer

Die Eröffnung des Berliner Zoos (am 1.8.1848)

Die Eröffnung des Berliner Zoos (am 1.8.1848) WDR Zeitzeichen 01.08.2024 14:37 Min. Verfügbar bis 02.08.2099 WDR 5

Der Wandel des Berliner Zoos: Von der Faszination des Tieres als fremde Kreatur zur modernen Schutzeinrichtung und Tieren als Botschafter für den Naturschutz.

Kängurus, Singvögel, Wasserschildkröten, Goldfische, Füchse, Dachse, Affen - bei der Eröffnung des Berliner Zoos im August 1844 ist die Anzahl der präsentierten Tierarten übersichtlich. Die Besucher werden mit Verbotschildern auf den korrekten Umgang mit ihnen hingewiesen: Die Tiere dürfen weder gefüttert und noch mit Stöcken oder Regenschirmen gepiesackt werden. *** Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner: Andreas Knieriem (Direktor des Berliner Zoos), Tobias Rahde (Berliner Nashorn-Kurator), Cord Riechelmann (Biologe) ***


Die Eröffnungs-Inventur des Zoos Berlin im Hochsommer 1844 dauert nicht sehr lange. Der Tierbestand ist noch dünn: "Fünf Kängurus. 46 Stück kleine Singvögel. Wasserschildkröten und Goldfische. Drei Nordische Füchse. Zwei Dachse, aus hiesiger Gegend. 24 verschiedene Affen, die böseren im Käfig, die verträglicheren im Freien" sind auf vier Seiten aufgelistet.

Die heute seltsam erscheinende Einteilung in gute und böse Wesen könnte man allerdings auch auf die Zoo-Besucher anwenden. Darauf deuten unmissverständlich einige Verbotsschilder hin: Die Tiere sollen nicht mit Stöcken oder Regenschirmen gepiesakt werden oder dürfen kein mitgebrachtes Futter bekommen.

In den ersten Tiergärten sind auch nicht nur Tiere zu sehen. In sogenannten "Völkerschauen" werden Menschen aus fernen Ländern "ausgestellt". In Berlin zum Beispiel eine Gruppe "Feuerländer" aus Südamerika.

Früher ist in den Zoos tatsächlich die Faszination für das einzelne Individuum wichtig: Das Tier, die Kreatur, das Fremde. Heute ist der Auftrag ein anderer. Es geht um den Schutz bedrohter Tierarten. Selbstverständlich immer von Menschen bedroht, die Natur bedroht sich eigentlich nie selbst. Zoo-Besucher sollen in ihrem naturwissenschaftlichem Engagement gestärkt werden.

In diesem Zeitzeichen erzählt Jürgen Werth:
  • welche fragwürdigen Angebote der Tierhändler und Schausteller Carl Hagenbeck den ersten Zoos macht,
  • wie der Wiener Verhaltensforschers Ludwig Huber ein neues Verständnis für den Umgang mit Tieren liefert,
  • welche unvorstellbare Zahl Nachkommen auf den Nilpferd-Bullen "Knautschke" zurückgehen,
  • welche Kritik es am "Arche-Noah-Prinzip" der Zoos gibt.

Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner:
  • Andreas Knieriem (Direktor des Berliner Zoos)
  • Tobias Rahde (Berliner Nashorn-Kurator)
  • Cord Riechelmann (Biologe)
  • Katja Lange-Müller (Schriftstellerin)

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Die Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Jürgen Werth
Redaktion: Matti Hesse

Pilot und Autor des "Kleinen Prinzen": Antoine de Saint-Exupéry

Pilot und Autor des "Kleinen Prinzen": Antoine de Saint-Exupéry WDR Zeitzeichen 31.07.2024 14:52 Min. Verfügbar bis 01.08.2099 WDR 5

Am 31.7.1944 startet er von Korsika auf einen Aufklärungsflug. Und: in den Tod. Dass sein Ruhm als Autor des "Kleinen Prinzen" unsterblich machen wird, ahnt er wohl nicht.

Warum die Maschine von Antoine de Saint-Exupéry im Zweiten Weltkrieg abstürzt, ist ungeklärt. Ist die Ursache ein technischer Defekt oder der Abschuss durch einen deutschen Jagdflieger? Sicher ist: Die Flugleidenschaft des Autors und sein Werk sind untrennbar miteinander verbunden. *** Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: Joseph Hanimann (Saint-Exupéry-Biograf), Marion Weckerle (Kuratorin der Saint-Exupéry-Ausstellung im Luftfahrtmuseum in Paris) ***


Die Umstände des Todes von Antoine de Saint-Exupéry sind bis heute ungeklärt. Der Schriftsteller ist am 31. Juli 1944 mit einer zweimotorigen Lockheed P-38 auf einem Aufklärungsflug über dem Mittelmeer unterwegs, als seine Maschine vor Marseille abstürzt. Ist die Ursache es ein technischer Defekt? Oder hat ihn ein deutscher Jagdflieger vom Himmel geholt?

Seine Flugleidenschaft prägt jedenfalls sein Werk. Auch beim Schreiben des "Kleine Prinzen" greift er auf seine Erlebnisse als Pilot zurück, etwa auf seinen Absturz in der Wüste und die Rettung durch Nomaden. Sein Biograf Joseph Hanimann sagt, Saint-Exupéry sei nur Schriftsteller geworden, weil er geflogen sei und das Fliegen schriftstellerisch nachbereitet habe: "Das eine ging bei ihm nicht ohne das andere."

In diesem Zeitzeichen erzählt Ralph Erdenberger:
  • welcher spätere Sportjournalist der Meinung ist, er habe Saint-Exupéry abgeschossen,
  • welchen Hinweis auf den Absturzort ein Fischer 1998 in seinem Netz findet,
  • wie Saint-Exupérys Flugleidenschaft in seinen Kindertagen geweckt wird,
  • welche Schritte die Flugkarriere des Schriftstellers umfasst,
  • wie seine Flugerfahrung sein Werk als Autor prägt.

Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner:
  • Joseph Hanimann (Saint-Exupéry-Biograf)
  • Marion Weckerle (Kuratorin der Saint-Exupéry-Ausstellung im Luftfahrtmuseum in Paris)

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Die Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Ralph Erdenberger
Redaktion: Matti Hesse

Der Beauty-Gigant: Eugène Schueller gründet L'Oréal

Der Beauty-Gigant: Eugène Schueller gründet L'Oréal WDR Zeitzeichen 30.07.2024 14:10 Min. Verfügbar bis 31.07.2099 WDR 5

Eugène Schueller ist der Erfinder eines Haarfärbemittels, das weniger schädlich für Haare und Kofhaut ist. Am 30. Juli 1909 gründet er L'Oréal - der heute mit Abstand größte Kosmetikkonzern der Welt.

Arbeit und Disziplin prägen Eugéne Schuellers Leben. Mit nur 800 Franc in der Tasche gründet er am 30. Juli 1909 seine eigene Firma, die "Société Française des Teintures Inoffensives pour Cheveux" - die französische Gesellschaft für nicht-aggressive Haarfarben. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Dr. Alexandra Karentzos, Humanwissenschaftliches Institut, TU Darmstadt ***


Am 30. Juli 1909 gründet der Chemiker Eugène Schueller in Paris eine kleine Firma, aus der sich L’Oréal entwickelt, heute der weltweit größte Beauty-Konzern. Schuellers innovative Haarfärbemittel revolutionieren die Branche und legen den Grundstein für ein Imperium, das mittlerweile Produkte von Marken wie Lancôme, Armani und Garnier vertreibt.

Schönheit, was bedeutet das eigentlich? Diese Frage beschäftigt die Menschheit seit jeher und ist eng verbunden mit der Manipulation des äußeren Erscheinungsbildes. L’Oréal hat über die Jahrzehnte hinweg diesen Drang nach äußerer Schönheit erkannt und geformt.

Es gibt auch ein dunkles Kapitel in der Geschichte des Konzerns. Der Gründungsvater von L'Oréal sympathisiert in den 30er Jahren mit den Nationalsozialisten und dem Vichy-Regime. Vom Konzern wird das bis heute als "Privatsache der Familie" abgetan.

In diesem Zeitzeichen erzählt Kay Bandermann:
  • wie aus dem Färbeprodukt „Auréole“ der größte Kosmetikkonzern der Welt wird,
  • warum sich das Konzept Schönheit nicht von Körperpolitik trennen lässt,
  • warum der Konzern die politischen Aktivitäten des Firmengründers nicht aufarbeitet,
  • wie die Beautyindustie heute erfolgreich auf das Konzept "Influencermarketing" setzt,
  • und was daran problematisch ist.

Das sind unsere wichtigsten Interviewpartnerinnen:
  • Dr. Alexandra Karentzos, Humanwissenschaftliches Institut, TU Darmstadt
  • Ines Imdahl, Tiefenpsychologin und Marktforscherin
  • Stefanie von Albert, Douglas-Einkaufschefin

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Kay Bandermann
Redaktion: Sefa-Inci Suvak
Technik: Sarah Fitzek

Meilenstein der Diplomatie: Die Haager Friedenskonferenz

Meilenstein der Diplomatie: Die Haager Friedenskonferenz WDR Zeitzeichen 29.07.2024 14:49 Min. Verfügbar bis 30.07.2099 WDR 5

Am 29.7.1899 endet die erste Haager Friedenskonferenz: Den Frieden sichern konnte sie nicht, sie regelte den Krieg. Trotzdem ist die Konferenz bedeutsam - bis heute.

Initiator der ersten Friedenskonferenz ist Zar Nikolaus II. von Russland, der auf die Notwendigkeit hinweist, den Frieden durch internationale Beratungen zu sichern. Mit ihm versammeln sich am 29. Juli 1899 Vertreter aus 26 Ländern im neutralen Den Haag. *** Das sind unsere wichtigsten Quellen/Interviewpartner: Madeleine Herren-Oesch vom Europainstitut in Basel ***


Den Haag, im Sommer des Jahres 1899: In der prachtvollen Umgebung des Huis ten Bosch, der Sommerresidenz der jungen Königin Wilhelmina von Oranien-Nassau, versammeln sich Diplomaten aus aller Welt zu einer historischen Zusammenkunft.

Die Konferenz resultiert in drei wichtigen Abkommen: eines zur friedlichen Beilegung internationaler Streitigkeiten, eines zu den Gesetzen und Gebräuchen des Landkrieges und eines zur Ausdehnung der Genfer Konvention auf den Seekrieg.

Es ist die erste von vielen Friedenskonferenzen, ein Meilenstein in der Geschichte des internationalen Rechts und der Diplomatie. Ein Vorbote der Moderne, mit einer aktiven zivilen Öffentlichkeit und einer frühen Form der Medienberichterstattung.

Diese erste Versammlung legt den Grundstein für zukünftige internationale Bemühungen um Frieden und Sicherheit. Obwohl hier eigentlich nicht Frieden verhandelt, sondern Kriege geregelt werden.

In diesem Zeitzeichen erzählt Claudia Friedrich:
  • Von der Gründung des Ständigen Schiedshofes, der bis heute eine zentrale Rolle spielt,
  • welchen Beitrag Jan Bloch, Zar Nikoloas II., und Bertha von Suttner zum Zustandekommen der ersten Friedenskonferenz leisten,
  • wieso die Konferenz in einer Phase gegenseitiger Hochrüstung und Modernisierung der Waffentechnik gerade zur richtigen Zeit kommt,
  • warum die Abrüstungsbestrebungen trotz idealistischer Ziele nur als "wünschenswert" anerkannt, und nicht Teil des Friedensabkommens selbst werden,
  • und wie diese und weitere Konferenzen zwar keinen Krieg verhindern, aber die Grundlage für das humanitäre Völkerrecht schaffen.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:

Und das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin:
  • Madeleine Herren-Oesch vom Europainstitut in Basel

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Autorin: Claudia Friedrich
Redaktion: Matti Hesse

Unangepasst und erfolgreich: Schnittmuster-Königin Aenne Burda

Unangepasst und erfolgreich: Schnittmuster-Königin Aenne Burda WDR Zeitzeichen 28.07.2024 14:13 Min. Verfügbar bis 29.07.2099 WDR 5

Aenne Burda hat ein großes Ziel: Sie will das Leben der deutschen Nachkriegsfrauen schöner und eleganter machen. Mit Schnittmustern für Kleider.

Aenne Burdas unermüdlicher Ehrgeiz zeigt sich schon früh. Gegen den Widerstand ihrer streng katholischen Mutter setzt sie den Besuch einer Klosterschule durch und absolviert in den 1920er Jahren eine Ausbildung bei einem Elektrizitätswerk. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Marianna Déri (Modedesignerin in Düsseldorf)***


Ihre Rolle als Verlegerin beginnt nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Zeiten sind schwierig, das Leben ist grau und eintönig. Doch Aenne Burda hat eine Idee: ein Modemagazin mit praktischen Schnittmustern, das den Frauen ermöglicht, ihre eigene Kleidung zu nähen.

Im Januar 1950 erscheint die erste Ausgabe von "Burda Moden" mit einer Auflage von 100.000 Exemplaren. Ein gewagtes Unterfangen, das zum Erfolg wird – weltweit. In den 1980er Jahren erscheint das Blatt als erste westliche Zeitschrift in Russland – ein Erfolg, der bis in die Politik nachhallt.

Aenne Burda wird am 28. Juli 1909 geboren. In der von Männern dominierten Verlagswelt geht sie ihren eigenen Weg. Mit ihrer Vision und ihrem Engagement revolutioniert und demokratisiert sie die Modewelt. Ihr Ziel ist klar: den Frauen der Nachkriegszeit Schönheit, Eleganz, Kreativität und ein Gefühl von Selbstvertrauen zu geben.

In diesem Zeitzeichen erzählt Irene Dänzer-Vanotti:
  • Wie aus der Lokomotivführertochter Anna Lemminger die Modekönigin Aenne Burda wird,
  • wie ihr klarer und harter Führungsstil ihr dabei geholfen hat,
  • vor welche Wahl Aenne ihren Mann stellt, um die Zeitschrift verlegen zu können,
  • warum sie mit "Burda Mode" den Nerv der Zeit trifft,
  • und wie sie schließlich erfolgreicher wird als ihr Mann.

Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin:
  • Marianna Déri (Modedesignerin in Düsseldorf)

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Autorin: Irene Dänzer-Vanotti
Redaktion: Christoph Tiegel und Sefa Suvak

Der Komponist Ferruccio Busoni stirbt in Berlin (am 27.7.1924)

Der Komponist Ferruccio Busoni stirbt in Berlin (am 27.7.1924) WDR Zeitzeichen 27.07.2024 14:23 Min. Verfügbar bis 28.07.2099 WDR 5

Kritiker rühmen Ferruccio Busonis Virtuosität: "Es gibt gute Pianisten und es gibt große Pianisten. Und es gibt Busoni." Doch der Klassik ist der Komponist und Dirigent zu modern, der Moderne zu klassisch.

Am 27. Juli 1924 stirbt Busoni, und mit ihm endet ein Leben voller Kreativität und kultureller Synthese. Seine Berliner Wohnung, ein Zentrum künstlerischen Austauschs, wird aufgelöst, und seine umfangreiche Bibliothek versteigert. ***Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Reinhard Ermen, Biograf***


Als unermüdlicher Künstler reist er um die Welt, um mit seinem virtuosen Klavierspiel und seinen Kompositionen Geld zu verdienen. Doch Ferruccio Busoni ist weit mehr als nur ein Musiker. Er ist eine universelle Künstlerfigur, die die Traditionen der Renaissance in die moderne Musik überträgt.

Ferruccio Busoni wird 1866 in Empoli, Italien geboren. Er lebt für die Kunst und gestaltet sein Leben als ein Gesamtkunstwerk, wie es der Komponist Wolfgang Rihm beschreibt: "Kunst und Leben als Einheit, die komponierte Existenz."

Busonis musikalisches Erbe umfasst nicht nur seine eigenen Werke, sondern auch seine tiefgehenden Interpretationen und Bearbeitungen von Bach, Chopin und Mozart. Seine Kompositionen zeichnen sich durch intellektuelle Tiefe und technische Brillanz aus, wie etwa die "Fantasia contrappuntistica", eine Vollendung von Bachs unvollendeter "Kunst der Fuge".

Obwohl Busoni in der deutschen Musikkultur verwurzelt ist, prägen ihn seine italienischen Wurzeln ebenso wie seine internationale Karriere. Er ist ein Grenzgänger zwischen den Kulturen und Epochen, stets auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten.

In diesem Zeitzeichen erzählt Michael Struck-Schloen:
  • Von der letzten Geburtstagsfeier Busonis,
  • warum der Pianist in der Tradition der universellen Künstlerfiguren der Renaissance steht,
  • wie der Künstler eine Synthese aus Vergangenheit und Gegenwart schafft,
  • was die "Erklärung der Menschenrechte der Musik" ist,
  • und warum seine letzte Oper unvollendet bleibt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Gottfried Galston: Kalendernotizen über Ferruccio Busoni, mit Anm. und einem Vorwort hrsg. von Martina Weindel, Wilhelmshaven 2000.
  • Ferruccio Busoni: Von der Einheit der Musik, von Dritteltönen und junger Klassizität, von Bühnen und Bauten und anschliessenden Bezirken, Berlin 1922.
  • Ferruccio Busoni: Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst, hrsg. von H. H. Stuckenschmidt, Wiesbaden 1954.

Und das ist unser Interviewpartner:
  • Reinhard Ermen, Biograf

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Autor: Michael Struck-Schloen
Redaktion: Frank Zirpins

Heinrich VI. und der dramatische "Erfurter Latrinensturz"

Heinrich VI. und der dramatische "Erfurter Latrinensturz" WDR Zeitzeichen 26.07.2024 14:29 Min. Verfügbar bis 27.07.2099 WDR 5

Nur mit großer Anstrengung entgeht König Heinrich am 26.07.1184 dem Absturz in eine Jauchegrube. Viele Menschen sterben in der Kloake. Was ist damals in Erfurt los?

Überbelastete Balken, volle Latrine - diese Kombination kostet 1184 vielen Menschen das Leben. Beim Hoftag von König Heinrich VI. ist eine so große Menge an Würdenträgern versammelt, dass der Boden des Gebäudes die Last nicht tragen kann. Die Männer stürzen in die darunter befindliche Kloake. Der König gehört nicht zu den Opfern - dank Glück und Körperkraft. *** Das ist unserer Interviewpartner: Michael Kister (Historiker, Doktorand, München) ***


Ein König im konfliktreichen Mittelalter muss gut vermitteln können. Dafür ist der junge Heinrich VI. bestens ausgebildet. Sein erster Job führt ihn nach Erfurt. Denn in Thüringen bekriegen sich 1184 zwei hohe Reichsfürsten. Der Erzbischof von Mainz besitzt Erfurt und weite Landesteile. Der Landgraf von Thüringen macht sie ihm streitig, auch mit Gewalt.
Am Ende des diplomatischen Ringens um einen Kompromiss steht die Versammlung aller Parteien. Man trifft sich wahrscheinlich in der Propstei des Marienstifts, um den Fall abzuschließen. Geschätzt bis zu 100 Männer stapfen am 26. Juli die Treppen hoch. Viele mit Rüstungen und Schwertern. Der König und die Streithähne sitzen in einem Fenstererker, damit sie über den anderen thronen und sich ungestört besprechen können.
Doch dann brechen Balken und der Holzboden im oberen Stockwerk stürzt unter der Last der Menge nach unten. Ritter in ihren Rüstungen, Tische und Stühle, Schränke, Balken, Bretter, alles stürzt in die gewaltige Jauchegrube, die sich unten im Gebäude befindet. Wie viele Männer genau in den Fäkalien versinken und sterben, ist nicht überliefert. Geschätzt kommen 50 bis 100 Menschen ums Leben. König Heinrich VI. gehört nicht zu den Opfern.

In diesem Zeitzeichen erzählt Heiner Wember:
  • Was ein Fenstersims mit dem Überleben von Heinrich VI. zu tun hat,
  • wie einige der herabgestürzten Männer dank des Abflusssystems dem Tod entrinnen,
  • worauf die Statik beim Hausbau im Mittelalter beruht,
  • wer der Vater von König Heinrich VI. ist,
  • warum Heinrichs Rettung auch für das Reich ein Glücksfall ist.

Das ist unser wichtigster Interviewpartner:
  • Michael Kister (Historiker, Doktorand, München)

Weiterführender Link:

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Autor: Heiner Wember
Redaktion: Matti Hesse
Technik: Alexander Buske

Preußischer Abenteurer und Ausbrecher: Friedrich von der Trenck

Preußischer Abenteurer und Ausbrecher: Friedrich von der Trenck WDR Zeitzeichen 25.07.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 26.07.2099 WDR 5

Im Kerker schrieb Friedrich von der Trenck mit seinem eigenen Blut Spottgedichte zwischen die Zeilen einer Bibel: nur eine Episode im abenteuerlichen Leben des Offiziers und Revolutionärs, der am 25.7.1794 in Paris hingerichtet wurde.

Spekulationen über den Grund für die erste von vielen Inhaftierungen Friedrich von der Trencks reichen von einer angeblichen Affäre mit der Schwester des Königs bis zum Verdacht des Landesverrats während des Schlesischen Krieges. ***Das ist unsere wichtigste Quelle: Christopher Frey: Der Preuße von Zwerbach. Das ruhelose Leben des Friedrich von der Trenck im Spiegel der Familienkorrespondenz. St. Pölten 2019.***


Friedrich von der Trenck ist ein preußischer Offizier und Abenteurer, dessen Leben von radikalen Ansichten und ständigen Konflikten mit der Obrigkeit geprägt ist. Geboren 1727 in Königsberg, dient er bereits mit 18 Jahren im Garderegiment Friedrichs II.

Trenck ist ein rastloser Geist, der es versteht, aus jeder Lage eine dramatische Geschichte zu machen. In seinen Memoiren schreibt er von spektakulären Ausbrüchen aus preußischen Festungen und den darauffolgenden abenteuerlichen Fluchten. Sie machen ihn europaweit bekannt.

In seinen Schriften wettert er gegen die Willkür der absolutistischen Herrscher und für demokratische Ideen. Doch sein radikaler Ton und sein unbändiger Egoismus bringen ihm viele Feinde ein. In Paris wird er zunächst als Held der Revolution gefeiert, doch die politischen Wirren und Verdächtigungen bringen ihn schließlich ins Gefängnis.

Am 25. Juli 1794 wird Friedrich von der Trenck in Paris hingerichtet, nur drei Tage bevor die Schreckensherrschaft der Jakobiner endete.

In diesem Zeitzeichen erzählt Christoph Vormweg:
  • warum Friedrich von der Trenk in Österreich und Preußen nicht mehr willkommen ist,
  • was seine Gefängnisausbrüche so spektakulär macht,
  • welche innovativen Ideen es ihm ermöglichen, trotz widrigster Umstände in Einzelhaft zu schreiben,
  • wie er sich in Paris als Opfer des Despotismus feiern lässt
  • und die Stadt letztendlich für ihn zur Sackgasse wird.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • Christopher Frey: Der Preuße von Zwerbach. Das ruhelose Leben des Friedrich von der Trenck im Spiegel der Familienkorrespondenz, St. Pölten 2019.
  • Eberhard Cyran (Hrsg.): Des Friedrich Freiherrn von der Trenck merkwürdige Lebensgeschichte. Memoiren und Historie, Berlin / Frankfurt am Main / Wien 1983.
  • Walter Grab: Ein Volk muss seine Freiheit selbst erobern. Zur Geschichte der deutschen Jakobiner, Frankfurt am Main / Olten / Wien 1984.

Und das ist unser Interviewpartner:
  • Dr. Christopher Frey (Wien)

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Christoph Vormweg
Redaktion: Christoph Tiegel und David Rother
Technik: Thomas Bleul

Die "Küchendebatte" zwischen Nixon und Chruschtschow

Die "Küchendebatte" zwischen Nixon und Chruschtschow WDR Zeitzeichen 24.07.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 25.07.2099 WDR 5

Mitten im Kalten Krieg streiten zwei der mächtigsten Männer der Welt - über Einbauküchen. Am 24.7.1959 liefern sich Richard Nixon und Nikita Chruschtschow die legendäre "Küchendebatte".

"Sie sind ein Anwalt des Kapitalismus! Und ich bin ein Anwalt des Kommunismus! Lassen sie uns wettstreiten!" Als US-Vizepräsident Richard Nixon 1959 in Moskau den sowjetischen Premier Nikita Chruschtschow trifft, wird die Frage nach dem besseren System anhand amerikanischer Einbau-Küchen diskutiert. *** Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: Bernd Greiner (Historiker und Gründungsdirektor Berlin Kolleg "Kalter Krieg"); Shane Hamilton (Wirtschaftshistoriker Universität York); Odd Arne Westad: Der Kalte Krieg. Eine Weltgeschichte. Stuttgart, 2019 ***


Mitten im Kalten Krieg scheint es auf einmal Tauwetter zu geben. Nach dem Tod Stalins im März 1953 steht Nikita Chruschtschow an der Spitze der Sowjetunion. Viele hoffen seither auf Entspannung zwischen den beiden Supermächten.
Schon im Juni 1959 gibt es eine erste sowjetische Industrieausstellung in New York. Einen Monat später eröffnet am 24. Juli 1959 die amerikanische Landesausstellung im Moskauer Sokolniki-Park. Dort treffen US-Vizepräsident Richard Nixon und der sowjetische Partei- und Regierungschef Chruschtschow aufeinander. Es geht um die Frage: Welches System ist das bessere? Der Sozialismus oder der Kapitalismus?
Für Chruschtschow ist klar: "Lasst uns wetteifern, wer die meisten Güter für die Menschen produzieren kann. Dieses System ist besser und wird gewinnen." Nixon ist da ganz anderer Ansicht - und präsentiert Chruschtschow beim Rundgang durch die Ausstellung eine moderne amerikanische Einbauküche.

In diesem Zeitzeichen erzählt Andrea Kath:
  • Wie Chruschtschow auf Nixons Küchen-Präsentation reagiert,
  • welche Wortgefechte sich Nixon und Chruschtschow vor Ort liefern,
  • wer die "Küchendebatte" nach Punkten gewinnt,
  • wie sich die Auseinandersetzung auf die atomare Aufrüstung auswirkt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Bernd Greiner (Historiker und Gründungsdirektor Berlin Kolleg "Kalter Krieg")
  • Shane Hamilton (Wirtschaftshistoriker Universität York)
  • Shane Hamilton und Sarah Phillips: The Kitchen Debate and Cold War Consumer Politics. Boston und New York City, 2014
  • Ruth Oldenziel und Karin Zachmann: Cold War Kitchen, Americanization, Technology and European Consumers. Cambridge, 2009
  • Odd Arne Westad: Der Kalte Krieg. Eine Weltgeschichte. Stuttgart, 2019

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Autorin: Andrea Kath
Redaktion: David Rother

Die Reliquien der Heiligen Drei Könige kommen nach Köln

Die Reliquien der Heiligen Drei Könige kommen nach Köln WDR Zeitzeichen 23.07.2024 14:49 Min. Verfügbar bis 24.07.2099 WDR 5

Eigentlich sind es nur drei Skelette, aber sie haben Köln mit Pilger-Tourismus reich gemacht. Am 23.7.1164 kamen die Reliquien der heiligen drei Könige nach Köln.

Nachdem die Heiligen Drei Könige in Bethlehem Jesus gehuldigt haben, verliert sich ihre Spur. Erst viel später tauchen ihre angeblichen Überreste in Mailand auf. Dann nimmt Kaiser Barbarossa im 12. Jahrhundert die norditalienische Stadt ein - und übergibt die Gebeine dem ihm ergebenen Kölner Erzbischof Rainald von Dassel. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Professor Manfred Becker-Huberti (langjähriger Sprecher des Erzbistums Köln, Buchautor in der Heiligen- und Brauchtumsforschung) ***


In der Bibel oder ihren Übersetzungen gibt es die ein oder andere Ungenauigkeit. So auch bei den Heiligen Drei Königen. Im Matthäus Evangelium werden sie als "Magoi" bezeichnet, was später fälschlicherweise in "Magier" übersetzt wird. Tatsächlich meint Matthäus wohl den Stamm der Mager, einer Priesterkaste aus Persien.

Der Stern führt sie zu Jesus in der Krippe, sie huldigen ihm und beschenken ihn. Danach verliert sich ihre Spur, bis ihre angeblichen Überreste Jahrhunderte später nach Mailand gelangen.
Dort haben die Reliquien der Heiligen Drei Könige eine ganze Weile ihre Ruhe. Bis Kaiser Barbarossa 1162 die widerspenstigen norditalienischen Staaten auf Linie bringen will und vor Mailand steht. An seiner Seite der Kölner Erzbischof Rainald von Dassel.

Mailand wird eingenommen und geplündert. Da Barbarossa mit Reliquien nicht viel anzufangen weiß, vermacht er diverse Knochen dem treuen Kölner Erzbischof. Darunter angeblich auch die der Heiligen Drei Könige. Rainald von Dassel erkennt schnell, was man mit den Gebeinen anstellen kann.
Kaum sind die Reliquien in Köln, da strömen auch schon die ersten Pilger herbei. Und obwohl ihr Erzbischof schon bald nach der Reliquien-Übergabe wieder aufbricht - seine großartige Gabe werden ihm die Kölner nie vergessen.

In diesem Zeitzeichen erzählt Marko Rösseler:
  • mit welcher List Erzischof von Dassel sich auf dem Weg von Mailand nach Köln Wegelagerer und Reliquienräuber vom Hals hält,
  • warum sich die Zahl der heiligen Könige bei der Drei einpendelt,
  • wie die Mutter Konstantins der katholischen Kirche eine Flut an Reliquien beschert,
  • welche Rolle die Reliquien für den Baubeginn des Kölner Doms 1248 spielen,
  • warum die Frage nach der Echtheit der Gebeine kaum mit einem klaren "Ja" beantwortet werden kann.

Das ist unser wichtigster Interviewpartner:
  • Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti, langjähriger Sprecher des Erzbistums Köln. Buchautor in der Heiligen- und Brauchtumsforschung.

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Autor: Marko Rösseler
Redaktion: Sefa Inci Suvak

New Yorker Verbrecherkönigin aus Kassel: Fredericka Mandelbaum

New Yorker Verbrecherkönigin aus Kassel: Fredericka Mandelbaum WDR Zeitzeichen 22.07.2024 14:50 Min. Verfügbar bis 23.07.2099 WDR 5

Am 22.7.1884 wurde Fredericka Mandelbau, Kopf des organisierten Verbrechens in New York, verhaftet: Wie kam es zum Aufstieg und Fall der Meisterhehlerin?

Fredericka Mandelbaum fängt klein an: Zu Beginn ihrer Karriere führt sie einen Kurzwarenladen in Manhattan. Dann organisiert sie von dort aus ihre kriminellen Aktivitäten in New York und schließlich in den gesamten USA, Mexiko, Kanada und Europa. *** Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: Margalit Fox (Journalistin, Biografin); Herbert Asbury: The Gangs Of New York. An Informal History of the Underworld. London 2002 ***


1850 entsteigt die 25-jährige Fredericka Mandelbaum mit ihrem Mann Wolfe dem elenden Unterdeck eines Auswandererschiffes. Die Mandelbaums kommen aus Deutschland und lassen sich direkt in Kleindeutschland nieder, der mit 50.000 Bewohnern größten Einwanderer-Enklave New Yorks.

In Deutschland verdienen die Mandelbaums ihren kargen Lebensunterhalt als Hausierer, als Verkäufer wiederverwerteten Mülls. Auf die gleiche Art versuchen sie es auch in Kleindeutschland. Ihre Aufstiegschancen sind damit äußerst überschaubar.

Doch Fredericka Mandelbaum baut eine kriminelle Organisation auf, mit der sie zu ungeheurem Reichtum gelangt. Von ihrem kleinen Kurzwarenladen in Manhattan aus organisiert sie ihre kriminellen Aktivitäten in New York und darüber hinaus in den gesamten USA, Mexiko, Kanada und bis nach Europa.
Bis 1884 wächst ihre Organisation zur größten kriminellen Vereinigung New Yorks. Am 22. Juli 1884 endet mit ihrer Festnahme Mandelbaums kriminelle Karriere in New York. Im Gefängnis aber landet sie nicht.

In diesem Zeitzeichen erzählt Martin Herzog:
  • welche Schätze die Pinkerton-Detektive bei der Festnahme in Fredericka Mandelbaums Kurzwarenladen finden,
  • wie Mandelbaum den Rat des Spitzels, der für ihre Verhaftung sorgt, quittiert,
  • warum Charles Dickens sich nur unter Polizeischutz in das New Yorker Kleindeutschland wagt,
  • wie sich die Königin der Unterwelt durch einen Geheimgang mit geschätzt einer Millionen Dollar im Gepäck spektakulär absetzt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Margalit Fox, Journalistin, Biografin
  • Margalit Fox: The talented Mrs. Mandelbaum. The Rise and Fall of an American Organized-Crime Boss. Random House, New York 2024 - auf Deutsch: Die furchtlose Mrs. Mandelbaum. Vom Aufstieg und Fall einer berühmt-berüchtigten Frau im New York der Gangs und Ganoven. MVG Verlag, München 2024 (erscheint im Dezember)
  • Herbert Asbury: The Gangs Of New York. An Informal History of the Underworld, Arrow Books, London 2002

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Autor: Martin Herzog
Redaktion: Matti Hesse

Der beste Radrennfahrer seiner Zeit: Eddy Merckx

Der beste Radrennfahrer seiner Zeit: Eddy Merckx WDR Zeitzeichen 21.07.2024 14:28 Min. Verfügbar bis 22.07.2034 WDR 5

Sein Spitzname war "der Kannibale", weil er seine Gegner "mit Haut und Haaren fraß". Seine sportlichen Leistungen waren spektakulär: Am 21. Juli 1974 gewann Eddy Merckx zum 5. Mal die Tour de France.

Die beiden wichtigsten Radrennen, die Tour de France und den Giro d’Italia, gewinnt er jeweils fünfmal. Insgesamt erringt Eddy Merckx in seiner Laufbahn 525 Profisiege. ***Das ist unsere wichtigste Quelle: O-Ton Reportage Dieter Zimmer***


Eddy Merckx, der beste Radrennfahrer seiner Zeit. Fünf Mal siegt er bei der Tour der France, das letzte Mal am 21. Juli 1974. Dieses Kunststück gelingt vor ihm nur Jacques Anquetil. In seiner bis heute beispiellosen Karriere gewinnt Merckx auch fünf Mal den Giro d`Italia, die Vuelta a España und 19 Radklassiker.

Das Jahr 1969 markiert den Beginn der Ära Eddy Merckx - im Guten, wie im Schlechten. Vor seinem ersten haushohen Sieg bei der Tour de France steht der Giro d`Italia auf dem Rennkalender. Merckx gewinnt vier Etappen und führt in der Gesamtwertung. Doch dann wird er positiv auf verbotene Substanzen getestet. Merckx wird bis zum 1. Juli gesperrt. Kein Start bei der Tour de France.

Einen Publikumsmagneten wie Merckx möchte man natürlich bei der Tour haben. Nach einigen negativen Tests wird die Sperre aufgehoben. Die anschließende Tour gewinnt der Belgier unangefochten.

Im Mai 1978 erklärt Eddy Merckx auf Anraten seiner Ärzte seinen Rückzug aus dem Rennsport. Der "zweite König" von Belgien, wie ihn seine Landsleute nennen, tritt ab, wie er früher am Berg antritt: Schnörkellos konsequent, nur aufs Ziel fokussiert, dabei aber ein fairer Sportsmann.

In diesem Zeitzeichen erzählt Herwig Katzer:
  • wie in Flandern rund um Jahrmärkte, Stadtfeste und Feiertage Radsporttalente entdeckt werden,
  • was Eddy Merckx seinen Spitznamen "Der Kannibale" beschert,
  • was die französische Radsportikone Jacques Anquetil über den belgischen Ausnahmesportler sagt,
  • wie Eddy Merckx sich auch als Mannschaftssportler zeigt,
  • welcher der zahlreichen Merckx-Rekorde bis 2024 hält.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • O-Ton Reportage Dieter Zimmer
  • O-Ton Herbert Watterott (WDR)

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Autor: Herwig Katzer
Redaktion: Sefa Suvak

Erfinder der Dinosaurier: Richard Owen wird geboren (20.7.1804)

Erfinder der Dinosaurier: Richard Owen wird geboren (20.7.1804) WDR Zeitzeichen 20.07.2024 14:32 Min. Verfügbar bis 21.07.2099 WDR 5

Kinder und Kinobesucher lieben Dinosaurier. Erfunden hat den Begriff der Naturforscher Richard Owen. Bekannt wurde er vor allem durch seinen prominenten Streit mit Charles Darwin.

Richard Owen ist einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler des 19. Jahrhunderts. In die Geschichtsbücher ist er jedoch nicht als strahlender Held der Forschung eingegangen, sondern als mürrischer Gegner von Charles Darwins Evolutionstheorie. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Prof. Paul Barrett (Paläontologe) ***


Das 19. Jahrhundert ist eine spannende Zeit für die Naturwissenschaften. Vieles ist in den Jahrzehnten zuvor entdeckt worden, aber noch viel mehr gilt es zu enträtseln.
Richard Owen wird am 20.07.1804 im nordenglischen Lancaster geboren. Mit 16 geht er in die Lehre bei einem Chirurgen. Er interessiert sich vor allem für die Anatomie, also den Aufbau des menschlichen Körpers. Später wechselt er an das St. Bartholomew's Hospital in London, kurz darauf wird er in das Königliche Chirurgenkolleg aufgenommen.
Von der Britischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft wird er beauftragt, alle Reptilienfossilien, die in Großbritannien jemals gefunden wurden, zu beschreiben und zu systematisieren. Darunter sind auch die Überreste von drei gigantischen Reptilien.
Owen erkennt, dass die Knochen Merkmale aufweisen, die bei keinem lebenden Reptil zu finden sind. Er hat es mit einer völlig neuen Gruppe von Reptilien zu tun und nennt sie "Dinosaurier" - wörtlich übersetzt: "schreckliche Echsen".
Während Owen zum anerkannten Experten für Anatomie und Zoologie aufsteigt, nimmt auch die Karriere eines anderen Mannes Fahrt auf: Charles Darwin. Anders als Owen treibt es Darwin hinaus in die Welt. Mit Darwins Evolutionstheorie kann der religiöse Owen nichts anfangen - mehr noch: er bekämpft sie verbissen.
Unter Wissenschaftlern gehört Owen schon bald zum alten Eisen. Als Museumsmensch leistet er jedoch weiterhin Großes: Jahrelang setzt er sich intensiv für die Gründung eines Naturhistorischen Museums in London ein, dessen erster Direktor er nach der Eröffnung 1881 wird.

In diesem Zeitzeichen erzählt Daniela Wakonigg:
  • dass Richard Owen und Charles Darwin anfangs eine herzliche Beziehung verband,
  • welche Gründe zum Streit zwischen ihnen geführt haben könnten,
  • was der Hippocampus mit dem Streit zu tun hatte,
  • dass Owens Naturhistorisches Museum heute über 80 Millionen Objekte beherbergt,
  • warum eine Statue von Charles Darwin das Erste ist, was man sieht, wenn man das Museum betritt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Prof. Paul Barrett (Paläontologe am Natural History Museum in London)
  • Patrick Armstrong: Critical Lives: Richard Owen. London 2023.
  • Nicolaas Rupke: Richard Owen. Biology without Darwin. A Revised Edition. Chicago 2009.

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Autorin: Daniela Wakonigg
Redaktion: Frank Zirpins
Technik: Jürgen Mönkediek

Das erste öffentliche Pissoir in Paris (am 19.7.1839)

Das erste öffentliche Pissoir in Paris (am 19.7.1839) WDR Zeitzeichen 19.07.2024 14:46 Min. Verfügbar bis 20.07.2099 WDR 5

Öffentliche Toiletten sind eine zivilisatorische Errungenschaft. Und sie erzählen viel über das Patriarchat, die Gleichberechtigung von Frau und Mann und Unterschiede zwischen arm und reich.

Pecunia non olet – Geld stinkt nicht. Das hat bereits der römische Kaiser Vespasian erkannt. Im ersten Jahrhundert n. Chr. lässt er öffentliche Latrinen aufstellen, erhebt darauf eine Steuer und verkauft den Urin. Damit nimmt das Geschäft mit dem Geschäft seinen Lauf. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Florian Kinast (Journalist, Schriftsteller) ***


Wo und wann die allererste öffentliche Toilette der Geschichte gestanden hat - das weiß niemand so genau. Vielleicht in Mesopotamien, 2400 vor Christus. Archäologen haben dort im Nordpalast von Ešnunna sieben nebeneinanderliegende, in Stein gemeißelte Löcher gefunden. Für die kann es nur eine Erklärung geben: Hier konnte, wer musste.
Den Römern wird sogar eine regelrechte Latrinenbesessenheit nachgesagt. "Stille Orte" sind Latrinen dabei nicht: Hier wird Handel betrieben, werden Verträge beschlossen. Getreu der heute bekannten Redensart: "Ich geh mein Geschäft machen."
Aber nicht nur auf den Latrinen werden Geschäfte gemacht. Latrinenbetreiber sammeln und verkaufen den Urin als Mittel zur Gerbung von Leder. Das Geschäft ist so einträglich, dass der römische Kaiser Vespasian sogar eine Latrinensteuer einführt. Auf den Protest seines Sohnes soll Vespasian ihm das eingenommene Geld unter die Nase gehalten und entgegnet haben: "Pecunia non olet - Geld stinkt nicht." Bis heute nennen die Franzosen ihre öffentlichen Toiletten "Vespasiennes".
Mit dem Zerfall des Römischen Reiches ist auch die gehobenere Klokultur dahin. Im Mittelalter erleichtert man sich hinter einem Busch oder in einer Hausecke. Um 1800 bieten "mobile Abtrittsanbieter" ihre Dienste an - Buttenweiber oder Buttenmänner mit zwei Eimern, in die man gegen einen kleinen Obolus sein Geschäft verrichten kann. Auch hier wird der Urin dann wieder gewinnbringend etwa an Färber verkauft.
Mitte des 19. Jahrhunderts setzt sich in europäischen Großstädten wie Paris und London die Kanalisation durch. Am 19. Juli 1839 gibt der Polizeipräsident von Paris bekannt: "Ich habe versuchsweise auf dem Boulevard Montmartre und dem Boulevard des Italiens die Errichtung von Plakatsäulen mit Innen-Urinal-Ständen gestattet." Für Frauen entstehen erst 1902 rund ein Dutzend "Notdurft-Chalets".

In diesem Zeitzeichen erzählt Martina Meißner:
  • warum in Berlin die ersten Litfaßsäulen Urinale enthalten sollten - es aber nicht taten,
  • wie und warum das Dixie-Klo in einer Garage in Velbert erfunden wurde und
  • wie der Papst dem Dixie-Klo zum Durchbruch verhalf,
  • warum Frauen vor wenigen Jahren in den Niederlanden zu "Pinkelprotesten" aufriefen,
  • auf was der Welttoilettentag am 19. November aufmerksam machen soll,
  • warum die öffentliche Toilette heute ein bedrohter Ort ist.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Florian Kinast (Journalist, Schriftsteller)
  • Rebekka Endler: Das Patriarchat der Dinge. Warum die Welt Frauen nicht passt. Köln 2021.
  • Florian Kinast: Die Toilette. Alles zum stillen Örtchen. Berlin 2024.
  • Ralph Schock: Der liebste Ort auf Erden. Klogeschichten. Zürich 2015.

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Autorin: Martina Meißner
Redaktion: Sefa İnci Suvak

Nero und der Brand von Rom: Wahrheit oder Mythos?

Nero und der Brand von Rom: Wahrheit oder Mythos? WDR Zeitzeichen 18.07.2024 15:45 Min. Verfügbar bis 19.07.2099 WDR 5

Wieso brach der Große Brand Roms in der Nacht vom 18. auf den 19. Juli 64 n. Chr. aus? War es Kaiser Nero? Oder gar die Christen? Was ist Wahrheit und was nur Propaganda?

Waren's die Christen? Oder hat Kaiser Nero Rom anzünden lassen? Bis heute ist unklar, wer für das verheerende Feuer verantwortlich sein könnte. Klar ist aber: Nero hätte sich mit dem Brand vor allem selbst geschadet. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Dr. Alexander Bätz (Althistoriker) ***


Die Straßen sind eng in Rom, die Flammen haben leichtes Spiel: Eine Woche lang wüten im Juli des Jahres 64 verheerende Flammen in der Stadt. Viele Menschen sterben, das ist gewiss. Wie viele, ist nicht überliefert. Das Feuer zerstört wertvolle Bau- und Kunstwerke, auch Wohnhäuser und Werkstätten. Doch warum brach es aus, war es Brandstiftung?

Aber wer könnte ein Interesse an dem zerstörerischen Brand haben? Etwa Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus, letzter Kaiser der julisch-claudischen Dynastie? Nero ist sicherlich kein Engel - aber ein Brandstifter ist er auch nicht. Er hätte sich mit dem Brand vor allem selbst geschadet. Das Feuer ist unterhalb seines eigenen Palastes ausgebrochen, sein eigener Besitz ist stark gefährdet.

Zu Beginn der Feuersbrunst ist Nero zwar nicht in der Stadt. Es ist aber gut belegt, dass er sich, als er die Nachricht vom Brand hört, sofort nach Rom aufmacht und die Löscharbeiten organisiert. Er lässt seine Parks für diejenigen öffnen, die vor dem Feuer flüchten, und Behelfsbauten für die vielen Obdachlosen errichten. Er ordert Nahrungsmittellieferungen aus Ostia und senkt den Getreidepreis.

Beim Volk ist Nero, der lieber Sportler oder Künstler als Kaiser geworden wäre, beliebt. Bei den Senatoren hingegen weniger. Nach Neros Tod beschließt der Senat denn auch, sein Andenken zu verdammen. Vielleicht haben deshalb fast 2.000 Jahre nach dem Brand von Rom die meisten Menschen einen gefährlichen und brutalen Irren vor Augen, wenn sie an Nero denken.

In diesem Zeitzeichen erzählt Wolfgang Meyer:
  • dass heute noch unklar ist, wie der Brand entstanden ist,
  • warum antike Schminkspiegel für Neros damalige Beliebtheit sprechen,
  • wie Hollywood auf Nero und den Brand schaut.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Dr. Alexander Bätz (Althistoriker und wissenschaftlicher Bibliothekar an der Universität Konstanz)
  • Leandro Polverini (Professor für antike Geschichte an der Universität Rom)

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Autor: Wolfgang Meyer
Redaktion: Matti Hesse

"I can't breathe": Eric Garner stirbt nach Festnahme in New York

"I can't breathe": Eric Garner stirbt nach Festnahme in New York WDR Zeitzeichen 17.07.2024 14:37 Min. Verfügbar bis 18.07.2099 WDR 5

Am 17.7.2014 stirbt Eric Garner nach einer brutalen Festnahme. Elfmal ruft er "I can't breathe" - vergeblich. Die Worte werden zum Symbol der Black-Lives-Matter-Bewegung.

Gemessen am Bevölkerungsanteil werden Schwarze in den USA mehr als doppelt so oft von Polizisten getötet wie Weiße. Der Tod von Eric Garner führt 2014 zu landesweiten Demos und Protesten. Seine letzten Worte sind: "I can't breathe." *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Silvan Niedermeier (Historiker) ***


Der 17. Juli ist ein Sommertag in Staten Island, dem südlichsten Stadtteil von New York. Eric Garner lehnt an einer Hauswand, als ihn die Polizei anspricht. Er soll unversteuerte Zigaretten verkauft haben. Garner ist zwar polizeibekannt, wurde schon mehrfach wegen kleinerer Delikte verhaftet. Doch an diesem Nachmittag geht er nur spazieren.
Der Afroamerikaner misst mehr als 1 Meter 90 und wiegt fast 160 Kilogramm. Er hat etliche gesundheitliche Probleme, ist ständig krank. Im Verlauf des Gesprächs mit den Beamten beteuert er immer wieder, nichts getan zu haben, bittet sie, ihn in Ruhe zu lassen - vergebens. Vier Beamte versuchen schließlich, ihn zu Boden zu bringen. Einer von ihnen ist Daniel Pantaleo.
Pantaleo würgt Garner im Verlauf des Handgemenges so sehr, dass dieser am Boden liegend nur noch röcheln kann: "I can’t breathe, I can’t breathe." Wenig später verstummt er. Eric Garner erstickt.

In diesem Zeitzeichen erzählen Ulrich Biermann und Veronika Bock:
  • warum Schwarze in den USA oft Opfer von Polizeigewalt werden,
  • ob Daniel Pantaleo für sein Handeln bestraft wurde,
  • wie die "Black Lives Matter"-Bewegung die USA veränderte.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Silvan Niedermeier (Historiker, Uni Erfurt)
  • Matt Taibbi: I Can't Breathe: A Killing on Bay Street. 2017

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Autoren: Ulrich Biermann und Veronika Bock
Redaktion: Matti Hesse

Adolf Lüderitz: Mit Betrug zum kolonialen Besitz

Adolf Lüderitz: Mit Betrug zum kolonialen Besitz WDR Zeitzeichen 16.07.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 17.07.2099 WDR 5

Seinen eigenen Streifen Land in Afrika hat Adolf Lüderitz durch einen Betrug deutlich vergrößert - der Anfang vom Genozid an Herero und Nama. Wie soll man heute an ihn erinnern?

Im Zuge der Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte, wird heute vermehrt gefordert, Straßen, die Namen wie den von Adolf Lüderitz tragen, umzubenennen. Diese Forderungen sind Teil eines größeren Diskurses über die Erinnerungskultur und die Aufarbeitung kolonialer Verbrechen. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Prof. Jürgen Zimmerer, Afrikawissenschaftler und Leiter der Forschungsstelle Hamburgs (-post-) koloniales Erbe ***


Adolf Lüderitz, ein Name, der heute kontrovers diskutiert wird: Der deutsche Kaufmann und Kolonialpolitiker, trägt maßgeblich zur Gründung der Kolonie Deutsch-Südwestafrika bei.

Geboren am 16. Juli 1834 in Bremen, tritt Lüderitz nach einer Ausbildung im Ausland zunächst in das väterliche Tabakunternehmen ein. Doch sein Abenteurergeist und seine Goldgräbermentalität führen ihn schließlich nach Südwestafrika.

Durch fragwürdige Landkäufe und betrügerische Verträge legt er die Grundlage für die deutsche Kolonialherrschaft. Seine Unternehmungen finden ein abruptes Ende, als er 1886 während einer Expedition im Süden der Kolonie verschwindet. Seine Leiche wird nie gefunden.

Die rund 30-jährige deutsche Kolonialherrschaft in Südwestafrika ist geprägt von Ausbeutung, Unterdrückung und Gewalt, die 1904 in den Aufständen der Herero und Nama und deren brutaler Niederschlagung gipfelt.

In diesem Zeitzeichen erzählt Maren Gottschalk:
  • warum Bismarck Kolonien zunächst als Luxus betrachtet und was seine Meinung ändert,
  • wie die Geschichte der ersten deutschen Kolonie mit einem Betrug beginnt,
  • was es mit der Lüderitzbucht auf sich hat,
  • wieso der Kaufmann Adolf Lüderitz auch "Lügenfritz" genannt wird,
  • und warum es immer noch zu viel Unwissen über die deutsche Kolonialgeschichte gibt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • Jürgen Zimmerer (Hg): Kein Platz an der Sonne, Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte, Frankfurt, New York 2013.
  • Ders. und Joachim Zeller (Hg), Völkermord in Deutsch-Südwestafrika, Berlin 2003.
  • Horst Drechsler, Südwestafrika unter Deutscher Kolonialherrschaft, Berlin 1966.
  • Wilhelm Schüßler, Adolf Lüderitz. Ein deutscher Kampf um Südafrika 1883-1886, Bremen 1936.

Und das ist unser Interviewpartner:
  • Prof. Jürgen Zimmerer, Afrikawissenschaftler und Leiter der Forschungsstelle Hamburgs (-post-) koloniales Erbe

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Autorin: Maren Gottschalk
Redaktion: Frank Zirpins
Technik: Nikolas Dohle

Vom Kabarett ins KZ und ins Kloster: Isa Vermehren

Vom Kabarett ins KZ und ins Kloster: Isa Vermehren WDR Zeitzeichen 15.07.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 16.07.2099 WDR 5

Isa Vermehren ist die erste Frau, die das Wort zum Sonntag spricht. Die Nonne und Schauspielerin erreicht damit viele Menschen. Sie stirbt am 15.7.2009 in Bonn.

Als sie die Hakenkreuzfahne nicht grüßt, fliegt Isa Vermehren von der Schule. Daraufhin geht sie ins große Berlin, wird Kabarettistin und macht Karriere. Immer an ihrer Seite: Ziehharmonika "Agathe". Doch als ihr Bruder zu den Briten überläuft, kommt Vermehren ins KZ. Nach dem Krieg ändert sie ihr Leben - und wird Nonne. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Dr. Helga Böse, Wegbegleiterin von Isa Vermehren und Herausgeberin ihrer Tagebücher


Isa Vermehren kommt 1918 in Lübeck zur Welt. Sie ist das Kind einer wohlhabenden Senatorenfamilie - protestantisch, liberal, weltoffen. Ihr Vater ist Jurist, die Mutter Journalistin. Gemeinsam mit ihren zwei Brüdern verbringt sie eine unbeschwerte Kindheit. 1933 erlebt sie dann jedoch den ersten gravierenden Einschnitt in ihrem Leben: Sie fliegt von der Schule, weil sie sich weigert, die Hakenkreuzfahne zu grüßen.
Ohne Abschluss reist die 15-jährige nach Berlin. Im Gepäck hat sie ihr Akkordeon, das sie - nach einer ihrer früheren Kinderschwestern - "Agathe" nennt. Vermehren und "Agathe" machen Karriere im Kabarett. Nebenbei nimmt sie Schallplatten auf und spielt in UFA-Filmen neben Stars wie Rudolf Platte oder Brigitte Horney.
Doch dann wird Vermehren in den Krieg geschickt: Sie und "Agathe" sollen die Truppe hinter der Front bei Laune halten. 1944 wird die Sängerin plötzlich verhaftet. Ihr Bruder, der kürzlich in den diplomatischen Dienst eingetreten war, ist zu den Briten übergelaufen. Die ganze Familie wird in "Sippenhaft" genommen. Isa Vermehren kommt ins KZ - sie überlebt.
Nach dem Krieg ändert sie ihr Leben radikal und wird Nonne. Als Schwester Isa kennen sie viele Fernsehzuschauer: Bis Mitte der 1990er Jahre präsentiert Vermehren regelmäßig in der ARD "Das Wort zum Sonntag". Isa Vermehren stirbt am 15. Juli 2009 im Alter von 91 Jahren. Und "Agathe"? Die steht bis heute im Haus der Geschichte in Bonn.

In diesem Zeitzeichen erzählt Claudia Belemann:
  • Warum sich Vermehren als Schülerin geweigert hat, die Hakenkreuzfahne zu grüßen,
  • wie das Lied "Eine Seefahrt, die ist lustig" zur Anti-Nazi-Hymne wird,
  • welche Voraussetzungen Vermehren erfüllen musste, um in den Orden aufgenommen zu werden,
  • ob Vermehren es jemals bereut hat, ins Kloster gegangen zu sein.

Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin:
  • Dr. Helga Böse, Wegbegleiterin von Isa Vermehren und Herausgeberin ihrer Tagebücher

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Autorin: Claudia Belemann
Redaktion: Sefa Inci Suvak
Techniker: Nico Soellner

Louis Barthas: Jeden Tag an den Wahnsinn des Kriegs erinnern

Louis Barthas: Jeden Tag an den Wahnsinn des Kriegs erinnern WDR Zeitzeichen 14.07.2024 14:37 Min. Verfügbar bis 15.07.2099 WDR 5

Minutiös schreibt Louis Barthas das Grauen auf, das er als Korporal im Ersten Weltkrieg gesehen hat. Doch der einfache Handwerker glaubt nicht, mit intellektuellen Autoren mithalten zu können. Erst sein Enkel gibt die Erinnerungen als Buch heraus.

Heute erinnert ein Gedenkstein in seinem Heimatdorf Peyriac-Minervois an Louis Barthas und seine Botschaft des Friedens: "[…] Ich, als Überlebender, glaube, dass mich ihr Wille inspiriert hat, rast- und gnadenlos bis zu meinem letzten Atemzug für die Idee des Friedens und der Brüderlichkeit unter den Menschen zu kämpfen." *** Das ist unsere wichtigste Quelle: Louis Barthas, Les carnets de guerre de Louis Barthas, tonnelier, 1914-1918, Paris 1997. ***


Es ist Winter 1914/15, als Louis Barthas, ursprünglich ein einfacher Küfer aus dem sonnigen Südwesten Frankreichs, in den Schützengräben liegt und beginnt, seine Erlebnisse festzuhalten.

Barthas ist kein typischer Soldat. Mit 35 Jahren, verheiratet und Vater von zwei Söhnen, wird er im August 1914 eingezogen. Als überzeugter Pazifist und Sozialist steht er dem Krieg kritisch gegenüber.

In den Tagebüchern schreibt er über die brutalen Kämpfe, das harte Leben in den Schützengräben und die unmenschlichen Befehle der Vorgesetzten. Er reflektiert über die Sinnlosigkeit des Krieges, die Verzweiflung und Angst. Aber er berichtet auch von zwischenmenschlichen Begegnungen mit deutschen Soldaten, von Momenten der Menschlichkeit und seinen Visionen von Frieden und Brüderlichkeit.

Barthas Erlebnisse, die er auf über 1.700 Seiten festhält, bleiben zunächst unbeachtet. Erst 1977, lange nach seinem Tod, werden sie veröffentlicht. Der unverfälschte Einblick in das Leben eines einfachen Soldaten im Ersten Weltkrieg wird zum Bestseller und Mahnmal - und hat auch heute nichts von seiner Aktualität verloren.

In diesem Zeitzeichen erzählt Sabine Mann:
  • Warum Infanterie-Korporal Louis Barthas das Vorgehen seiner Befehlshaber für barbarisch hält,
  • warum es sich bei Barthas trotz nur grundlegender Schulausbildung um einen belesenen Mann handelt,
  • woran er glaubt,
  • wie er den „Weihnachtsfrieden“ erlebt,
  • und was uns die Berichte über den tatsächlichen Alltag und Ablauf des Krieges erzählen.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • Louis Barthas, Les carnets de guerre de Louis Barthas, tonnelier, 1914-1918, Paris 1997.
  • Jean Renoir in „Mein Leben und meine Filme“, München 1975.

Und das sind unsere Interviewpartner:
  • Gerd Krumeich, Historiker
  • Stéphane Audoin-Rouzeau, Historiker und Co-Direktor des Historial de la Grande Guerre

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autorin: Sabine Mann
Redaktion: Christoph Tiegel/Frank Zirpins
Technik: Annett Bastian

Frida Kahlo stirbt am 13.7.1954

Frida Kahlo stirbt am 13.7.1954 WDR Zeitzeichen 13.07.2024 14:47 Min. Verfügbar bis 14.07.2099 WDR 5

Kunst und Courage: Mit riesigem Selbstbehauptungswillen wird die Mexikanerin Frida Kahlo zu einer der einflussreichsten Malerinnen aller Zeiten.

Frida Kahlos Leben ist ein Ringen. Ein Ringen mit dem eigenen Körper, denn der Tod verfehlt Frida lange nur knapp. Mit 18 Jahren überlebt sie einen schweren Unfall - mit den Verletzungen hat sie zeitlebens zu kämpfen. Wie sich ihr malträtierter Körper anfühlt, davon erzählen Frida Kahlos Bilder. Die größte Malerin Lateinamerikas wandelt ihre Schmerzen in Kunst um. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Mariella Remund, Kunstmuseum Gehrke Remund in Baden-Baden


Frida Kahlo gehört zu den bekanntesten Künstlerinnen aller Zeiten. Ihre Selbstporträts mit Blumenkranz und Monobraue erzielen Millionenpreise. Dabei dient die Kunst für Kahlo in erster Linie dazu, ein Leben voller Höhen und Tiefen zu verarbeiten. Ihre Werke lesen sich wie ein Tagebuch.

Die 1907 geborene Frida ist ein wissbegieriges Mädchen mit unbändigem Bewegungsdrang. Doch sehr früh schon muss sie erfahren, dass der menschliche Körper auch ein Gefängnis sein kann. Mit 18 Jahren schließlich verändert ein schwerer Busunfall ihr Leben für immer: Sie erleidet einen dreifachen Bruch der Wirbelsäule, ihr rechtes Bein war elfmal gebrochen und der Fuß verdreht. Dass sie den Unfall überlebt, grenzt an ein Wunder. Allein und gefesselt an ihr Krankenbett beginnt Kahlo sich selbst zu porträtieren.

Zurück im Leben lernt sie den Maler Diego Rivera kennen und lieben. Nach der Hochzeit verwandelt sich Kahlo: Sie wird - wie ihr Mann - glühende Kommunistin, trägt folkloristische Kleider, Ketten und Ohrschmuck. Ihr dunkles Haar schmückt Frida mit Blumen und Bändern, wird so selbst zu einem Kunstwerk. Uneingeschränkt glücklich wird sie aber nicht. Ihre Ehe ist turbulent, ihr Mann hat zahlreiche Affären, zudem erleidet Kahlo drei Fehlgeburten, die sie oft in ihrer Kunst thematisiert und verarbeitet.

1938 hat Frida Kahlo in New York und Paris ihre ersten Einzelausstellungen und wird zur gefeierten Künstlerin. Privat ist sie auf einem Tiefpunkt, flüchtet in Alkohol. Auch ihr Körper wird immer schwächer. Als die Ärzte versuchen, vier Rückenwirbel mit einem Metallstück zu verbinden, werden die Schmerzen so unerträglich, dass Kahlo morphiumsüchtig wird. Das Bild "Die zerbrochene Säule" von 1944 drückt ihre Qualen aus.

Am 13. Juli 1954, stirbt die berühmteste Malerin Lateinamerikas. Ihrem Tagebuch vertraut sie an: "Ich hoffe nie wiederzukehren."

In diesem Zeitzeichen erzählt Andrea Klasen:
  • Welchen Einfluss Fridas geliebter Vater auf ihre künstlerische Laufbahn hat,
  • wie unterschiedlich Frida und Diego sind - äußerlich und in ihrer Lebenseinstellung,
  • von Diegos Affäre mit Fridas Lieblingsschwester Cristina und den Folgen,
  • was Kahlo auf sich nimmt, um bei ihrer ersten Einzelausstellung in Mexiko dabei zu sein.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Mariella Remund (Kunstmuseum Gehrke Remund in Baden-Baden)
  • Christina Burrus: "Frida Kahlo - Ich male meine Wirklichkeit", München 2021
  • Helga Prignitz-Poda: "Frida Kahlo - Die Malerin und ihr Werk", München 2003
  • Film: "Frida" (2002); Hauptrolle: Salma Hayek

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Autorin: Andrea Klasen
Redaktion: David Rother

Schutz vor königlicher Willkürjustiz: Die Habeas-Corpus-Akte

Schutz vor königlicher Willkürjustiz: Die Habeas-Corpus-Akte WDR Zeitzeichen 12.07.2024 14:32 Min. Verfügbar bis 13.07.2099 WDR 5

Am 12.7.1679 genehmigt König Charles II. das Gesetz. Auch wenn es vor allem Adlige vor der Geiselhaft des Königs bewahren soll - es gilt für jeden Bürger Englands.

Die "Habeas Corpus"-Akte ist ein 345 Jahre altes, aber bis heute bedeutendes britisches Gesetz. In Kraft tritt es am 12. Juli 1679 - zum Schutz vor königlicher Willkürjustiz. Zu verdanken ist die Durchsetzung dieses Gesetzes dem englischen Parlament, das König Charles II. dazu zwingt, die Akte zu unterzeichnen. Ihre Prinzipien sind Bestandteil jeder demokratischen Verfassung. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Prof. Ronald Asch, emeritierter Historiker und Experte für die Geschichte Großbritanniens im 16. und 17. Jahrhundert ***


"Habeas Corpus" ist lateinisch und heißt: "Du mögest den Körper haben". Diese eher kryptische Formulierung ist der Name eines 1679 erlassenen Gesetzes, das noch heute als Meilenstein in der Geschichte der Menschen- und Freiheitsrechte gilt.

Hintergrund: Im England des 17. Jahrhunderts ist es üblich, dass so mancher nicht genehme Untertan willkürlich verhaftet und abgeurteilt wird - und zwar im Namen des Königs. Denn dessen Herrschaft gilt als gottgewollt.

Diesem unmoralischen Treiben will das Parlament, in dem Adlige und reiche Bürger das Sagen haben, einen Riegel vorschieben. Es zwingt König Charles II. ein Gesetz zu unterzeichnen, und so tritt am 12. Juli 1679 die Habeas-Corpus-Akte in Kraft.

Kein Untertan der englischen Krone darf diesem Gesetz zufolge ohne gerichtliches Verfahren in Haft gehalten werden. Es fordert, einen Beschuldigten innerhalb von drei Tagen einem Richter vorzuführen. Auch darf er nicht mehr einfach ins Ausland verlegt, oder zweimal wegen desselben Delikts verhaftet werden. Damit kann der König nicht länger Verhaftungen per Sonderbefehl durchsetzen.

Die Habeas-Corpus-Akte zieht Kreise weit über England hinaus. Sie findet als grundlegendes Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit Eingang in die amerikanische Verfassung. Anschließend kommt sie über Frankreich im 19. Jahrhundert auch nach Deutschland.

In diesem Zeitzeichen erzählt Christoph Tiemann:
  • Von den Geldsorgen Charles I., und wie der König versucht diese mit Verhaftungen zu lösen,
  • von der Wiederentdeckung der sogenannten "Magna Charta", dem Großen Freiheitsbrief von England,
  • wie die vielen Streitigkeiten zwischen König und Parlament zum Bürgerkrieg in England führen.

Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner:
  • Prof. Ronald Asch, emeritierter Historiker, Experte für die Geschichte Großbritanniens im 16. und 17. Jahrhundert und das Haus Stuart, Universitäten Osnabrück und Freiburg
  • Peter Oestmann, Professor für Rechtsgeschichte an der Universität Münster

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Autor: Christoph Tiemann
Redaktion: Matti Hesse

Ein freier Schotte: Geburtstag von Robert the Bruce

Ein freier Schotte: Geburtstag von Robert the Bruce WDR Zeitzeichen 11.07.2024 14:22 Min. Verfügbar bis 12.07.2099 WDR 5

Schotten lieben die Freiheit - vor allem aber die Unabhängigkeit von England. Einer der frühesten Vertreter dieses Freiheitskampfes ist Robert Bruce, der noch heute besungen wird.

Robert the Bruce ist ein schottischer Nationalheld. Seine Geschichte beginnt am 11. Juli 1274 und ist eine Mischung aus Mut, Strategie und dem unerschütterlichen Streben nach Freiheit für sein Land. Diese Freiheit erreicht er schließlich auch - vorausgegangen ist ein historischer Sieg der Schotten gegen England in der Schlacht von Bannockburn 1314. ***Das ist unsere wichtigste Quelle: Michael Maurer: Geschichte Schottlands, Reclam 2018***


Die Schlacht von Bannockburn im Jahr 1314 ist der entscheidende Wendpunkt im Unabhängigkeitskampf Schottlands. Der Anführer dieser Schlacht ist der Adlige Robert the Bruce.

Geboren am 11. Juli 1274 steht der junge Schotte zunächst - so wie sein Vater - auf der Seite und im Dienst des englischen Königs. Doch es bahnt sich ein Konflikt zwischen England und Schottland an. Dieser eskaliert, als der englische König Edward I. versucht, seinen Herrschaftsbereich auf Schottland auszudehnen.

Der charismatische Krieger William Wallace, genannt "Braveheart", schart Bürger, Bauern und Gutsbesitzer um sich und kämpft für die Freiheit Schottlands. Doch er verliert - den Aufstand und sein Leben. Nach Wallaces Tod übernimmt Robert the Bruce den schottischen Unabhängigkeitskampf, der anfangs auch ein innerschottischer Bürgerkrieg ist. Nach und nach bringt er den Adel auf seine Seite und wird 1306 als Robert I. the Bruce zum König von Schottland gekrönt.

Mit Glück und strategischem Geschick gelingt es Robert I. ein von englischen Truppen besetztes Castle nach dem anderen zu erobern. Die Zahl seiner Anhänger wächst stetig. 1314 führt Robert seine Truppen dann in die Entscheidungsschlacht von Bannockburn. Obwohl das englische Heer dreimal so groß ist, gehen Roberts Schotten als Sieger hervor. Sechs Jahre später verfassen und unterzeichnen 51 schottische Earls und andere Adlige die schottische Unabhängigkeitserklärung.

In diesem Zeitzeichen erzählt Wolfgang Meyer:
  • Warum es schottische Fußballfans seit vielen Jahren vorziehen, die inoffizielle Hymne anzustimmen, und was diese bedeutet,
  • von Roberts Jugend - ausgerechnet am Hof des englischen Königs,
  • mit welchen Mitteln Edward I. versucht, sich Schottland einzuverleiben,
  • auf welche bestialische Weise William Wallace ermordet wird,
  • vom Tod Robert I. und seinem Vermächtnis.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • Michael Maurer: Geschichte Schottlands, Reclam 2018
  • Ronald McNair Scott: Robert the Bruce - King of Scots, Canongate Books 2014
  • John Barbour: The Bruce, 1375
  • Outlaw King, Netflix 2018, Regie David Mackenzie
  • Braveheart, USA 1995, Regie Mel Gibson

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Autor: Wolfgang Meyer
Redaktion: Frank Zirpins

Erich Mühsam - unbeugsamer Dichter und Anarchist

Erich Mühsam - unbeugsamer Dichter und Anarchist WDR Zeitzeichen 10.07.2024 14:46 Min. Verfügbar bis 11.07.2099 WDR 5

Der anarchistische Schriftsteller Erich Mühsam stand zeitlebens ein für das Ideal einer freien Gesellschaft. Am 10.7.1934 wurde er im KZ Oranienburg von der SS ermordet.

Erich Mühsam ist Dichter, Bohemian und Anarchist. Er ist führend beteiligt an der ersten Münchner Räterepublik und ein steter Warner vor dem heraufziehenden Faschismus. In der Nacht des Reichstagsbrandes wird Mühsam verhaftet, in Gefängnissen und Konzentrationslagern gequält, bis er am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg ermordet wird. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Markus Liske - Autor, Journalist und Mitherausgeber des Mühsam-Lesebuchs "Das seid ihr Hunde wert"***


Erich Mühsam fällt auf. Zum einen äußerlich, mit seinem Zottelbart, dem gebückten Gang, seinem Gehstock und dem Schlabberhut. Zum anderen aber auch künstlerisch: Mühsam schreibt, dichtet, trägt vor, diskutiert und engagiert sich politisch. Er schaut mit einem Blick in die Welt, der sich oft als Weitblick herausstellt, manchmal aber auch als verschwommener Traum.

Mühsam wird in Berlin geboren, wächst in Lübeck auf und wird zunächst wie sein Vater Apotheker. Mit 22 Jahren fasst er schließlich den Entschluss sein Leben ganz der literarischen Kunst zu widmen. Er tritt in Kneipen, Kabaretts und Cafés auf. Er schreibt und gibt eigene Zeitschriften heraus. Ab 1911 etwa den Kain, eine Zeitschrift für Menschlichkeit, benannt nach dem Brudermörder aus der Bibel.

Angst kennt Mühsam nicht. 1919 steht er bei der Ausrufung der Münchner Räterepublik in der ersten Reihe, spottet noch nach der NS-Machtübernahme über Adolf Hitler. Ende Februar 1933 wird Mühsam verhaftet. Für den Anarchisten, Diktatur-Gegner und Juden folgen fast 17 Monate Tortur in Gefängnissen und Konzentrationslagern.

Am 10. Juli 1934 wird Mühsam von einem SS-Sturmbannführer aufgefordert, sich selbst zu erhängen. So berichten es andere Häftlinge. Erich Mühsam weigert sich, er will nicht seinen eigenen Henker spielen. In dieser Nacht wird er im KZ Oranienburg ermordet - im Alter von 56 Jahren.

In diesem Zeitzeichen erzählt Thomas Klug:
  • Von Mühsams Rolle bei der Ausrufung der Münchner Räterepublik, und wieso sie für ihn nur sechs Tage dauert,
  • warum der Schriftsteller seine Freilassung aus der Festungshaft absurderweise Adolf Hitler zu verdanken hat,
  • wie Mühsam bereits 1919 die NS-Zeit vorausgesagt hat,
  • wie es Mühsams Frau Zenzl nach seinem Tod ergeht.

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Autor: Thomas Klug
Redaktion: Christoph Tiegel und Matti Hesse

Ann Radcliffe: Die Königin des Schauerromans

Ann Radcliffe: Die Königin des Schauerromans WDR Zeitzeichen 09.07.2024 14:44 Min. Verfügbar bis 10.07.2099 WDR 5

Ann Radcliffe (geboren am 9.7.1764) hat Generationen das Gruseln gelehrt - bis heute. Trotz ihres großen Erfolgs zog sie sich früh aus der Öffentlichkeit zurück.

Die englische Schriftstellerin Ann Radcliffe gilt als Königin der Gothic Novel. Ohne sie wären weder Shelleys Frankenstein noch Poes düstere Erzählungen so, wie wir sie kennen. Denn die am 9. Juli 1764 in London geborene Radcliffe prägt mit ihren Schauerromanen eine ganze Generation von Autoren und Schriftstellerinnen. ***Unser wichtigster Interviewpartner: Jürgen Klein, Prof. emeritus für Anglistik; Experte für englische Schauerliteratur des. 18. und 19. Jahrhunderts***


Es ist die Langeweile, die die am 9. Juli 1764 geborene Ann Radcliffe dazu bewegt, zu schreiben. Mit 23 Jahren hatte sie den Juristen William Radcliffe geheiratet. Arbeiten darf sie als Frau nicht, selbst Handarbeiten werden - wie der Rest der Hausarbeit - von den Bediensteten erledigt.

Weil Kinder ausbleiben, greift Ann Radcliffe zur Feder und schreibt Schauerromane, Gothic Novels. Das Genre ist Ende des 18. Jahrhunderts beim Publikum besonders beliebt. Die Leser suchen Ablenkung von der Wirklichkeit, die geprägt ist durch die gesellschaftlichen Umwälzungen der Industrialisierung.

In den 1790er-Jahren wird Radcliffe zur ersten Bestseller-Autorin der Literaturgeschichte. Für "The Mysteries of Udolpho" und "The Italian" bekommt sie 500 und 800 Pfund Sterling. Im damaligen Literaturbetrieb, der zudem klar von Männern dominiert wird, sind das für Autorinnen zuvor unerreichte Honorare.

1797, mit 33 Jahren und auf der Höhe ihres Erfolgs, hört Radcliffe plötzlich auf zu schreiben und zieht sich völlig aus der Öffentlichkeit zurück. Die Gerüchteküche brodelt - auch weil ihr Leben ebenso geheimnisumwittert ist, wie das der Heldinnen in ihren Schauerromanen. Man erzählt sich, sie sei wahnsinnig geworden.

Die letzten Jahrzehnte ihres Lebens verbringt Radcliffe zurückgezogen mit ihrem Mann und den geliebten Hunden in London. 1823 stirbt sie im Alter von 58 Jahren an einer Lungenentzündung. Was sie zurücklässt, sind ihre Romane - die viele weitere Generationen von Grusel-Schriftstellern beeinflussen.

In diesem Zeitzeichen erzählt Daniela Wakonigg:
  • Was die typischen Kennzeichen eines Gotischen Romans sind,
  • wie die Kindheit von Ann Radcliffe verläuft,
  • was ihre Art Schauerromane zu schreiben so besonders macht,
  • von Radcliffes einziger Auslandsreise über Holland nach Köln.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Jürgen Klein, Prof. emeritus für Anglistik; Experte für englische Schauerliteratur des. 18. und 19. Jahrhunderts
  • Dale Townshend und Angela Wright: Ann Radcliffe, Romanticism and the Gothic, Cambridge University Press 2014
  • Rictor Norton: Mistress of Udolpho - The Life of Ann Radcliffe, Leicester University Press 1999
  • Robert Miles: Ann Radcliffe - The Great Enchantress, Manchester University Press 1995
  • Jürgen Klein: Der Gotische Roman und die Ästhetik des Bösen, Darmstadt 1975

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Autor: Daniela Wakonigg
Redaktion: Matti Hesse (2014: Hildegard Schulte)

Chlodwig Poth, Karikaturist und Gründer von Pardon und Titanic

Chlodwig Poth, Karikaturist und Gründer von Pardon und Titanic WDR Zeitzeichen 08.07.2024 14:44 Min. Verfügbar bis 09.07.2099 WDR 5

Als Vertreter der "Neuen Frankfurter Schule" prägt der Karikaturist Chlodwig Poth den kritischen Humor in Deutschland. Am 8.7.2004 stirbt er nach fast 60 Schaffensjahren.

Das Caricatura-Museum hat Chlodwig Poth 2010 eine Ausstellung über sein Lebenswerk gewidmet: "Poth für die Welt". Sechs Jahrzehnte lang zeichnet er gegen Unrecht, Machtmissbrauch, Spießigkeit und Geldgier an - mit krummen Strichen und langen handgeschriebenen Texten. Seine Kolumne "Last Exit Sossenheim" über den tristen Alltag am Stadtrand von Frankfurt wird zu einer der erfolgreichsten der 1990er Jahre. Chlodwig Poth stirbt am 8. Juni 2004. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Leonore Poth, Zeichnerin, Illustratorin, Tochter von Chlodwig Poth


Als Chlodwig Poth im Berliner Luftschutzbunker 1945 eine HJ-Truppe karikiert, wäre mit 14 Jahren seine Karriere fast vorbei gewesen, bevor sie überhaupt begonnen hat. Doch er kommt mit einem Rüffel vom NS-Blockwart davon. Gleich nach dem Krieg greift Poth wieder zum Stift und bietet seine bissigen Zeichnungen im Osten und Westen an - wobei der Osten gerne den Westen bloßgestellt wissen will und der Westen den Osten. Kein Problem für Poth, als guter Beobachter kann er ohne Mühen die Schwachstellen beider Seiten mit Stift und Papier offenlegen.

Auch das Kunststudium absolviert er in Ost und West. Dann zieht es Poth von der Spree an den Main, wo sich Satiriker zur "Neuen Frankfurter Schule" zusammenschließen. Poth gründet dort 1962 zusammen mit Kollegen wie Hans Traxler oder Kurt Halbritter das Satiremagazin "Pardon". Gleich die zweite Ausgabe, in der Poth den Springer-Verlag als Anstifter eines 3. Weltkriegs darstellt, bringt den Skandal - und Durchbruch. Springer versucht die Auslieferung des Heftes zu verhindern, Pardon wird in der ganzen BRD bekannt.

Später ist Poth einer der Gründer von "Titanic", dem bis heute bedeutendsten deutschen Satiremagazin. Seine Kolumne "Last Exit Sossenheim" wird zu einer er populärsten in den 1990er Jahre. Pointiert und bissig stellt Poth das Leben am Rand von Frankfurt - und übertragen auch am Rand der Gesellschaft dar. Sein Zeichenstil: Gegen den Strich, die Figuren sind zerzauselt. Die Texte lang und krakelig handgeschrieben - keine leichte Kost für die Lesenden.

Am 8. Juli 2004 stirbt Chlodwig Poth an einem Krebsleiden - nach ziemlich genau 60 Schaffensjahren als "Langstreckensatiriker", wie die Freunde der Neuen Frankfurter Schule ihn posthum ehrenvoll betiteln.

In diesem Zeitzeichen erzählt Thomas Pfaff:
  • Wie seine Tochter sich an Poth erinnert,
  • dass Chlodwig Poth zum strengen Kritiker der 1968er avanciert,
  • über die Gründung des Satiremagazins "Titanic",
  • was sich hinter Poths Vollbart verbirgt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Leonore Poth, Zeichnerin, Illustratorin, Tochter von Chlodwig Poth
  • Pit Knorr, Satiriker (Pardon, Titanic)
  • Chlodwig Poth: Aus dem Leben eines Taugewas, Berlin 2002
  • Oliver Maria Schmitt: Die schärfsten Kritiker der Elche, Berlin 2001
  • Rainer Hachfeld: Politische Karikatur in der BRD, Reinbek 1974

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Autor: Thomas Pfaff
Redaktion: Christoph Tiegel/David Rother

50 Jahre Fußball-WM 74 - auch eine Musikgeschichte

50 Jahre Fußball-WM 74 - auch eine Musikgeschichte WDR Zeitzeichen 07.07.2024 14:51 Min. Verfügbar bis 08.07.2099 WDR 5

Vor 50 Jahren, am 7.7.1974, wird Deutschland zum zweiten Mal Fußball-Weltmeister. Auch musikalisch war die WM bemerkenswert. Eine Stilkritik aus einer Zeit, als Fußball wirklich noch eine schöne Nebensache war...

Die Fußball-WM 1974 - vieles ist darüber schon bekannt. Deutschland wird zum zweiten Mal Weltmeister, es kommt zum ersten und einzigen WM-Duell zwischen der DDR und der BRD, gefolgt von einem legendenhaft überlieferten Wutausbruch von Franz Beckenbauer. Es gibt aber auch eine Art musikalischen Wettbewerb rund um die WM - im Fokus: DDR-Sänger Frank Schöbel. *** Das ist eine unserer Quellen: "Erlebte Geschichten" mit Frank Schöbel


Die Fußball-WM 1974 schreibt viele sportliche Geschichten. Die Wichtigste: Deutschland wird am 7. Juli zum zweiten Mal Weltmeister. Da wären aber auch noch die erste WM-Teilnahme Australiens oder der neu geschaffene Wanderpokal, den Pele zur Eröffnung feierlich an Uwe Seeler überreicht.

Weltmeisterschaften haben aber auch immer eine politische Seite. So auch 1974, als sich erstmals die Nationalmannschaft der DDR für eine WM in Westdeutschland qualifiziert. Außerdem gibt es Streit um eine geplante Pepsi-Werbung und gleich vier Präsidenten: Hatten die Eröffnungsfeier noch Gustav Heinemann (BRD) und Stanley Rous (FIFA) zelebriert, waren es beim Schlussakt bereits ihre Nachfolger Walter Scheel (BRD) und Joao Havelange (FIFA).

Man kann sich einer WM aber auch musikalisch nähern. Von der Big Band der Bundeswehr, über die WM-Fanfare, die den offiziellen Teil einläutet, bis hin zur Schlussfeier mit den Fischer-Chören. Hörenswert ist auch, welche Probleme der Auftritt des Sängers und DDR-Stars Frank Schöbel verursacht…

In diesem Zeitzeichen erzählt Axel Naumer:
  • Welchen Einfluss Olympia 1972 in München auf die Fußball-WM zwei Jahre später hat - auch finanziell,
  • was es mit den riesigen Kunststoff-Fußbällen zur Eröffnungsfeier auf sich hat,
  • wie das erste und einzige WM-Duell zwischen der BRD und der DDR ausgeht,
  • von einem Eklat im Nachgang - und was die Spielerfrauen damit zu tun haben.

Das ist eine unserer Quellen:

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Autor: Axel Naumer
Redaktion: David Rother

Institut für Sexualwissenschaft von Magnus Hirschfeld eröffnet

Institut für Sexualwissenschaft von Magnus Hirschfeld eröffnet WDR Zeitzeichen 06.07.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 07.07.2099 WDR 5

Freie Liebe für alle: Magnus Hirschfeld - schwul, Sozialist, Pazifist, Jude - gründet am 6. Juli 1919 in der Aufbruchstimmung der Weimarer Republik das "Institut für Sexualwissenschaft".

Magnus Hirschfeld kämpft zeitlebens gegen sexuelle Diskriminierung und gegen den Paragrafen 175, der homosexuelle Kontakte unter Strafe stellte. In seinem am 6.7.1919 gegründeteten Institut für Sexualwissenschaft können sich Wissenschaftler, Berater und Betroffene austauschen. Zudem entwickelt der Arzt ein Konzept der "Zwischenstufen", um die Vielfalt sexueller Lebensweisen und Orientierungen wissenschaftlich zu dokumentieren. Doch Hirschfelds Institut und seine liberalen Ansätze werden von den Nationalsozialisten einkassiert. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Richard Kühl, Medizinhistoriker, Universität Düsseldorf


Die Idee zu einem wissenschaftlichen Institut, das sich sämtlicher sexueller Themen annimmt, hat Magnus Hirschfeld schon als junger Mann im Kaiserreich. Der Berliner Arzt ist selbst schwul und erlebt, wie Homosexuelle durch Skandale und Erpressungen gebrochen werden und in der Folge häufig Suizid begehen. Die im Kaiserreich strafrechtlich verfolgte Homosexualität ist für Hirschfeld schlicht eine "angeborene Sexualkonstitution, ein drittes Geschlecht".

Mit der Aufbruchstimmung im Berlin der Zwanziger Jahre, seinem gesellschaftlichen Ansehen und seinen finanziellen Mitteln kann Magnus Hirschfeld am 6. Juli 1919 seinen Traum verwirklichen: Er gründet das Berliner Institut für Sexualwissenschaft. Die Einrichtung soll dem "menschlichen Liebesleben in biologischer, medizinischer, ethnologischer, kultureller und forensischer Hinsicht" dienen.

In einer großen Villa finden nun eine Bibliothek, Sammlungen, Forschungsprojekte, Beratungs- und Therapieangebote ihren Platz. Menschen aus vielen Ländern und allen Schichten kommen hierher, um sich über Empfängnisverhütung oder Geschlechtskrankheiten zu informieren.

Dann wird der Ton in der Medizinwissenschaft immer deutschnationaler, Hirschfelds liberale Sexualforschung hat bald keine Chance mehr. Die Nationalsozialisten übernehmen. Magnus Hirschfeld ist in Paris, als 1933 sein Institut von Nazi-Studenten geplündert und ein Großteil der einzigartigen Bibliothek auf den Scheiterhaufen geworfen wird.

In diesem Zeitzeichen erzählt Veronika Bock:
  • Über die Leiden und Verfolgungen queerer Menschen zur Kaiserzeit,
  • wie Magnus Hirschfeld 1920 ein Attentat überlebt, aber schon seinen eigenen Nachruf in der Zeitung liest,
  • warum viele Menschen ihm ihre sexuellen Probleme anvertrauen,
  • dass die Nazis den weltweit angesehenen Forscher zu einem "Perversen, der die Jugend verdirbt", degradieren.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Richard Kühl, Medizinhistoriker, Universität Düsseldorf
  • Rainer Herrn: Der Liebe und dem Leid. Das Institut für Sexualwissenschaften 1919-1933, Berlin 2022
  • Richard Kühl: Der große Krieg der Triebe. Die deutsche Sexualwissenschaft und der Erste Weltkrieg, Bielefeld 2022

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Autorin: Veronika Bock
Redaktion: David Rother

Urahn von Robotern und Künstlicher Intelligenz: Der Schachtürke

Urahn von Robotern und Künstlicher Intelligenz: Der Schachtürke WDR Zeitzeichen 05.07.2024 14:40 Min. Verfügbar bis 06.07.2099 WDR 5

Bis er am 05.07.1854 verbrennt, spielt der Schachtürke, eine Holzpuppe mit Turban, besser Schach als menschliche Gegner. Zauberei, heißt es. Bis der Trick auffliegt.

Kann ein künstliches Werk, kann eine Maschine ihren Schöpfer schlagen? Das ist keineswegs eine Frage des neuen Jahrtausends. Bereits der 1769 vorgestellte "Schachtürke", eine mechanische Apparatur, die angeblich das komplexe Schachspiel beherrscht, sorgt für Diskussionen. Dann stellt sich heraus: Alles nur gelogen, ein Mensch bedient den spielenden Automaten. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Stefan Stein, Historiker am Heinz Nixdorf Museumsforum in Paderborn


Heute ist Künstliche Intelligenz in aller Munde. Künstlich geschaffene Objekte, die Dinge tun, die bislang Menschen vorbehalten waren. Die gab es schon im 18. Jahrhundert, und schon damals haben sie für Furore gesorgt – und Debatten über Original und Fälschung entfacht.

Auch am Hof der österreichischen Kaiserin Maria Theresia ist das Interesse für technische Spielereien groß – der Adel will schließlich unterhalten werden.

Also kreiert der ambitionierte Hof-Sekretarius Wolfgang von Kempelen 1769 eine Maschine, die mit ihrem Gegenüber Schach spielt. Die menschengroße Puppe trägt passend zum damaligen Zeitgeist ein orientalisches Gewand und Turban.

Aufgezogen wird der "Schachtürke" mit einem großen Schlüssel. Während des Spiels hebt er seine Hand, greift nach einer Schachfigur auf dem Brett und setzt sie auf ein anderes Feld. Ihrem menschlichen Spielpartner ruft die Puppe im passenden Moment sogar auf Französisch "Échec! Échec!" ("Schach!") zu. Nicht nur der Adel ist entzückt. Mit dem "Schachtürken" könnte die Beziehung Mensch-Maschine in eine neue Ära gehen, so die Optimisten.

Dass in der Schrankkonstruktion ein Mensch sitzen könnte, darüber wird bereits von Beginn an spekuliert. Auch US-Schriftsteller Edgar Allan Poe besucht während einer US-Tour eine Vorstellung und ist überzeugt, dass hier keine Maschine Schach spielt.

Die Aura des Geheimnisvollen kann sich der "Schachtürke" dennoch über Jahrzehnte bewahren. Dann steht fest: Die Maschine ist "getürkt" und avanciert zum Namensgeber künftiger Fälschungen.

In diesem Zeitzeichen erzählt Daniela Wakonigg:
  • wie der "Schachtürke" europaweit bewundert wird und sogar in den USA auf Tour geht,
  • dass Napoleon gegen die Schachmaschine gespielt haben soll,
  • wie das Geheimnis um den "Schachtürken" gelüftet wird,
  • warum alles "Getürkte" wohl seinen Ursprung im "Schachtürken" hat,
  • dass man einen Nachbau des Schachtürken im Heinz Nixdorf Museumsforum in Paderborn besichtigen kann.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Stefan Stein, Historiker am Heinz Nixdorf Museumsforum in Paderborn
  • Tom Standage: Der Türke. Die Geschichte des ersten Schachautomaten und seiner abenteuerlichen Reise um die Welt, Frankfurt/M, 2002

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Transparenzhinweis:
"Für dieses Zeitzeichen wurden digitale Sprachassistenten und Künstliche Intelligenz genutzt, um einzelne Textstellen zu generieren und vertonen."

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Autorin: Daniela Wakonigg
Redaktion: Carolin Rückl/Matti Hesse
Technik: Jürgen Mönkedieck

Erste Germanistik-Professorin Deutschlands: Agathe Lasch

Erste Germanistik-Professorin Deutschlands: Agathe Lasch WDR Zeitzeichen 04.07.2024 14:58 Min. Verfügbar bis 05.07.2099 WDR 5

Die am 04.07.1879 geborene Lasch setzt sich für eine freie Wissenschaft ein - gegen alle Hindernisse, die ihr als Frau und Jüdin im frühen 20. Jahrhundert begegnen.

Sie ist die erste Professorin an der Universität Hamburg - sowie die erste des Faches Germanistik in ganz Deutschland. Agathe Lasch setzt sich für eine freie Wissenschaft ein. Gegen alle Hindernisse, die ihr als Frau und Jüdin im frühen 20. Jahrhundert begegnen. *** Das sind unsere wichtigsten Interviewpartnerinnen: Christine M. Kaiser (Publizistin) und Ingrid Schröder (Professorin)


Agathe Lasch erblickt in Berlin das Licht der Welt, als eines von fünf Kindern einer jüdischen Familie. Agathe wird - wie zwei ihrer Schwestern - Turnlehrerin. Doch schnell stellt sie fest: Das reicht ihr intellektuell nicht. Sie ist hungrig nach Wissen und vor allem nach Produktivität.

1906 legt sie in Berlin die Abiturprüfung ab, will studieren. Doch das dürfen Frauen in Preußen zu der Zeit nicht. Also immatrikuliert sie sich in Heidelberg. Schon 1909 wird Lasch mit einer Studie über die "Geschichte der Schriftsprache in Berlin bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts" promoviert. Ein Jahr später erscheint die Doktorarbeit in erweiterter Form als Buch. Die Resonanz in Fachkreisen ist überwältigend. Eine Stelle im deutschen Wissenschaftsbetrieb aber bleibt Agathe Lasch verwehrt.

Anders in den USA. Dort arbeitet sie sechs Jahre am Frauencollege Bryn Mawr in Pennsylvania. 1914 bringt sie die "Mittelniederdeutsche Grammatik" heraus, bis heute ein Grundlagenwerk zur Erforschung des Mittelniederdeutschen.

1917 zieht sie zurück nach Deutschland, arbeitet zunächst in Hamburg als "wissenschaftliche Hilfsarbeiterin". 1923 wird ihr an der Hamburger Universität als erster Frau der Professorentitel verliehen - eine Ehre ohne Konsequenzen, denn den Ruf auf eine Professorenstelle bekommt sie erst im Dezember 1926.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ändert sich aber auch das Leben Agathe Laschs. 1934 muss sie ihren Posten räumen und darf als Jüdin bald auch die Universität nicht mehr betreten. Im Juli 1942 werden Agathe Lasch und ihre beiden Schwestern nach Riga deportiert und dort am 18. August 1942 ermordet.

In diesem Zeitzeichen erzählt Heide Soltau:
  • Was Agathe Lasch mit dem "Hamburgischen Wörterbuch" zu tun hat,
  • warum sie als Professorin kaum Zeit für eigene Forschungen findet,
  • dass Lasch für ihre Studierenden zuweilen nicht nur ein offenes Ohr, sondern auch eine offene Geldbörse hat,
  • dass die Stadt Hamburg seit 1991 den Agathe-Lasch-Preis verleiht.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartnerinnen:
  • Christine M. Kaiser (Publizistin)
  • Ingrid Schröder (Professorin)
  • Christine M. Kaiser: Agathe Lasch. Erste Germanistikprofessorin Deutschlands. Berlin 2007
  • Mirko Nottscheid u.a. (Hrsg.): Die Germanistin Agathe Lasch. Aufsätze zu Leben, Werk und Wirkung. Nordhausen 2009
  • Ingrid Schröder: Agathe Lasch - die erste Professorin der Universität Hamburg. In: Respekt! Frauen verändern Wissenschaft an der Universität Hamburg. Norderstedt 2019
  • Ingrid Schröder: In honorem Agathe Lasch. In: Literatur im niederdeutschen Sprachraum (1200-1600). (im Erscheinen)

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Autorin: Heide Soltau
Redaktion: Carolin Rückl und Frank Zirpins
Technik: Nicolas Dohle

Lieber im Kaffeehaus als in der Synagoge: Zionist Theodor Herzl

Lieber im Kaffeehaus als in der Synagoge: Zionist Theodor Herzl WDR Zeitzeichen 03.07.2024 14:47 Min. Verfügbar bis 04.07.2099 WDR 5

Der junge Herzl wollte alle Wiener Juden taufen lassen, dann ließ ihn der Antisemitismus in Europa umdenken. Am 03.07.1904 starb er als Wegbereiter des jüdischen Staats.

Zunächst wird er für seine Idee ausgelacht, später gefeiert: Schon früh denkt Theodor Herzl über einen eigenen Judenstaat nach – allerdings nicht so, wie er heute existiert. In seiner Vorstellung leben Juden und Nichtjuden friedlich zusammen, ohne Militär. *** Das ist unsere wichtigster Interviewpartner: Michael Brenner (Historiker)


Ein frommer Jude ist Theodor Herzl in seinen jungen Jahren nicht. Er geht nie in die Synagoge und isst lieber Sachertorte als "gefilte Fisch". Doch in Israel wird er heute noch gefeiert als Wegbereiter eines jüdischen Nationalstaats.

Herzl hat offenbar ein oder mehrere Erweckungserlebnisse. So wird er während seiner Studentenzeit in Wien mit Antisemitismus konfrontiert und auf der Straße wüst beschimpft. Entscheidend ist aber vermutlich in den 1890er Jahren der Justizskandal um den französischen Hauptmann Alfred Dreyfus. Dabei erkennt Herzl, dass dieser Antisemitismus, den er schon in Budapest und Wien erlebt hat, nun auch in Frankreich – und damit überall – möglich ist. Für ihn ist klar: Die Juden brauchen ihren eigenen Staat, um dem Antisemitismus zu entkommen.

Zunächst wird er für seine Idee zwar ausgelacht. Doch der erste Zionistenkongress in Basel, in dem er Juden aus aller Welt seinen Plan skizziert, wird ein riesiger Erfolg. Innerhalb weniger Monate ist Herzl ein weltweit bekannter Mann, reist in den nächsten Jahren zu Unterredungen mit den politischen Größen seiner Zeit.

Obwohl er ein Buch "Der Judenstaat" schreibt, stellt sich Herzl eher ein jüdisches Gemeinwesen als einen Staat vor. Eine Art Kollektiv, in dem das Beste aus Europa übernommen werden soll, zum Beispiel im Bereich der Kultur. Die Araber in Palästina hält Herzl in der Mehrzahl für unzivilisiert – ein rassistischer Blick, der von der in Europa damals üblichen kulturellen Überheblichkeit zeugt. Herzl ist aber überzeugt davon, dass die europäischen Juden im Staate Zion Kulturarbeit leisten würden.

Zwei Jahre vor seinem Tod mit nur 44 Jahren beschreibt Herzl in seinem Roman "Altneuland" seinen Traum von einem Staat ohne Militär, in dem Juden und Nichtjuden völlige Gleichheit genießen, in dem auch die Araber begeistert sind von einem jüdischen Gemeinwesen. Dabei wird deutlich: Theodor Herzl ist kein Staatsmann. Er ist ein Visionär. Und Vertreter einer Utopie.

In diesem Zeitzeichen erzählt Almut Finck:
  • Wie Herzl früh aus seinem Traum von der Assimilation erwacht,
  • dass er sein Programm "Der Judenstaat" wie im Rausch schrieb,
  • dass er über seine Vision sogar mit dem Papst sprach,
  • warum er Paris, Rom oder Florenz neu aufbauen wollte,
  • was man Theodor Herzl aus heutiger Sicht vorwerfen kann.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Michael Brenner (Historiker)
  • Avineri, Shlomo: Theodor Herzl und die Gründung des jüdischen Staates. Berlin 2016.
  • Brenner, Michael: Geschichte des Zionismus. München 2019.
  • Penslar, Derek: Theodor Herzl. Staatsmann ohne Staat. Eine Biographie. Göttingen 2022.

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Autorin: Almut Finck
Redaktion: Carolin Rückl und Frank Zirpins
Technik: Dirk Olach und Annette Skrzydlo

Ein Eigentor mit tödlichen Folgen: Der Fußballer Andrés Escobar

Ein Eigentor mit tödlichen Folgen: Der Fußballer Andrés Escobar WDR Zeitzeichen 02.07.2024 14:47 Min. Verfügbar bis 03.07.2099 WDR 5

Kolumbien träumt bei der Fußball-WM 1994 vom Titel. Doch dann kommt das frühe Aus - auch wegen Andrés Escobars Eigentor. Wenige Tage später wird er ermordet.

Trotz seines Eigentors bei der Fußball-WM in den USA 1994 ist der kolumbianische Spieler Andrés Escobar der einzige, der sich den erbosten Fans in seiner Heimat stellt. Wenig später ist Escobar tot. Er wird auf einem Parkplatz erschossen. *** Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner: Alejandro Pino Calad (Sportjournalist) und Andrés Dávila (Professor für Politikwissenschaft)


Anfang der 1990er Jahre gilt Medellín, die zweitgrößte Stadt Kolumbiens, als die gefährlichste Stadt der Welt. Das berüchtigte Kartell um Drogenboss Pablo Escobar geht mit Gewalt gegen alle vor, die sich ihm in den Weg stellen.

Im Fußball zeigt sich ein anderes Kolumbien: jung, erfolgreich, voller Hoffnung. 1993 sichert sich das Land seinen Platz bei der WM in den USA im Folgejahr. Dort will Kolumbien der Welt zeigen, dass die Zeit der Negativ-Schlagzeilen vorbei ist.

Doch es kommt anders. Als das Auftaktspiel verloren geht, kippt die Stimmung in Kolumbien. Vor dem zweiten Gruppenspiel gegen die Gastgeber USA erhält das Team Morddrohungen aus der Heimat. Das Spiel wird zur Tragödie. Andrés Escobar, der Abwehrspieler von Atlético Nacional aus Medellín, leitet mit seinem Eigentor die Niederlage ein. Kolumbien ist am Boden. Und auf der Suche nach einem Schuldigen für das frühe Ausscheiden.

Drei Tage nach dem Ausscheiden reist Andrés Escobar zurück in seine Heimatstadt Medellín - entgegen allen Warnungen. Was dann in der Nacht vom 1. auf den 2. Juli 1994 genau geschieht, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Klar ist: Auf dem Parkplatz einer Bar eskaliert ein Streit. Ein Mann zieht eine Waffe, es fallen sechs Schüsse. Sie treffen Andrés Escobar.

Der Schock im Land über die Tat ist groß. Über 100.000 Menschen begleiten seinen Trauerzug, auch Präsident Gaviria würdigt den ermordeten Fußballspieler. Ein Tatverdächtiger wird später wegen Mordes verteilt.

In diesem Zeitzeichen erzählt Bastian Kaiser:
  • warum der Mörder Escobars schon nach elf Jahren wieder auf freien Fuß kam,
  • welchen Einfluss die Mafia auf die WM-Mannschaftsaufstellung 1994 hatte,
  • dass der letzte Mord im Fußball-Umfeld in Kolumbien erst wenige Monate her ist,
  • wie Andrés Escobar heute in Kolumbien verehrt wird.

Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner:
  • Alejandro Pino Calad (Sportjournalist)
  • Andrés Dávila (Professor für Politikwissenschaft)

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Autor: Bastian Kaiser
Redaktion: Matti Hesse
Technik: Nicolas Dohle

Schriftsteller, Liebhaberin, Produktivitätswunder: George Sand

Schriftsteller, Liebhaberin, Produktivitätswunder: George Sand WDR Zeitzeichen 01.07.2024 14:32 Min. Verfügbar bis 02.07.2099 WDR 5

Die am 01.07.1804 geborene Sand trägt Hosen, männliche Pronomen und Männernamen. Sie verfasst 180 Werke. Als Sozialistin setzt sie sich für ein freieres Frankreich ein.

George Sand ist das Pseudonym von Amantine Aurore Lucile Dupin de Francueil, einer der berühmtesten und umstrittensten Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts. Mit ihrer Lebensweise und ihren Werken vertritt die Französin sowohl Frauenrechte als auch sozialkritische Ziele. ***Unsere wichtigste Interviewpartnerin: Beate Rygiert, Autorin und Musikwissenschaftlerin***


George Sand wird am 1. Juli 1804 als Aurore Amantine Lucille Dupin geboren. Väterlicherseits stammt sie aus adligem Hause, aber ihre Mutter ist eine einfache Vogelhändlerin aus dem Volk. Als der Vater stirbt, ist Aurore gerade vier Jahre alt.

Die adlige Großmutter nimmt das Kind zu sich auf das Landschloss Nohant. Die Mutter bleibt in Paris und bekommt das Kind nur bei gelegentlichen Besuchen zu Gesicht.

George Sand wird eine der berühmtesten und umstrittensten Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts. In Männerkleidung kämpft sie für die Gleichstellung der Frau und hinterlässt mit 180 Bänden ein vielschichtiges literarisches Werk.

Auch ihre Liebesbeziehungen tragen zu ihrer Berühmtheit bei. So ist sie viele Jahre mit Frédéric Chopin liiert. In dieser Zeit entsteht mit dem Buch "Ein Winter auf Mallorca" über eine gemeinsame Reise dorthin eines ihrer literarischen Meisterwerke.

Oft wird ihr Leben vor allem auf diese Beziehungen zu berühmten Männern und auch Frauen verkürzt, doch George Sand ist von Anfang an hochbrisant und politisch. In ihren Büchern erobern Frauen sich verbotene Freiräume, wird freie Liebe gelebt oder es werden Menschen als Frauen geboren, aber als Männer aufgezogen.

In ihren letzten Jahren pflegt sie ihre tiefe Freundschaft zu Gustave Flaubert. Die Korrespondenz der so unterschiedlichen Freunde ist ein anrührendes Zeitzeugnis sowie ein Dokument der Kunstgeschichte. Als George Sand im Juni 1876 stirbt, heißt es von Victor Hugo: "Ich trauere um eine Tote und grüße eine Unsterbliche!" Ihr enger Freund Flaubert schreibt nur: "Sie fehlt mir."

In diesem Zeitzeichen erzählt Murat Kayı:
  • Womit der französische Ministerpräsident zu George Sands Lebzeiten die arme Pariser Bevölkerung auf die Barrikaden treibt,
  • warum Sands erster Gatte sich als Flop erweist,
  • wieso George Sand nach dem damaligen Eherecht von ihrem Mann mit Geld unterstützt wird, das ihr sowieso schon gehört,
  • wie George Sand zu ihrem Pseudonym findet
  • warum George Sand von der Landbevölkerung "die Gute Dame von Nohant" genannt wird.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Beate Rygiert, Autorin und Musikwissenschaftlerin
  • Dr. Armin Strohmeyr, Literaturwissenschaftler und Autor
  • Beate Rygiert: Die Sprache der Liebe, 2019
  • Armin Strohmeyr: Glauben sie nicht zu sehr an mein satanisches Wesen, Freiburg 2016
  • George Sand: Histoire de ma vie. Frankreich 1855
  • André Maurois: Lélia ou la vie de George Sand. Frankreich 1952

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Autor: Murat Kayi
Redaktion: Carolin Rückl und David Rother

Das erste Opfer der "Bestie des Gévaudan"

Das erste Opfer der "Bestie des Gévaudan" WDR Zeitzeichen 30.06.2024 13:11 Min. Verfügbar bis 01.07.2099 WDR 5

Am 30.6.1794 wird eine junge Bauerntochter in den dichten Wäldern Südfrankreichs tot aufgefunden, grausam zugerichtet - von einem Riesen-Wolf? Etwa 100 weitere Opfer folgen und ein Schreckensmythos entsteht...

Der erste dokumentierte Angriff ereignet sich im Juni 1764, als die 14-jährige Jeanne Boulet tödlich verwundet aufgefunden wird. Weitere Opfer der sogenannten "Bestie des Gévaudan" folgen, mit Bisswunden, die auf ein großes Raubtier hindeuten. *** Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner: Dr. Utz Anhalt, Historiker und Autor


Mitte des 18. Jahrhunderts versetzt eine mysteriöse Kreatur die Menschen im abgelegenen Gévaudan in Angst und Schrecken. Diese Region im Süden Frankreichs, geprägt von dichten Wäldern und schroffen Felsen, ist Schauplatz einer grausamen Serie von Angriffen. Innerhalb von drei Jahren werden hier mehr als 100 Menschen, vor allem Frauen und Kinder, Opfer einer Bestie, deren wahre Natur bis heute Rätsel aufgibt.

Augenzeugen berichten von einer Mischung aus Wolf, Leopard und Bär. Der Fantasie – und Angst - scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein. Regierung und Kirche nutzen die Panik, um ihre Macht zu festigen. Dragoner und Jäger werden entsandt, der Bischof von Mende erklärt, die Bestie sei eine Strafe Gottes.

Erst drei Jahre später gelingt es dem örtlichen Jäger Jean Chastel schließlich, ein ungewöhnlich großes Tier zu erlegen. Die Angriffe hören auf, doch das Mysterium bleibt: War es ein übergroßer Wolf, ein hybrides Raubtier oder sogar das Ergebnis menschlicher Intrigen?

In diesem Zeitzeichen erzählt Herwig Kratzer:
  • wie die Presse die Angst der Menschen schürt und die Bestie zum nationalen Gesprächsthema macht
  • warum der Bischof von Mende die Situation weiter anheizt,
  • wie hunderte von Soldaten und Jäger vergeblich versuchen, die Bestie zu erlegen,
  • warum die Rolle des Jägers, der die Bestie schließlich erlegt, Fragen aufwirft,
  • und wie die wahre Natur der Bestie und die Hintergründe der Angriffe bis heute Rätsel bleiben.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • Utz Anhalt, Serienmörder der Geschichte. Die Bestie vom Gevaudan. In: Karfunkel. Zeitschrift für erlebbare Geschichte. Band 97, 2011, S. 24–31.
  • Jay M. Smith, Monsters of the Gévaudan. The Making of a Beast, London 2011.
  • Richard H. Thompson, Wolf-Hunting in France in the Reign of Louis XV. The beast of the Gevaudan, New York 1992.

Und sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
Dr. Utz Anhalt, Historiker und Autor;
Jean Paul Chabrol, Historiker

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Autor: Herwig Katzer
Redaktion: David Rother

Übergabe des römisch-deutschen Königs Otto III. an dessen Mutter

Übergabe des römisch-deutschen Königs Otto III. an dessen Mutter WDR Zeitzeichen 29.06.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 30.06.2099 WDR 5

Heinrich der Zänker hatte ihn zuvor in seiner Hand, es geht um die Macht im Reich. Da ist Otto III. drei Jahre alt. Am 29.6.984 wird er an seine Mutter übergeben.

Bereits als Dreijähriger wird Otto III. Weihnachten 983 zum deutschen König gekrönt. Während seiner Unmündigkeit verwalten seine Mutter, Kaiserin Theophanu, und die Großmutter Adelheid von Burgund das Reich. Der kleine König bleibt zunächst in Obhut seines Verwandten Heinrich der Zänker. Erst als dieser einsieht, dass er einen möglichen militärischen Konflikt nicht gewinnen könnte, liefert er den kleinen Kindkönig an seine Mutter und an seine Großmutter aus. *** Unser wichtigster Interviewpartner: Prof. Dr. Bernd Schneidmüller, Seniorprofessor an der Universität Heidelberg***


Ende des 10. Jahrhunderts sind die Zeiten unruhig. Kaiser Otto II. will wenigstens für die Zukunft etwas Gutes auf den Weg bringen. Deshalb lässt er in Verona seinen kleinen Sohn zum König wählen: Otto III.

Ohne Vater und Mutter tritt der Kleine in Begleitung zweier Erzbischöfe die Reise gen Norden an. Weihnachten 983 wird der Dreijährige in Aachen zum König gekrönt und gesalbt. Doch dann bringt ein Bote aus Rom die Nachricht vom Tod Ottos II.

Es ist ein Rätsel, warum die Mutter Theophanu nicht zu ihrem Sohn eilt. Stattdessen geht Heinrich der Zänker als nächster männlicher Verwandter selbstverständlich davon aus, dass der kleine König unter seine Fittiche gehört. Vielleicht hegt er aber auch die Hoffnung, auf diesem Weg irgendwann selbst König zu werden.
Die Ottonen hingegen wollen die Nachfolge des ältesten Sohnes durchsetzen: Auf Otto den I. folgt sein ältester Sohn Otto II.. Der lässt seinen Sohn Otto III. krönen.

Monate später kommt es im thüringischen Rara bei Meiningen zum Showdown. Königshof und Kloster sind überfüllt von den Anhängern Theophanus und Adelheids, die alle dem Kind-König die Treue geloben und bereit sind, dafür zu kämpfen. Heinrich der Zänker kommt ebenfalls mit einer großen Zahl Getreuer, muss aber einsehen, dass er einen militärischen Konflikt nicht gewinnen kann und übergibt Otto III. an dessen Mutter.

In diesem Zeitzeichen erzählt Maren Gottschalk:
  • dass das Ritual von Salbung und Krönung sicherlich nicht kindgerecht war,
  • warum im 10. Jahrhundert das Kindeswohl in Königshäusern keine Priorität hat,
  • wie Heinrich der Zänker den kleinen König als Faustpfand nutzt,
  • warum ein Himmelszeichen zwar einen schönen Effekt hat, Heinrich der Zänker aber durch etwas ganz anderes zum Einlenken gebracht wird.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Prof. Dr. Bernd Schneidmüller, Seniorprofessor an der Universität Heidelberg
  • Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter (Hrsg.): Otto III. – Heinrich II. Eine Wende? (Mittelalter-Forschungen. Band 1). Thorbecke. Sigmaringen 1997.
  • Ekkehard Eickhoff: Kaiser Otto III. Stuttgart 1999.
  • Gerd Althoff: Otto III. WBG-Bibliothek. Darmstadt 1996.

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autorin: Maren Gottschalk
Redaktion: Matti Hesse
Technik: Sascha Schiemann

28.06.1969: Stonewall-Unruhen prägen den Christopher Street Day

28.06.1969: Stonewall-Unruhen prägen den Christopher Street Day WDR Zeitzeichen 28.06.2024 15:17 Min. Verfügbar bis 29.06.2099 WDR 5

Bei einer Razzia in einer New Yorker Bar widersetzen LGBTQ-Personen sich der Polizei. Es folgen tagelange Straßenkämpfe - und ein jahrzehntelanger Kampf um Anerkennung.

Ein Jahr nach dem Stonewall-Protesten ziehen rund 4.000 Homosexuealle durch New York, fordern Gleichberechtigung und initiieren damit den Christopher Street Day. Der CSD wird in den folgenden Jahren zum weltweiten Protest- und Feiertag für die queere Community. *** Das sind unsere wichtigsten Gesprächspartner: Heiner Schulze (Sozialwissenschaftler, Schwules Museum Berlin); Reinhard Schmidt (Düsseldorf, Aktivist, Mitbegründer der ersten deutschen Schwulengruppe) ***


Wenige Stunden nachdem viele schwule Fans Judy Garland – eine Ikone der queeren Community – zu Grabe getragen haben, treffen sie sich im "Stonewall Inn". Die Bar in der Christopher Street ist eine der wenigen Kneipen für queere Menschen in New York. Dass es überhaupt einen Treffpunkt für queere Menschen gibt, gefällt im konservativen Amerika der 1960er Jahren vielen nicht. Und so kommen auch in der Nacht zum 28. Juni 1969 wieder einmal Polizisten ins "Stonewall Inn", um die Feiernden zu schikanieren. Nichts Neues für die queere Community. Nur diesmal ist die Stimmung in der Bar aufgeheizter.

Und draußen tobt bereits ein Kampf, von dem nicht klar ist, wer genau ihn begonnen hat. Aber in dieser Nacht entlädt sich eine lange aufgestaute Wut. Steine und Flaschen fliegen auf Polizisten und es gelingt den Demonstrierenden, Gefangene aus den Polizeitransportern zu befreien. Es sind vor allem queere Latinos und Schwarze, die genug haben von den oft rassistischen, schwulenfeindlichen Drangsalierungen der Polizei. 

Die Unruhen in der Christopher Street ziehen sich über mehrere Tage hin, immer mehr Menschen schließen sich den Protesten an. Es ist die Geburtsstunde für eine weltweite LGBTQ+-Bewegung für Gleichberechtigung und Akzeptanz – ein Kampf, der bis heute anhält.

In diesem Zeitzeichen erzählt Christiane Kopka:
  • von der Verfolgung der Schwulen im Nationalsozialismus, die nach Kriegsende anhält,
  • über den Paragraf 175 im bundesdeutschen Strafgesetzbuch, der Homosexualität bis 1969 unter Strafe stellt und erst 1994 endgültig abgeschafft wird,
  • vom Versteckspiel und dem damit verbundenen Leid vieler Homosexueller, weil sie sich nicht outen konnten,
  • warum heute weltweit der CSD, der Christopher Street Day, als buntes Protest-Fest begangen wird,
  • dass die Gewalt gegen queere Menschen zuletzt wieder zugenommen hat.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Heiner Schulze (Sozialwissenschaftler, Schwules Museum Berlin)
  • Reinhard Schmidt (Düsseldorf, Aktivist, Mitbegründer der ersten deutschen Schwulengruppe)
  • Reinhard Schmidt (Hrsg.): HAG Homosexuelle Aktionsgruppe Bochum: Beginn der homosexuellen Emanzipation im Jahr 1970. 2021
  • Linus Giese (Hrsg.): Pride! Eine kurze Geschichte der LGBTQ+-Bewegung. München. 2022
  • Erinnerung, Sichtbarkeit und Emanzipation: Christopher Street Days (Regenbogenportal)

Weiterführende Links:

Audiothek-Tipp:
Zeitreise in die Münchner Disco-Ära der 80er Jahre. Plötzlich ist von einem neuen Virus die Rede. Die queere Szene erlebt Angst, Unwissenheit und Ausgrenzung. Der Podcast "I will survive" erzählt den Kampf gegen die AIDS-Krise und was heute daraus geworden ist.

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autorin: Christiane Kopka
Redaktion: Carolin Rückl und Frank Zirpins
Technik: Theo Kramer